Scheidender RBI-Chef Karl Sevelda: "Es gab große Bedenken"

Sevelda steuerte die Bank durch ihre schwierigsten Zeiten
Sevelda über den langen Weg zur Fusion und den Sinn von Fremdwährungskrediten.

Karl Sevelda stand dreieinhalb Jahre an der Spitze der Raiffeisen Bank International (RBI). Er erlebte die wohl turbulentesten Zeiten in der Geschichte der Osteuropa-Bank des Raiffeisensektors. Nach der Umsetzung der Fusion von RBI und Raiffeisen Zentralbank (RZB) Ende März 2017 geht er in Pension. Dem KURIER erzählt er, warum diese Fusion unter den Raiffeisenbanken für viel Aufregung sorgte, warum Osteuropa auf Fremdwährungskredite angewiesen war und warum die Wirtschaft nicht nur in Demokratien Geschäfte machen kann.

KURIER: Herr Sevelda, als Sie Mitte 2013 vom Vize zum Chef der RBI aufgestiegen sind: War Ihnen klar, wie dringend die Bank Kapital brauchte?

Karl Sevelda: Wir wollten das staatliche PS-Kapital rasch zurückzahlen. Mir war klar, dass wir dafür eine Kapitalerhöhung brauchen. Diese haben wir im Jänner/Februar 2014 erfolgreich geschafft. Mehr als 2,8 Milliarden Euro kamen so in die Bank. Rückblickend muss ich sagen: Wir hatten Glück, weil kurz darauf der Konflikt in der Ukraine ausgebrochen ist.

Die Anleger hatten weniger Glück, der Kurs der RBI-Aktie hat das Ausgabeniveau nie wieder gesehen ...

Der Ausgabekurs war 28,50 Euro, dann ist er noch auf über 31 Euro gestiegen. Mit dem Ukraine-Konflikt aber ist er eingebrochen. Seit wir die Fusion RBI/RZB beschlossen haben, erholt er sich aber wieder.

Dass diese Fusion notwendig ist, war offensichtlich. Warum hat es so lange gedauert, bis sie endgültig beschlossen wurde?

In einem sehr dezentral aufgestellten Sektor wie es Raiffeisen ist, sind solche Beschlüsse nicht ganz einfach. Da ist viel Überzeugungsarbeit nötig. Denn das Zentralinstitut des Sektors ist nach der Fusion ein börsenotiertes Institut. Da gab es große Bedenken.

Welche?

Alle Aufgaben, die das Zentralinstitut für den Raiffeisensektor erledigt, müssten ,at arm’s length‘ erfolgen. Das heißt: Es darf kein Aktionär bevorzugt werden. Außerdem ist eine erhöhte Transparenz nötig.

War das bisher nicht so?

Das heißt nicht, dass es zuvor Ungesetzliches gab, aber in einem börsenotierten Unternehmen muss man noch mehr darauf achten. Wenn ich auf das Jahr 2014 zurückschaue, das war ein annus horribilis: der Ukraine-Konflikt, der erste Verlust der RBI in der Geschichte. Das war ein Schock für den Sektor.

Ein heilender Schock?

Wir mussten eine nachhaltige Strukturänderung angehen. Im RBI-Vorstand haben wir 2015 einstimmig den Rückzug aus Asien und den USA beschlossen sowie die Verkleinerung unseres Geschäfts in Russland, Weißrussland und der Ukraine. Die Kosten müssen bis Ende 2017 um ein Fünftel reduziert werden und mit der Fusion von RBI und RZB wird die Eigenquote steigen.Wie und ob das die Relation zu den Raiffeisenbanken ändert, wird sich weisen.

Kommen wir zu Russland, dem nach wie vor gewinnstärksten Markt für die RBI. Halten Sie den Umgang des Westens mit Putin für richtig?

