Schweres Jahr für Luftfahrt und Versicherungen

Schweres Jahr für Luftfahrt und Versicherungen
Nach der MH17-Katastrophe erwarten die Fluggesellschaften steigende Versicherungsbeiträge.

Innerhalb der letzten fünf Monate sind mehr als 700 Menschen bei Flugzeugabstürzen ums Leben gekommen - rund dreimal so viele wie im gesamten letzten Jahr. Neben dem menschlichen Leid ist der finanzielle Schaden enorm. Die Rechnungen für die Versicherungsgesellschaften dürften sich heuer laut einem Bericht des Wall Street Journal auf über zwei Milliarden Dollar (rund 1,5 Mrd. Euro) summieren.

Nachdem der in der Ukraine abgestürzte Flug MH17 von Malaysia Airlines höchstwahrscheinlich abgeschossen worden ist, erwarten Experten höhere Kosten bei den sogenannten Kriegsdeckungen für Flugzeuge. "Der Kaskokriegsmarkt wird auf jeden Fall steigen", sagt Daniel Rüter von Albatros gegenüber der Süddeutschen Zeitung.

Noch sei unklar, ob sich die Preiserhöhungen auf die Hauptmärkte der Luftfahrtversicherung ausweiten. Der Kaskokriegsmarkt mache nur vier Prozent der Gesamtprämien aus, welche die Fluggesellschaften für ihren Versicherungsschutz zahlen, so Rüter. Wie sich die Preise für Luftfahrtkasko und Haftpflicht weiter entwickeln, könne noch nicht gesagt werden, heißt es in dem Bericht.

Die künftige Deckung für Fälle wie den der abgestürzten Boeing 777 der Malaysia Airlines stünde laut WSJ jedenfalls bereits ernsthaft zur Debatte.

Kommt Zusatzklausel "Kriegsfall"?

Versicherungsträger würden bereits über eine saftige Erhöhung der Prämien für Polizzen mit dem Zusatz "Kriegsfall" nachdenken, so die Zeitung. Sie könnten die Fluglinien mehr als das Dreifache der bisherigen kosten. Außerdem wollten die Versicherer exakte Auskunft über die Flugrouten und überlegten "den gänzlichen Rückzug aus bestimmten Arten der Deckung für Flüge über Hotspots wie dem Nahen Osten und Afrika", heißt es weiter.

Um welche Versicherungen geht es überhaupt?

Im Grunde ist ein Flugzeug wie ein Auto versichert - in Form der klassischen Kaskoversicherung für den Gegenstand (hull) und der Haftpflichtversicherung für Personenschäden (liability). Nur letztere ist gesetzlich vorgeschrieben. Wenn Angehörige von Opfern eines Flugzeugunglücks Schadenersatzforderungen stellen, dann reicht die Fluggesellschaft diese an die Versicherer weiter.

Um welche Dimensionen geht es?

In der Regel ist eine große Passagiermaschine mit etwa 100 Mio. Euro versichert - leicht über dem Marktwert des Flugzeugs. Die Haftpflichtversicherung für die Passagiere beläuft sich auf ein Vielfaches davon. Allerdings übernimmt nie ein einzelner Versicherer die Risiken allein, sondern es gibt immer einen "Pool" an Assekuranzen, um die potenzielle Last auf mehreren Schultern zu verteilen. Erstversicherer reichen solche großen Risiken meistens zum Teil an Rückversicherer weiter.

Was ist mit Schadenersatzforderungen?

Wie viel die Haftpflicht-Versicherung pro verunglücktem Passagier auszahlt, variiert von Land zu Land. Als besonders teuer gelten US-Passagiere, weil in den USA recht hohe Schadenersatzklagen geltend gemacht werden können - erst recht, wenn der Fluggesellschaft Fehler oder Fahrlässigkeit nachgewiesen werden können. Mit dem Warschauer Abkommen über die Beförderung im internationalen Luftverkehr von 1929 wurde einst versucht, Standards einzuführen - indem die Haftungsgrenze pro Passagier auf 75.000 US-Dollar (rund 55.500 Euro) begrenzt wurde, unabhängig von der Frage, ob die Airline schuld ist am Unglück oder nicht. Das Abkommen gilt inzwischen aber als überholt und wurde mehrfach durch neue Verträge ergänzt. Inzwischen hat sich die Haftungsgrenze deutlich nach oben verschoben - auf etwa 135.000 US-Dollar.

In der Praxis sieht es oft so aus, dass die Fluggesellschaft und der Hauptversicherer Soforthilfe an die Hinterbliebenen auszahlen und die rechtlichen Details später klären. Bis alles Geld geflossen ist, gehen normalerweise drei bis fünf Jahre ins Land. Werden Streitfragen vor Gericht geklärt, kann es sogar zehn Jahre dauern.

Welchen Unterschied gibt es zwischen Unglück und Anschlag?

Ist ein Flugzeug nachweislich aufgrund eines Terroranschlags oder Bürgerkriegs verunglückt, dann greift nicht die normale Kaskoversicherung, sondern die Schadenregulierung erfolgt über den Kriegskaskomarkt. Dabei handelt es sich allerdings um eine Art "Zusatzversicherung", die Fluggesellschaften gegen einen Aufpreis separat abschließen müssen. Fast alle Fluggesellschaften haben diese Policen, die von Spezialversicherern etwa auf dem Versicherungsmarkt Lloyd's of London angeboten werden. Darauf dringen - ebenso wie bei der normalen Kaskoversicherung - schon allein die Leasinggesellschaften, die die Flugzeuge finanzieren.

In Deutschland hatte die Versicherungswirtschaft nach den Anschlägen vom 11. September 2001 in New York (9/11) außerdem den Spezialversicherer Extremus ins Leben gerufen. Er versichert Unternehmen gegen Risiken aus teuren und unkalkulierbaren Terroranschlägen in Deutschland. Die Versicherer stellen dabei insgesamt zwei Mrd. Euro zu Verfügung, mit Unterstützung der deutschen Regierung kann diese Summe auf 10 Mrd. aufgestockt werden. Extremus greift allerdings nur bei nicht-beweglichen Objekten am Boden: Wäre 9/11 in Deutschland passiert, dann wären beispielsweise die Türme versichert gewesen, nicht aber das Flugzeug.

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