Einer der augenscheinlichsten Vorteile des Homeoffice ist, dass die Hinfahrt zum und die Rückfahrt vom Arbeitsplatz entfällt. Viele Arbeitnehmer können somit etwas länger schlafen als normalerweise. Für die knappe Mehrheit wird das wohl kein entscheidendes Argument sein, für den Rest allerdings ein umso bedeutsameres: Denn ca. 45 Prozent der Weltbevölkerung sind sogenannte „Nachteulen“, sie werden also von Natur aus später müde – und morgens später wach.
In der Schlafforschung ist es ein schon lange bekanntes Phänomen, dass unsere Gesellschaft sich in fast jeder Hinsicht nach den Frühaufstehern, den sogenannten „Lerchen“ richtet: Der durchschnittliche Bürojob startet morgens um neun Uhr, damit die Kinder davor noch in die Schule gebracht werden können, beginnt die Schule meistens noch eine Stunde früher.
“Nachtmenschen sind in Österreich durch den gesellschaftlichen Rhythmus absolut benachteiligt“, erklärt die Schlafforscherin Brigitte Holzinger dem KURIER. „Ich hoffe daher, dass wir aus der aktuellen Situation lernen und die Möglichkeit des Teleworkings auch nach der Krise in Betracht ziehen.“
Die innere Uhr
Denn es gibt tatsächlich so etwas wie eine innere Uhr, die vorgibt, wann wir abends müde werden oder morgens in die Gänge kommen: Der sogenannte Chronotyp, der maßgeblich durch ein vererbliches Gen bestimmt wird. Man kommt also schon als Frühaufsteher oder Nachteule auf die Welt und kann den eigenen Rhythmus nur bedingt anpassen. Der Chronotyp greift allerdings erst im Erwachsenenalter – Kinder bis zum 12. Lebensjahr sind nämlich noch meist Frühaufsteher, während Jugendliche und junge Erwachsene erst deutlich später aktiv werden.
Ein Leben entgegen der inneren Uhr kann dabei langfristig drastische Folgen nach sich ziehen, darunter Konzentrationsmangel, Depressionen, stressbedingte körperliche Beschwerden sowie ein erhöhtes Krebsrisiko.
Laut Holzinger ist daher gerade der Schulbeginn um acht Uhr morgens besonders problematisch für den jugendlichen Biorhythmus. Mehreren Studien zufolge führe ein um nur eine Stunde später startender Unterricht bereits zu besseren Schulnoten, zudem gäbe es dadurch sogar weniger Fälle von Mobbing, denn “die Auswirkungen von Schlafmangel auf das soziale Miteinander werden massiv unterschätzt“.
Erwachsene Nachteulen leiden ähnlich unter einem frühen Arbeitsbeginn, haben aber meist besser gelernt, mit der Situation umzugehen. Einer Studie der Ludwig-Maximilians-Universität München zufolge nutzen sie dazu aber vermehrt ungesunde Hilfsmittel: So sind Spätaufsteher im Schnitt eher Raucher, sie nehmen zudem mehr Koffein zu sich, um morgens früher wach und mehr Alkohol, um abends früher müde zu werden.
Nicht nur Positives
Dem Arbeits- und Freizeitforscher Peter Zellmann zufolge heißt das noch nicht, dass das Arbeiten von zu Hause aus für Spätaufsteher automatisch weniger stressig wäre. Im Homeoffice bleibe man oft dauerhaft erreichbar, zudem verschwimme auch für Partner oder Kinder die Grenze zwischen Arbeit und Freizeit.
„Normalerweise ist klar: Wenn ich um fünf nach Hause komme, ist die Arbeit erledigt und ich habe den Kopf frei für andere Dinge“, so Zellmann zum KURIER. „Das ist jetzt viel verschwommener.“ Die Wohnsituation sei zudem entscheidend: Gibt es beispielsweise ein Arbeitszimmer? Muss man sich nebenbei um die Kinder kümmern?
„Man sollte das Homeoffice auch nach der Krise dort, wo es möglich ist, keinesfalls verhindern, weil es Menschen gibt, die davon enorm profitieren“, sagt Zellmann. „Das entscheidende Argument sollte aber jedenfalls Freiwilligkeit sein.“
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