"Schattenfinanz": Österreich immer noch wenig transparent

Attac-Protest gegen das Bankgeheimnis in Österreich
Österreich ist was Finanzströme anbelangt nach wie vor wenig transparent. Ein neues Eigentümer-Register ab Juni soll das ändern.

Verschwiegen, diskret, undurchsichtig: Eigenschaften, die anonyme und illegale Finanzströme von Steuersündern oder Geldwäschern geradezu magisch anziehen. Es sind aber nicht die prominenten, kleinen Steuerparadiese, sondern vor allem "reiche und mächtige Staaten", die von undurchsichtigen, globalen Finanzströmen am meisten profitieren. Das geht aus dem Schattenfinanz-Index 2018 von Tax Justice Networks und der globalisierungskritischen Organisation Attac hervor.

Der Index, der 20 Indikatoren und im Unterschied zur "Schwarzen Liste" der EU auch die Größe des Finanzplatzes berücksichtigt, sieht seit Jahren die Schweiz als "wichtigste Transparenzwüste der Welt". Banken in der Schweiz managen mehr als 2,5 Billionen Euro an ausländischen Vermögen und erreichen damit einen Anteil von 25 Prozent am Weltmarkt. Dahinter folgen die USA, die ihren Marktanteil bei Offshore-Finanzdienstleistungen seit 2015 um 14 Prozent erhöhten. Deutschland rangiert auf Platz 7. Grund: Wenig Transparenz und zugleich wenig Anstrengungen im Kampf gegen Organisierte Kriminalität.

Geheimniskrämerei

Österreich liegt im Index weiter im vorderen Drittel auf Rang 35 von 112 Länder, konnte sich gegenüber dem letzten Index (Rang 24) aber etwas verbessern. "Österreich war durch internationalen Druck gezwungen, sein Bankgeheimnis zu lockern, dadurch ist einiges ermöglicht worden, etwa der automatische Datenaustausch", erläutert Martina Neuwirth (siehe auch dieses Interview) vom Vienna Institute for International Dialogue and Cooperation (VIDC). Geheimniskrämerei gebe es aber nach wie vor bei der Transparenz von Eigentum und Unternehmen. Es existiere weder ein öffentlich zugängliches Register über die wirtschaftlichen Eigentümer von Stiftungen und Treuhandschaften noch öffentliche länderweise Berichte von multinationalen Konzernen.

"Schattenfinanz": Österreich immer noch wenig transparent
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Das besagte Register wird im Zuge der EU-Anti-Geldwäscherichtlinie gerade umgesetzt. Bis 1. Juni müssen dort alle wirtschaftlichen Eigentümer von Gesellschaften, Stiftungen oder Vereinen eingetragen werden. Damit soll offengelegt werden, wer wirklich hinter einer Firma steckt. Zugänglich ist das Register aber nur berechtigten Personen und Behörden. Die strenge Meldepflicht – bei Nichteintragung drohen bis zu 200.000 Euro Strafe – sorgt bei Stiftungen bereits für Aufregung. Es müssen nämlich nicht nur die wirtschaftlich Begünstigen gemeldet werden, sondern auch potenziell begünstigte Nachkommen sowie alle Stifter und Stiftungsvorstände. Auch die praktische Handhabung des Registers wirft noch viele Fragen auf. Wer etwa muss wann melden, wenn er potenzielle Steuersünder oder Geldwäscher im Register entdeckt?

Weltweit werden in "Steuersümpfen" 16 bis 24 Billionen Euro an Privatvermögen geparkt. 400 Milliarden Euro an Steuern gehen durch Gewinnverschiebungen multinationaler Konzerne verloren. Das schätzt die internationale Organisation "Tax Justice Network" ("Steuergerechtigkeitsnetzwerk"). Am Dienstag veröffentlichte das "TJN" eine aktualisierte Version seines "Schattenfinanzindex". Dieser bewertet, welche Staaten illegale Finanzströme durch intransparente Verhältnisse besonders stark anlocken.

Auf den vordersten Plätzen haben sich die Schweiz, USA und Cayman Islands angesiedelt. Mit Luxemburg (6.) und Deutschland (7.) sind auch EU-Staaten unter den Top 10, die gemeinsam fast 60 Prozent der Offshore-Finanzdienstlestungen anbieten würden. Dazu käme, dass das Vereinigte Königreich von Großbritannien (21.) mit seinen Offshore-freundlichen Kleininseln eigentlich die "versteckte Nummer 1" sei.

