Expertenrat: Steuergeld wird sinnlos vergeudet

Finanzminister Hans Jörg Schelling beauftragte einen Weisenrat unter der Leitung von Thomas Wieser (Bild unten) mit Vorschlägen abseits der Parteipolitik.
Nur ein Teil der Steuergelder kommt dort an, wo er soll. Finanzminister Hans Jörg Schelling will das ändern.

Ein Programm für die Modernisierung Österreichs – abseits von der Tagespolitik und ohne die Scheuklappen der Parteipolitik. So lautete der Auftrag von Finanzminister Hans Jörg Schelling an einen elfköpfige Weisenrat, besetzt mit nationalen und internationalen Experten.

Expertenrat: Steuergeld wird sinnlos vergeudet
Das Ergebnis ist eine sehr deutliche Warnung an die österreichische Politik, nicht länger so weiterzumachen wie bisher. "Österreich ist eines der führenden Länder in der Ineffizienz beim Einsatz öffentlicher Mittel", konstatiert Thomas Wieser, in Brüssel Präsident der Euro Working Group, bei der Präsentation des Papiers "Österreich 2020". Nur ein Teil der Steuergelder der Bürger "kommt dort an, wo er soll".

Innerhalb der OECD rangiere Österreich in Sachen Effizienz im unteren Drittel. Wo aber bleibt das Geld hängen? Er habe keine einzige aussagekräftige Untersuchung gefunden, die klärt, wo die öffentlichen Gelder im System versickern, sagt Wieser.

"Die Ineffizienzen sind überall und ziehen sich durch alle Ressorts. Wir müssen dringend etwas tun, sonst kriegen wir das Budget nicht hin", betont Schelling. Er sieht sich vom Expertenrat bestätigt, "dass genug Geld da ist, aber wir es nicht gescheit genug ausgeben".

Beispiel Bildungssystem

Als Beispiel nennt Wieser das Bildungssystem: "Österreich gibt dafür viel Geld aus, aber mehr als 50 Prozent kommen nicht in den Klassenzimmern an." Der Expertenrat schlägt eine Dezentralisierung der Verantwortung an die einzelnen Schulen vor. Eine Schule in Landeck habe andere Probleme als im 22. Wiener Bezirk.

Schelling will sich nicht festlegen, ob Schulen Bundes- oder Ländersache sein sollen, wichtig sei eine zentrale Steuerung. Derzeit gebe es alleine vier Abrechnungsstellen für die Bezahlung der Lehrer.

Oder die Familienförderung. Schelling: "Wir geben acht Milliarden für die Förderung der Familien aus, aber ich habe nicht das Gefühl, dass das Geld ankommt." Die Experten schlagen vor, Geld- in Sachleistungen umzuwandeln. Sowie beim Kinderbetreuungsgeld die Variante mit 30/36 Monaten zu streichen und dafür Anreize für eine höhere Beteiligung der Väter zu setzen. Das würde auch die Karrierechancen von Frauen verbessern.

Breitband statt Tunnel

Oder die Ausgaben für Infrastruktur. Wieser hält den Ausbau der Infrastruktur in Österreich für "stark überdimensioniert. Wenn viel in Beton gegossen werden soll, sind wir stark. Bei der immateriellen Infrastruktur ist Österreich schwach". Gemeint ist der Breitband-Ausbau.

Oder der Föderalismus. Durch die Dreidimensionalität der Institutionen "versickert viel Geld, die Ineffizienzen entstehen durch die Koexistenz mehrerer Verwaltungsebenen" (Wieser). Die Bundesländer abzuschaffen ist politisch ein Ding der Unmöglichkeit, doch bei den Kosten der Verwaltung könne der Hebel angesetzt werden, meint Schelling. Die Finanzströme müssten wesentlich transparenter werden, "nicht nur vom Bund zu den Ländern, auch von den Ländern zu den Kommunen".

Stichwort Steuerautonomie der Länder. Dazu hat Schelling demnächst die Schweizer Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf zu Gast. Mit den Verantwortlichkeiten ist es schwierig in Österreich. Schelling: "Jeder ist bei uns für etwas zuständig, aber niemand ist für etwas verantwortlich."

Der Finanzminister ist nicht mit allen Vorschlägen des Weisenrats einverstanden, etwa einer maßvollen Erbschaftssteuer, für die sich die Mehrheit des Gremiums ausspricht, "aber wir müssen jeden Vorschlag zulassen". Das Konzept sei eine "Art Leitschiene auf einer vierspurigen Autobahn. Wir müssen überlegen, wechseln wir auf die Überhol- oder auf die Kriechspur oder biegen wir überhaupt ab".

Österreich müsse dringend, sind sich Schelling und der Weisenrat einig, die Struktur der öffentlichen Ausgaben grundlegend reformieren. Drei Viertel der Staatsausgaben Österreichs seien derzeit rückwärts gewandt und würden nicht für die Modernisierung des Staates eingesetzt. Schelling setzt sich drei Schwerpunkte: Die Beseitigung der Ineffizienzen, die Langfristsicherung (Anhebung des Pensionsantrittsalters, Frauenpensionsalter) und ein Offensivpaket – mit den Themen Bildungssystem, Universitäten sowie Forschung und Entwicklung.

Am Geld liegt’s wirklich nicht. Dank einer der höchsten Abgabenquoten hat der Staat tatsächlich kein Einnahmenproblem, da hat Finanzminister Hans Jörg Schelling völlig recht. Österreich hat ein Ausgabenproblem, und zwar ein gewaltiges.

Wenn drei Viertel der Staatsausgaben auf die Finanzierung der Vergangenheit und Sicherung des Status quo ausgerichtet sind, sollten die Alarmglocken schrillen. Ein Unternehmen würde bei einer derart ungesunden Budgetstruktur mit dem Wettbewerb am Markt nicht mithalten können. Der Staat Österreich steht im Wettbewerb der Nationen und muss sich in einer globalisierten Welt behaupten.

Würde das Unternehmen obendrein so ineffizient gemanagt wie die Firma Österreich, wäre es bald konkursreif. Stellen Sie sich eine Handelskette vor, in der jede Filiale ihre eigene Buchhaltung, ihre eigene IT und ihre eigene Marketingstrategie hat, und die sich obendrein dauernd mit der Zentrale streitet.

Klientelpolitik und viel Bequemlichkeit haben die Firma Österreich derart aufgebläht und unbeweglich gemacht, dass heute niemand mehr genau nachvollziehen kann, wohin die Gelder der Steuerzahler fließen. Klar ist nur, dass die Treffsicherheit nicht stimmt. Österreich gibt beispielsweise nicht zu wenig für Bildung aus, aber in den Klassenzimmern kommt nicht einmal die Hälfte des Geldes an; und wir rutschen im Vergleich der Bildungssysteme international permanent nach unten.

Nach dieser Steuerreform, die ihren Namen nicht verdient, ist es höchste Zeit für die Modernisierung des Staates Österreich. Sonst steuern wir von der Kriechspur auf den Pannenstreifen. Die Überholspur haben wir ohnehin schon längst verlassen.

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