Unruhe am Wiener Kohlmarkt: Wie Labubu die Innenstadt aufmischt

Hektische Kinder, die sich mit aufgerissenen Augen und ausgestreckten Armen durchs Geschäft drängen. Verloren dreinblickende Erwachsene, die als Kollateralschaden dabei überrannt werden. Fokussierte Eltern, die ihre Kinder trotz Trubel im Blick behalten und das Spektakel am Ende bezahlen müssen – sofern die Regale bis dahin nicht leer geräumt sind. Außerhalb des Geschäfts wirkt der Wiener Graben vergleichsweise ruhig, fast stoisch. Man beobachtet vom Kaffeehaus nebenan das Treiben mit Interesse, führt im Vorbeigehen Gespräche über den Neuankömmling in der Inneren Stadt. Kalt lässt die Eröffnung niemanden.
Erst Dubai Schokolade, dann Labubu
Da wo vor Kurzem noch die Modekette Jones – die Markisen erinnern noch daran – und früher einmal Stefanel war, ist ab sofort Labubu. Ein Plüschmonster aus China, meist handflächengroß, von dem jetzt auch im Westen vermutlich schon fast jeder gehört hat. Weil es sich die Superstars an ihre Designertaschen hängen oder weil Kinder auf Labubus abfahren, wie einst ihre Eltern auf Tamagotchis.

Labubu steht mehrfach auf dem neuen Geschäft am Wiener Graben. Verkauft werden dort aber Lafufus - also Kopien des chinesischen Plüschmonsters.
Nur kommt heute der Druck auf Social Media hinzu, wo gefühlt jedes Kind stolzer Besitzer eines solchen Monsters ist. Am besten original, ab etwa 45 Euro, sonst ist es nicht cool. Im Notfall tut es die günstige Kopie namens Lafufu ab 20 Euro – solche Exemplare gibt es aktuell am Graben. Den Kunden, die fragen (das tun die meisten), wird das vom englisch-sprechenden Verkäufer transparent mitgeteilt: „Sie sind aus China, aber nicht original. Originale wären viel teurer“, sagt er übersetzt.
Außerdem sind die Echten viel schwieriger zu kriegen. Die Stückzahl ist limitiert, um den Preis hochzutreiben. Verkauft werden sie eigentlich nur vom China-Store Pop Mart, der jetzt weltweit Filialen eröffnet. Bis er in Österreich ankommt, nimmt der Kunde vorlieb mit den Alternativen, die er nicht mehr online suchen muss.
Denn wie schon bei der Dubai Schokolade fluten globale Hypes nicht nur das Internet, sondern auch den stationären Handel. Und zwar an den besten Innenstadt-Adressen.
Das Labubu-Geschäft am Graben ist nämlich nicht das Erste, das sich im ersten Bezirk angesiedelt hat. Fünf Gehminuten entfernt öffnete drei Wochen zuvor ein vermeintlicher Monster-Konkurrent seine mit Graffiti besprühten Pforten. Am Kohlmarkt – der teuersten Adresse Wiens. Dort, wo ein Quadratmeter locker 500 Euro pro Monat kostet und Traditionslokale wie Demel sowie hochpreisige Marken – von Dior bis Gucci – die Nachbarn sind.
Und auch Optik Pillwein, dessen Geschäftsinhaber in den Jahrzehnten hier schon viele Nachbarn kommen und gehen gesehen hat. Nur bislang keinen, der mit Graffiti nicht nur das eigene Schaufenster besprühte, sondern auch seines. „Das ist Kohlmarkt?“, fragt Norbert Giarolli und ergänzt kopfschüttelnd: „Ich hab’ schon keine Meinung mehr dazu.“ Vielleicht auch, weil ihm klar ist, dass Trends wie diese nicht lange halten. Das bestätigt auch ein Mitarbeiter des grellen Labubu-Geschäfts nebenan, den der KURIER telefonisch erreicht.

