Scheinselbstständigkeit: Zu viele Einzelkämpfer am Bau
Sie kommen mit Stanleymesser und Maßband nach Österreich und arbeiten auf eigene Kasse: Fassadenarbeiter, Gerüstbauer, Fliesenleger, Maurer oder Eisenbieger. Die Unternehmensgründung beruht aber nicht auf dem Wunsch nach Selbstverwirklichung, sondern erfolgt "aus der Not heraus", sagt Arbeiterkammer-Präsident Rudolf Kaske.
Die AK nahm die seit der Ost-Öffnung des Arbeitsmarktes wieder zunehmende Selbstständigkeit am Bau genauer unter die Lupe. Fazit: Bei Überprüfungen gaben mehr als 60 Prozent aller Selbstständigen an, ausschließlich für einen Arbeitgeber tätig zu sein. Kontrolliert wurden insgesamt 242 Verdachtsfälle auf 97 Baustellen. Die meisten Betroffenen übten einfache Tätigkeiten aus, die laut Gesetz gar nicht selbstständig erbracht werden dürfen. "Menschen aus den Nachbarländern, in denen das Lohnniveau im Schnitt weit unter dem österreichischen liegt, fragen nicht nach Rahmenbedingungen, wenn sie um vieles mehr als zu Hause verdienen", erläutert Kaske.
Die Entlohnung liegt in der Regel deutlich unter dem jeweiligen Kollektivvertrag, was den Druck auf die regulär beschäftigten Bauarbeiter erhöht und eine Dumpingspirale auslöst. "Wenn gegen diese Scheinselbstständigkeit kein passender Regulierungsrahmen gefunden wird, kommt es zu einem Anwachsen der Working poor", fürchtet Baugewerkschafter Josef Muchitsch.
Eine Besserung erhoffen sich die Arbeitnehmervertreter durch die Novellierung des bisher eher zahnlosen Lohn- und Sozialdumpinggesetzes, das u. a. striktere Lohnkontrollen vorsieht (siehe unten). Der Gesetzesentwurf gehe aber nicht weit genug, "denn die Gauner sind sehr erfinderisch", meint Muchitsch. Er fordert zusätzlich eine Beschränkung der Sub-Unternehmerkette für Bauvorhaben auf maximal zwei Ebenen sowie die Verankerung des Bestbieter- statt Billigstbieterprinzips bei öffentlichen Ausschreibungen. Immerhin ein Drittel des gesamten Bauvolumens stehe im Einflussbereich der öffentlichen Hand.
Dunkelziffer
Wie viele Scheinselbstständige es am heimischen Arbeitsmarkt tatsächlich gibt, weiß niemand. Die AK kritisiert, dass eine solide Datenbasis fehle. Weder bei den Gewerbebehörden noch bei der gewerblichen Sozialversicherung gebe es valide Daten zur Branchenzugehörigkeit der Ein-Personen-Unternehmen. Der von der Wirtschaftskammer bejubelte Gründerboom bei Migranten sei jedenfalls mit Vorsicht zu genießen.
Novelle Ab 1.1. 2015 sollen die Lohnkontrollen am Bau auf sämtliche Entgeltbestandteile (Zulagen, Sonderzahlungen) ausgeweitet werden. Bisher wurde nur der Grundlohn herangezogen. Der Arbeitnehmer wird künftig über die Unterentlohnung informiert, damit er Geld nachfordern kann.
Strafrahmen Die Strafen bei Nichtbereithalten der Lohnunterlagen werden auf 1000 bis 10.000 € verdoppelt und damit auf das Niveau von Lohndumping angehoben.
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