Süße Boutiquen: Warum in Wien immer mehr Schokogeschäfte eröffnen

Bei einem Spaziergang durch die Wiener Innenstadt sind sie kaum zu übersehen: Die vielen Schokoladengeschäfte. Und ihre Anzahl wird gefühlt immer größer.
Denn neben eingesessenen Wiener Klassikern wie Heindl, Manner oder den „Schokolade-König“ Leschanz haben sich in den vergangenen Jahren kleine Boutiquen gesellt, die hochwertige Süßwaren (größtenteils aus eigener Produktion) anbieten.
Auch internationale Hersteller wie Lindt oder Läderach sind im Stadtzentrum prominent vertreten. Der KURIER hat eine Runde durch den ersten Bezirk gedreht, um von den Betreibern mehr über den süßen Trend der Schokolade-Boutiquen zu erfahren.
Neue Filiale am Valentinstag eröffnet
Einer, der hier mit seinem Geschäft noch vergleichsweise neu ist, ist Thomas Kovazh, Gründer von Schokov. Seit dem Valentinstag dieses Jahres betreibt er einen Shop gegenüber der Albertina zwischen dem Süßwarengeschäft Anzinger und einer Filiale der „Zuckerlwerkstatt“.
Auf nur 14 Quadratmetern verkauft Kovazh süße Eigenkreationen und Schokolade aus aller Welt. Die Wahl der Lage erfolgte aus einem gewissen Konkurrenzdenken: „Die großen Marken besetzen den ersten Bezirk geradezu. Da muss man nachziehen“, erzählt Kovazh dem KURIER beim Besuch in der Filiale.
Insgesamt werde die Branche immer internationaler. „Die kleinen Wiener Geschäfte werden immer weniger“, beobachtet Kovazh.

Thomas Kovazh steht meistens selbst in einer seiner Schokov-Filialen.
Das liege vor allem an den Mietkosten, denn die seien in Top-Lage besonders hoch. Die Schokov-Filiale in der Inneren Stadt ist nur halb so groß wie Kovazhs Shop im siebten Bezirk. „Trotzdem kostet sie monatlich das Doppelte“, erzählt Kovazh.
Touristen aus aller Welt und lokale Stammkundschaft
Dafür kämen aus aller Welt Touristen in die Innenstadt-Filiale. Für das wirtschaftliche Überleben würden aber die Stamm- und Firmenkunden sorgen. „Gott sei Dank“, wie Kovazh sagt, der nicht nur vom Tourismus abhängig sein will.
Er steht als Chef an mehreren Tagen pro Woche selbst im Geschäft und verkauft seine schokoladigen Eigenkreationen wie Wacholder-Tannennadeln oder Rose-Kirschkernöl. Eine 80-Gramm-Tafel kostet acht Euro.
Ein stolzer Preis, dessen ist sich Kovazh bewusst. „Unsere Schokolade ist ein Luxusprodukt. Davon isst man auch deutlich weniger auf einmal als bei Milchschokolade aus dem Supermarkt.“
Die hohen Preise müssten sein, auch etwa weil der Kakaopreis in den vergangenen Jahren geradezu explodiert ist. Bei Schokov gibt es hauptsächlich dunkle Schokolade mit einem hohen Kakaoanteil. „Zum Teil sind mir die Preiserhöhungen selbst peinlich, aber es geht nicht anders“, sagt Kovazh.
Älteste Filiale in ausgezeichneter Lage
Weiter nördlich im ersten Bezirk liegt im Palais Ferstel auf der Freyung die älteste Filiale des Schokoladenherstellers Xocolat. Die Lage sei ausgezeichnet, erzählt Nicolas Schobesberger, Xocolat-Operations-Manager, dem KURIER.
Seit der Eröffnung vor 25 Jahren hätte man sich eine breite Stammkundschaft aufgebaut. Die Auswahl der Lage erfolgte damals nicht zufällig: „Die Location ist ein wesentlicher Faktor, um für unsere Kunden sichtbar zu sein. Und das Palais Ferstel besuchen auch viele Touristen“, so Schobesberger.
Neben der Lage sei auch die große Auswahl Teil des Erfolgsrezepts. So bietet Xocolat etwa 65 verschiedene Pralinensorten an, darunter etwa Absinth, Urzitrone oder Marillenknödel. Und es werden immer mehr: „Unser Sortiment wechselt oft, damit unsere Kunden neue Dinge entdecken können.“
Das Filialkonzept sei ähnlich wie bei einer Bücherei und soll zum Stöbern einladen. Hinzu käme persönliche Beratung. Diese ist für Schobesberger in einer Schokoladenboutique unabdingbar.
Preiserhöhungen möglichst transparent erklären
Hohe Qualität und geschultes Personal haben ihren Preis. Und diesen musste Xocolat wegen schwankender Rohstoffpreise allein bei den Pralinen bereits mehrmals erhöhen. „Wir versuchen immer, das unseren Kunden so transparent wie möglich zu erklären“, sagt Schobesberger.
Immer mehr Shops
Die Zahl der Geschäfte, die hochwertige Süßwaren verkaufen, ist in den vergangenen fünf Jahren gestiegen. Allein in Wien geht der Handelsverband (HV) von einer Zunahme um ein Viertel aus. Der Boom konzentriert sich auf Top-Lagen und Tourismus-Hotspots.
Luxus trotz Inflation
Laut HV sind die Österreicher bereit, für qualitativ hochwertige Schokolade mehr zu bezahlen. Auch zu Zeiten hoher Inflation und Sparquoten, denn: "Wenn größere Anschaffungen verschoben werden, gönne man sich umso eher kleine Luxusartikel", heißt es.
Manche Marken hätte das Unternehmen zwischenzeitlich sogar aus dem Sortiment nehmen müssen, weil die hohen Preise nicht mehr zumutbar waren.
Mit gleich zwei Shops ist Läderach in der Wiener Innenstadt vertreten, einmal auf der Kärntner Straße und am Graben. Für den Schweizer Schokoladehersteller sind die eigenen Boutiquen Teil des Geschäftsmodells.
Denn seine Schokoladen können Kunden neben dem Onlineshop nur dort und in Franchise-Läden kaufen. Auf KURIER-Anfrage heißt es dazu: „Nur so können wir die notwendige Frische unserer Produkte garantieren.“
Noch mehr Konkurrenz aus der Schweiz
Auch Lindt und Sprüngli ist in der Wiener Innenstadt vertreten, etwa mit einem Boutiqueshop am Stephansplatz. Im Herbst soll auf der anderen Seite des Doms im ehemaligen Schuhgeschäft Humanic ein zweistöckiger Flagship-Store folgen.
Die Produkte des Schweizer Herstellers werden zwar auch in den heimischen Supermärkten verkauft, trotzdem spielen die Boutiquen eine wichtige Rolle, wie eine Mediensprecherin dem KURIER mitteilt.
Denn statt als Konkurrenz für kleine Manufakturen seien diese als Ergänzung zum klassischen Lebensmittelhandel gedacht und sollen die Marke Lindt stärken. „Unser Ziel ist es, den Einkauf zu einem besonderen Markenerlebnis zu machen“, heißt es.
Dabei positioniere sich Lindt „strategisch in urbanen Zentren“, um lokale Kunden und Touristen anzusprechen. Wie viel Umsatz die Shops bringen, teilt Lindt auf Nachfrage nicht mit.
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