Die Chinamonster besiedeln auch das teuerste Pflaster der Bundeshauptstadt. Manchmal zum Leidwesen der Nachbarn.
Labubu bleibt nur vorübergehend
Sein Name ist Elsa – einfach nur Elsa. Er spricht für seinen Chef, einen Luxustaschenhändler, der sowohl den kleinen Shop am Kohlmarkt als auch den großen Store am Graben betreibt – eigentlich unter der Marke Nomz Luxury. Die Labubus hat man nur als Taschen-Accessoire dazu schenken wollen – weil aber die Kunden aktuell Labubus interessanter finden als die Taschen, hat man kurzzeitig umgeschwenkt. Taschen raus, Monster rein.
Langfristig wäre das kein Geschäftsmodell, sagt Elsa. Den Store am Graben plant man, für vier bis fünf Tage mit Lafufus und ähnlichen asiatischen Charakteren zu füllen – vielleicht ist er also schon wieder weg, wenn dieser Artikel erscheint. Am Kohlmarkt ist das Monster-Ende noch unbestimmt – flaut der Hype ab, soll ein Nomz-Schmuckhandel an seine Stelle treten. Ein klassischer Fall von Pop-up-Store also. Doch es gibt auch jene Geschäfte, die mit Labubus handeln und bleiben. Nicht zuletzt, weil die Kundschaft immer interessierter an Produkten aus Asien ist.



Produkte aus Asien: Lieber im stationären Handel als online
„Wir sehen, dass der Asia-Kulturtrend generell sehr stark anhaltend ist“, sagt Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will, der die Entwicklung differenziert sieht. „Neue Konzepte bereichern den Handel, bringen frischen Wind in Einkaufsstraßen, die mit Frequenzrückgängen zu kämpfen haben. Aber es gibt bei gewissen Anbietern Herausforderungen bei der Produktsicherheit, bei Kennzeichnungspflichten oder potenziellen Markenrechtsverletzungen.“
Es brauche eine konsequente Kontrolle der Behörden, sagt Will, da in vielen Shops längst nicht mehr nur Plüschtiere, sondern auch Kosmetik und andere Produkte verkauft würden. Das zeigt sich etwa auf der Mariahilfer Straße, wo im Frühjahr die chinesische Kette Uouorose Einzug nahm. Dort gibt es vom Nackenhörnchen über die Badebombe bis zum Original-Labubu um 60 Euro (lässt sich mittels QR-Code überprüfen) alles.
Oder auch auf der Landstraßer Hauptstraße, wo der Shanghai Shop seit eineinhalb Jahren die Popkultur der Volksrepublik zelebriert. Der aktuelle Topseller ist klarerweise auch dort der Labubu (original), erzählt Store-Managerin Elva Qian, die in den wenigen Minuten, in denen der KURIER vor Ort ist, zwei auf Vorbestellung verkauft. Alle vorhandenen Stück – ca. 200 die Woche – sind in Kürze vergriffen, sagt sie. Aber langfristig würden sich ihre Kundinnen – meist junge Frauen unter 25 Jahren – auch für das weitere Sortiment begeistern: Für Kleidung, Sammelkärtchen und andere Pop-Mart-Figuren.
Ein Fan von günstig produzierten Artikeln aus Asien ist der Handelsverband bekanntlich nicht – er investiert viel Zeit, um Online-Händler wie Temu und Shein zu reglementieren. Den Asia-Boom im stationären Handel ist man aber vergleichsweise wohlgesonnen. Aus einem klaren Grund: „Der stationäre Handel in Österreich – und das ist der maßgebliche Unterschied zu Fernost-Händlern, die rein digital über Plattformen zu uns kommen – unterliegt natürlich der Aufsicht“, erklärt Rainer Will. So lange Produkte sicher wären, Handelsmitarbeiter fair unter einem Kollektivvertrag angestellt und Abgaben und Steuern entrichtet werden, wäre alles in Ordnung.
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