In diesem Sinne übt das Netzwerk auch Kritik an der Schwarzen Liste, mit der die Europäische Union neun internationale Steuerparadiese an den Pranger stellt. Diese beinhaltet zwar durchaus kritiserenswerte Länder, im internationalen Maßstab seien diese aber eher unbedeutend. Österreich (35.) schneidet im Index schlechter ab, als acht der derzeit neun Mitglieder dieser Schwarzen Liste.

Hierzulande geben das Wiener Institut für internationalen Dialog und Zusammenarbeit (VIDC) und die globalisierungskritische NGO Attac den Bericht heraus. VIDC-Expertin Martina Neuwirth sprach im Interview mit Kurier.at über die Ergebnisse und Verbesserungsmöglichkeiten.

Kurier.at: Was sind die Dinge, die Österreich laut dem Bericht schlecht macht?

Martina Neuwirth: Vor allem die Transparenz der Eigentumsverhältnisse und bei Unternehmen ist ausschlaggebend für das schlechte Abschneiden. Dank des Aufweichens des Bankgeheimnisses haben wir uns im Schattenfinanzindex von 2015 verbessert, aber seitdem hat sich Österreich in punkto Transparenz nicht verbessert. Und das Bankgeheimnis ist immer noch im Verfassungsrang und wird nur durchbrochen, wo das gesetzlich genau festgelegt ist. Es stehen Gefängnisstrafen darauf, es zu brechen. Das kann gerade bei Whistleblowern schlagend werden.

Das Bankgeheimnis zu lockern hat im Ranking geholfen. Hat sich das aber auch real positiv ausgewirkt?

Ich finde schon. Die Verfolgung von Steuerhinterziehung ist sowohl für die Steuer- als auch Justizbehörden wesentlich einfacher geworden. Und dadurch hat sich auch der Datenschutz verbessert. Das klingt vielleicht paradox: Früher mussten Behörden eine Anfrage über Kontoinformationen an alle Bankenverbände schicken, weil man nicht wissen konnte, wo jemand sein Konto hatte. Da hat auch jemand, der völlig unschuldig war, bei allen Banken einen kleinen Klecks bekommen. Das hat sich mit dem Kontenregister verbessert.

Was wären drei schnelle, einfache Maßnahmen, die die Regierung umsetzen sollte?

Eine Österreich-spezifische Lücke ist das Steuerabkommen mit Liechtenstein, da geht vor allem es um den Austausch von Informationen zu Stiftungen. Das sollte man - wie das mit der Schweiz - aufkündigen und automatisch Informationen austauschen.

Dann sollte man darüber nachdenken, ob ein Land wie Österreich es sich nicht leisten könnte, das Firmenbuch und andere Register kostenlos zugänglich zu machen. Die wirtschaftlichen Eigentümerregister sollten transparenzer und öffentlich gemacht werden. Das wird sich hoffentlich etwas bessern.

Was wir schon lange fordern sind öffentliche länderweise Berichte. Große Unternehmen sollen berichten müssen, wie viel sie in welchen Ländern an Steuern zahlen, welche Gewinne und Umsätze sie wo machen. Das wird auf EU-Ebene schon lange diskutiert. Österreich hat sich immer quer gelegt.

Warum kann man dagegen sein?

Die Wirtschafts ist da vor allem dagegen. Sie meint, die veröffentlichten Daten könnten falsch ausgelegt werden. Auf OECD-Ebene wurde abgemacht, dass es länderweise Berichte für Steuerbehörden gibt, die aber nicht veröffentlicht werden. Schon da gab es großen Widerstand. Das österreichische Finanzministerium meint, man würde sich strafbar machen, gäbe man länderweise Daten heraus. Das stimmt aber nicht. Ein EU-Vorschlag sieht vor, dass nicht das Ministerium die Daten veröffentlichen soll, sondern die Unternehmen machen das in ihren Jahresberichten. Die Argumentation ist da manchmal schon ein bisserl verquer.

Man hat den Eindruck, nicht die Regierung sondern internationale Organisationen wie die OECD oder auch die EU sind die treibende Kraft, dass sich auch in Österreich etwas verbessert. Täuscht das?

Österreich hat sich in der Vergangenheit eher nur als Bremser bemerkbar gemacht. Als dann seitens der OECD, G20 und innerhalb der EU der große internationale Druck für mehr Transparenz kam, hat man zwischen 2013 und 2015 nachgegeben und etwa das Bankgeheimnis gelockert. Seitdem ist wieder Stillstand. Man hat das Gefühl, dass Österreich immer einen Stoß von internationaler und öffentlicher Seite braucht.