Russland ist tatsächlich noch immer einer der wichtigsten Ergebnisbringer für uns. Und ich sehe, dass sich derzeit das Sentiment internationaler Investor gegenüber Russland verbessert. Es gibt eine starke Nachfrage nach russischen Wertpapieren. Die Wirtschaftssanktionen des Westens halte ich nicht für den richtigen Weg.

Warum nicht?

Ich verstehe, dass die Welt auf die Invasion der Krim reagieren musste. Ich glaube aber, dass wir das Thema mit Wirtschaftssanktionen nicht lösen können. Wenn wir nur Geschäfte mit Demokratien österreichischen oder Schweizer Zuschnitts machen dürften, würden wir sehr einsam werden.

Was wäre Ihre Alternative?

Wir bräuchten eine sanftere politische Lösung für die Ukraine. Dass das Land so sehr auf Distanz zu Russland geht, war ein Fehler. Russland ist mit Abstand der wichtigste Absatzmarkt für die Ukraine. Unsere Bank macht übrigens wieder sehr gute Geschäfte in der Ukraine, wir sind mit Abstand die erfolgreichste Bank des Landes.

Anderen Banken geht es schlecht in der Ukraine. Die PrivatBank musste soeben notverstaatlicht werden ...

Das war ein guter und richtiger Schritt. Damit die Menschen sehen: Es geht nicht alles. Aber es gibt noch politische Kräfte, die Anti-Korruptionsgesetze blockieren. Politisch kommt das Land zu langsam voran, die Hausaufgaben sind noch nicht gemacht.

Hat Raiffeisen im Osten auch Fehler gemacht, etwa zu viele Fremdwährungskredite vergeben?

Das Thema wird populistisch ausgenutzt. Der Zwangsumtausch, den Regierungen etwa in Ungarn verordneten, tat den Banken sehr weh. Er ist auch unfair, weil viele dieser Regierungen die Banken seinerzeit ermuntert haben, Kredite in Fremdwährung zu vergeben.

Warum das?

Es gab in den Ost-Ländern in Landeswährung keine langfristigen Kredite, wie sie etwa Häuslbauer benötigten. Ich erinnere mich sogar an ein Telefonat eines Regierungsmitglieds, nachdem wir begonnen hatten, die Fremdwährungskredite zu reduzieren. Er fragte, ob wir die Bauwirtschaft ruinieren wollten.

Also: Keine Fehler der Banken?

Banken waren sicher zu leichtsinnig mit Fremdwährungskrediten. Aber sie haben damit zum Aufbau der Wirtschaft beigetragen. Und wenn es im Einzelfall Probleme mit einem Kredit gab, haben wir eine Lösung mit dem Kunden gefunden. Von den Zwangskonvertierungen profitierten übrigens eher Wohlhabende als Sozialfälle.

Auch in Polen?

Ja. Dort sieht das jetzt auch die Regierung. Polens Nationalbank warnt schon vor drastischen Maßnahmen gegen Banken. Ich hoffe, dass es zu einer Regelung kommt, die die Finanzwirtschaft nicht zu sehr schädigt.

Hat Sie die Einstellung der Politik zu den Banken enttäuscht?

Ja. Die Banken sind die Sündenböcke für alle Fehlentwicklungen. Aber die Politik informiert die Bürger schlecht. Denn jede gesunde Volkswirtschaft braucht die Banken, um Wirtschaftswachstum zu finanzieren. Mit Crowdfunding allein werden wir das nicht schaffen.

Sie waren früher als Gründungsmitglied des Liberalen Forums politisch engagiert. Reizt Sie die Politik wieder?

Ich kann mir vorstellen, mich in der Zivilgesellschaft zu engagieren; im Sinne einer liberalen Politik. Aber ich will auch mein Privatleben genießen, nicht mehr täglich um halb sechs Uhr aufstehen müssen, ich will privat mehr reisen und für mein Enkelkind nicht nur der "Blitzopa" sein, der nur auf fünf Minuten vorbeikommt.

Kommentare