Der ÖBB-Aufsichtsrat als Anwalt

Anwalt und Ex-ÖBB-Aufsichtsrat Dieter Böhmdorfer...
Böhmdorfer vertrat Firma von Ex-Bahn-Chef Huber - ÖBB: "Moralisch zweifelhaft".

Darf der Aufsichtsrat eines Unternehmens als Anwalt für ein Privatgeschäft des Generaldirektors desselben Unternehmens tätig sein? Wie schaut's abgesehen von der aktienrechtlichen Frage mit der Optik und den Compliance-Regeln aus?

Rechtsanwalt Dieter Böhmdorfer kann sich sehr empören, wenn man ihm solche Fragen stellt – als ehemaligem Aufsichtsrat der ÖBB-Holding und in Zusammenhang mit dem Immobilien-Deal Schillerplatz 4, der seit 9. Jänner Gegenstand eines Untreue-Prozesses ist.

Der Reihe nach: Böhmdorfer vertrat als Anwalt die Projektgesellschaft SP4, die dem ehemaligen Bahn-Chef Martin Huber und seiner Ehefrau gehörte. Über die SP4 erstanden die Hubers von der Telekom zwei Etagen des Schillerplatz-Palais und verkauften diese Ende 2007 mit einem Gewinn von 3,9 Millionen Euro (inklusive Steuern) weiter. Im Prozess soll geklärt werden, ob Ex-Telekom-Chef Heinz Sundt und sein Vorstandskollege Stefano Colombo die Immobilie bewusst zu billig an die Hubers verkauften.

Böhmdorfers Kanzlei war von Beginn an für die SP4 tätig und erhielt laut Huber ein Honorar von rund 170.000 Euro. Was im Schöffenprozess bis dato nicht zur Sprache kam: Das Projekt lief schon längst, als Böhmdorfer 2005 Aufsichtsrat der ÖBB-Holding wurde. Er blieb bis 2007 in dem Gremium. Huber war von 2004 bis 2008 Generaldirektor der Bahn-Holding. Trotzdem legte Böhmdorfer das Mandat für die SP4 nicht zurück.

Zur Doppel-Rolle als ÖBB-Aufsichtsrat und Anwalt der Firma von Huber befragt, erklärt Böhmdorfer gegenüber dem KURIER, er habe sich "in keiner Sekunde in einer Konfliktsituation befunden" und alles "absolut korrekt" abgewickelt. Fragen nach einer möglichen schiefen Optik kontert der hörbar genervte Böhmdorfer bemerkenswert: "Optik ist eine Schwäche, die auf mangelndes Wissen zurückzuführen ist". Dann verschanzt er sich hinter der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht.

Die ÖBB prüften inzwischen, ob Böhmdorfer möglicherweise gegen das Aktienrecht verstoßen hat und kamen zum Ergebnis, mutmaßlich nicht. Die Frage der Moral sieht das Staatsunternehmen Bahn allerdings anders als Böhmdorfer. "Moralisch zweifelhaft. Das muss nicht in jedem Fall gesetzeswidrig heißen", erklärt ÖBB-Sprecherin Sonja Horner. Nach den heutigen Compliance-Regeln der ÖBB müsste ein derartiges Mandat eines Aufsichtsrates gemeldet und genehmigt werden.

Staatsanwalt Michael Radaszitcs hat, wie berichtet, die Anklage gegen die Hubers, die bis dahin lediglich der Beihilfe zur Untreue verdächtigt wurden, überraschend auf schweren Betrug ausgeweitet. Mit der Begründung, dass Huber den ÖBB-Aufsichtsrat über seine Anteile an der SP4 bewusst falsch informiert habe und außerdem faktischer Geschäftsführer der Gesellschaft gewesen sei. Was Huber vehement bestreitet. Zumindest der Aufsichtsrat Böhmdorfer müsste als Rechtsvertreter der SP4 eigentlich über die tatsächlichen Beteiligungsverhältnisse informiert gewesen sein.

Für 4. März ist Böhmdorfer als Zeuge im Schillerplatz-Prozess geladen, auf Antrag des Staatsanwaltes. "Meine Mandanten werden Dr. Böhmdorfer von der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht entbinden", kündigt Huber-Verteidiger Meinhard Novak an.

Die ÖBB warten jetzt erst einmal den Ausgang des Betrugsverfahrens ab. "Sollte der Verdacht eines Schadens für die ÖBB entstehen, werden wir uns als Privatbeteiligte anschließen", sagt Bahn-Sprecherin Horner. Ein solcher Schaden wird freilich schwer zu argumentieren sein.

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