Es wird ja keine kollektive nationale Identität sein, da zu bremsen. Welche Akteure sind da verantwortlich?

Beim Bankgeheimnis hat man das schon behauptet. Und dann ging das doch sang- und klanglos über die Bühne. Hauptsächlich kommt Widerstand vom Finanzministerium und von denen, die Informationen preisgeben müssen. Wenn man mehr über Stiftungen wissen will, sind das die Stiftungen. Von der Wirtschaftskammer kommt viel Widerstand, wenn es um Berichtspflichten bei großen Unternehmen geht.

Egal, wer in der Regierung sitzt?

Die letzten Finanzminister waren alle von der ÖVP. Von der SPÖ gab es schon Vorstöße. Im Wahlkampf hat sie gesagt, sie wolle länderweise, öffentliche Berichterstattung. Das hat vielleicht damit zu tun, dass Evelyn Regner als SPÖ-Abgeordnete im EU-Parlament die Berichterstatterin zu diesem Thema war und das sehr gepusht hat. Aber auch Othmar Karas, obwohl er konservativer Europaabgeordneter ist, hat gesagt, wir brauchen mehr Transparenz, um Steuervermeidung und -hinterziehung besser bekämpfen zu können. Auf EU-Ebene gibt es mehr Verständnis für Transparenz. In Österreich ist das eine zähe Angelegenheit. Wir versuchen da mit der Veröffentlichung des Schattenfinanzindex auch ein bisschen in Bewegung zu bringen.

Die EU ist einerseits treibende Kraft für Verbesserungen in Österreich. Andererseits wird sie im Bericht auch kritisiert. Auf ihrer Schwarzen Liste stünden die falschen Handelsplätze, während große wie die Schweiz und Großbritannien fehlen. Ist die EU nun ein positiver oder negativer Akteur in diesem Kampf?

Die EU-Kommission und vor allem das EU-Parlament sind da immer schon etwas weiter und tragende Player für mehr Transparenz und für die Bekämpfung unfairer Steuerpraktiken. Sie versuchen, in ihren Bereichen Einfluss zu nehmen, damit der Steuerwettbewerb nicht ausartet. Im Steuerbereich haben aber meist nicht die EU-Institutionen sondern nur die Regierungen eine Handhabe. Die Schwarze Liste der Steueroasen kommt von den Finanzministern der EU-Mitgliedsstaaten. Das ist zugegeben auch in unserer Presseaussendung eine gewisse Vereinfachung.

Im Bericht wird jede Intransparenz automatisch als negativ ausgelegt. Will man eigentlich die totale Transparenz oder sehen Sie auch Argumente dagegen?

Es ist immer das öffentliche Interesse gegenüber dem Schutzinteresse des Einzelnen abzuwägen - und das ist ja auch eine Maxime im Datenschutz. Da haben sich die Parameter international verschoben. Es gibt ein öffentliches Interesse von Staaten, sich durch Steuereinnahmen zu finanzieren. Denn global gesehen sehen wir Steuervermeidung und -hinterziehung heute in einem unglaublichen Ausmaß. Man muss dem irgendwie Einhalt gebieten.

Natürlich gibt es schützenswerte Interessen eines Einzelnen. Wobei es da zwischen Ländern unterschiedliche Befindlichkeiten gibt. In Österreich ist es unvorstellbar, dass jeder Einsicht nehmen kann, wie viele Steuern man bezahlt hat. In anderen Ländern ist das Gang und Gebe - etwa in den nordischen. In Österreich gibt es da schon mehr Sensibilität was den Schutz des Steuergeheimnisses betrifft. Der Index sieht eine möglichst große Transparenz vor und wendet sehr strenge Maßstäbe an.

Wäre ein Land, das allein alle Vorschläge des Berichtes umsetzt, eigentlich international schwer im Nachteil?

Würde das ein kleines Land mit einem kleinen Finanzmarkt machen, würde nicht viel passieren. Der Hebel wäre zu klein. Aber wenn sich die wichtigsten Finanzplätze zu mehr Transparenz durchringen, hätte das natürlich massive Auswirkungen.

Aber würde Österreich da einen Alleingang machen und alle Forderungen erfüllen, hätte es wahrscheinlich ein Problem?

Größtenteils nicht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Österreich da wahnsinnige Nachteile hätte, wenn etwa das Firmenbuch und andere Register kostenlos öffentlich zugänglich und das Steuersystem kohärenter und effizienter würde.

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Österreichs Finanzminister sind keine Vorreiter im Kampf gegen Intransparenz

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