Schelling: "Nur noch ein Pensionssystem"

Von Mindestsicherung bis zu Förderungen: Wehsely und Schelling diskutierten.
Sozialsysteme.Finanzminister diskutierte mit Wiener SP-Stadträtin Wehsely und Bernd Marin.

Sind die Sozialsysteme in Österreich noch finanzierbar? So sicher nicht, ist Finanzminister Hans Jörg Schelling überzeugt. Der ÖVP-Politiker hatte im Sommer mit seiner Kritik an der Höhe der arbeitslosen Einkommen eine heftige öffentliche Debatte ausgelöst. Mit der Mindestsicherung gelinge es nicht, die Menschen in Arbeit zu bekommen, "die Relationen stimmen nicht", legte Schelling jetzt nach.

Stichwort Vollkasko-Staat: "Die beiden großen Parteien haben den Menschen vorgegaukelt, alles ist finanzierbar." Um den Wohlstand annähernd erhalten zu können, seien jetzt Reformen dringend notwendig. In Summe, argumentierte Schelling bei einer Podiumsdiskussion im Wiener Ringturm (Veranstalter Agentur Unique), "sind die Belastungen nicht mehr tragbar".

Bei den Pensionen gebe es "zu viele verschiedene Systeme". Schellings Ziel: "In zehn Jahren soll es nur noch ein Arbeitsrecht und einen Zugang zu den Pensionen geben."

Österreich habe eine der höchsten aktiven Arbeitsmarktförderungen in Europa, "trotzdem bringen wir die Menschen nicht in die Arbeit. Da machen wir etwas falsch". Schelling urgierte einen effizienteren Einsatz der Mittel, das dritte vom AMS bezahlte Bewerbungsseminar helfe einem Langzeitarbeitslosen nicht. Er stellte außerdem infrage, "ob Menschen mit 5000 bis 8000 Euro Monatseinkommen dieselben Familienleistungen brauchen wie jemand mit 1500 Euro Einkommen?"

Letzteinkommen

Die Ersatzrate beim Arbeitslosengeld von 55 Prozent des Letzteinkommens sei zwar im internationalen Vergleich nieder, sagte der Sozialforscher Bernd Marin. Mit den Familienbeihilfen komme ein Paar mit zwei Kindern allerdings "auf bis zu 2200 Euro netto im Monat". Für Marin eine Konstellation, "wo sich Arbeit nicht auszahlt". In Österreich falle der größere Teil der Bevölkerung aus dem Erwerbssystem, Berufsunfähigkeit und Invaliditätspensionen seien "zwei Mal so teuer wie die Arbeitslosigkeit", rechnete der Sozialexperte vor.

Das reichte dann aber SP-Stadträtin Sonja Wehsely (Gesundheit und Soziales), die davor warnte, Abstiegsängste zu schüren. Derzeit kämen zwölf schlecht Ausgebildete auf einen freien Job. Zwei Drittel aller Bezieher von Mindestsicherung hätten maximal einen Pflichtschulabschluss. Dass die Arbeitslosigkeit nach wie vor aus den Beiträgen der Arbeitnehmer und -geber finanziert wird, ist für Wehsely sozial nicht mehr gerechtfertigt – "was ist mit den Vermögen und den Erben?".

Wehsely kritisierte massiv die "deutlich zu geringen Lohnrunden" der vergangenen Jahre. Das Problem sei doch, "wie wenig Menschen mit Arbeit verdienen". Die finanziellen Familienleistungen hält die SP-Politikerin für zu hoch, dafür seien aber die Sachleistungen zu gering.

Die Sozialwissenschaften kennen übrigens den Begriff "Faulheit" gar nicht. Wenig Bock auf Arbeit heißt im Wissenschaftler-Sprech laut Marin "Präferenz für mehr Freizeit".

Kommentare