Wie zu hören ist, wollte Kern dem Aufsichtsrat anschließend nur eine Kandidatin präsentieren. Damit waren im Vorfeld aber nicht alle Mandatare einverstanden, es gab noch hektische Telefonate. Einige Aufsichtsräte wollen über alle drei Kandidaten abstimmen können. Durchaus bemerkenswert, dass sich die Endrunden-Kandidaten nicht selbst vor dem gesamten Aufsichtsrat präsentieren können, sondern nur vor dem Nomierungsausschuss. Auch bei der kürzlichen Entscheidung über den neuen CEO des Öl- und Gaskonzerns OMV präsentierten sich alle drei Kandidaten vor dem gesamten Gremium.
Ao. Aufsichtsratssitzung am Freitag
Bereits für morgen, Freitag, ist der gesamte Aufsichtsrat der ÖBAG zur außerordentlichen Sitzung einbestellt. Diese war eigentlich erst für kommende Woche, Mittwoch, geplant, wurde aber von Kern vorgezogen.
Dabei könnte es zu einer Überraschung kommen.
Zwar gilt Wolfgang Hesoun, Chef von Siemens-Österreich, als Top-Kandidat. Wie man hört, soll der Siemens-Chef von Zehnder die beste Bewertung erhalten haben. Der renommierte Industriemanager ist als Wirtschaftkapazunder unbestritten. Hesoun gilt als SPÖ-nahe, hat aber gute Kontakte ins türkise Lager und zu den Sozialpartnern.
Erstmals aber könnte eine Frau an der Spitze der Staatsholding stehen und über die wertvollsten Unternehmensbeteiligungen der Republik Österreich regieren. Das Portfolio der ÖBAG hat derzeit einen Börsenwert von mehr als 27 Milliarden Euro und umfasst Beteiligungen an OMV, Telekom Austria, Post, Casinos Austria, Bundesimmobilien BIG sowie das Management des Verbundkonzerns.
Shortlist
An der Gerüchtebörse wird die Anwältin Edith Hlawati für die Favoritenrolle gehandelt. Sie steht ebenfalls auf der Shortlist. Die 64-jährige Top-Wirtschatsanwältin gilt als ÖVP-nahe und ist Partnerin der Kanzlei Cerha Hempel am Wiener Stubenring mit rund 100 Mitarbeitern. Die Kanzlei wies für 2020 einen Bilanzgewinn von 6,9 Millionen Euro aus. Der Nominierungsausschuss habe in einer Klausur nach den Hearings gemeinsam mit Vertretern des Personalberaters einstimmig für eine Person votiert, sagte Kern gegenüber derAPA, ohne einen Namen zu nennen. Insgesamt hätten sich 120 Personen beworben.
Hlawati hat schon in grauer Vorzeit für die Staatsholding gearbeitet, die damals noch als ÖIAG firmierte. Sie hat früher auch das Finanzministerium beraten und hält derzeit für die ÖBAG den Aufsichtsrats-Vorsitz bei Telekom und Post. Außerdem ist sie Aufsichtsratschefin der Regulierungsbehörde E-Control. Sie hat gemeinsam mit Thomas Schmid das ÖBAG-Gesetz geschrieben.
Die grundsätzliche Frage ist, welche Anforderungen die neue ÖBAG-Leitung erfüllen soll. Will man einen starken Manager mit Industrie-Erfahrung, das wäre zweifellos Hesoun, oder ist eine Beraterin gewünscht. Dieser Rolle würde Hlawati entsprechen. Eine Anwältin hat freilich keine Management- und Industrie-Erfahrung.
Kritik aus der Industrie
Aus der heimischen Industrie hört man Unmut über eine Bestellung von Hlawati. Die Industriellen hoffen stark auf Hesoun.
Bei der ÖBAG stehen aber für die nächste Zeit schwerwiegende industrielle Entscheidungen an, vor allem bei OMV und Telekom. Nach der Kritik, dass Thomas Schmid keine Industrie-Erfahrung habe, wollten die Eigentümer eigentlich einen Nachfolger mit eben dieser Kompetenz.
Doch die Regierung will sich nach den Erfahrungen mit der Schmid-Bestellung nicht einmischen. Obwohl die Politik als Eigentümervertreter für das Vermögen der Republik verantwortlich ist.
Ebenfalls auf der Shortlist steht der Ölmanager Karl Rose. Der 60-Jährige ist im Aufsichtsrat der OMV und Vize-Aufsichtsratschef der Energie Steiermark. Der ehemalige Shell-Manager jobbt als Berater (Chefökonom und Chefstratege) für den Ölgigangen Abu Dhabi National Oil Company (Adnoc).
Berater haben in der ÖBAG derzeit gute Karten. Derzeit leitet mit Christine Catasta eine ehemalige Beraterin seit dem Abgang von Schmid interimistisch die ÖBAG. Auch Aufsichtsratschef Kern kommt aus der Beratung.
Spannung für morgen ist jedenfalls garantiert. Die Sitzung ist nur für eine Stunde anbesetzt, damit werden sich Diskussionen zeitlich wohl nicht ausgehen.
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