San Francisco: Das Ende der Goldgräberstimmung
Die Starbucks-Filiale in San Francisco ist so heimelig wie eine Bahnhofshalle. Kahle Wände. Fenster, die schon länger nicht geputzt wurden. Überall Menschen, die warten. Auf dass ihr Name aufgerufen wird und sie ihren Coffee-to-go oder einen Snack im Papiersackerl in die Hand gedrückt bekommen. Gemütliche Kaffeepause? Fehlanzeige – kein Tisch, kein Sessel.
„Das ist eine Folge der Pandemie“, sagt ein Einheimischer achselzuckend.
Die dauergestressten Tech-Mitarbeiter mit ihren iPads und iPhones sind mehr oder weniger aus den Cafes verschwunden – ins Homeoffice. Gekommen sind immer mehr Obdachlose, die sich bei Starbucks aufgewärmt haben – solange es noch Sitzgelegenheiten gab.
„Es kommen viele nach Kalifornien, weil hier die Sozialleistungen im Vergleich zu anderen US-Bundesstaaten besser sind“, sagt ein Einheimischer. Auf rund 800.000 Einwohner würden rund 5.000 Obdachlose kommen. Auf Teilen der Mission Street reiht sich ein Zelt an das andere, davor Einkaufswägen gefüllt mit den wenigen Habseligkeiten der Obdachlosen. Obdachlos heißt hier nicht gleich arbeitslos. Viele verdienen schlicht zu wenig, um sich die hohen Mieten der Stadt leisten zu können.
30 Prozent Leerstand
Kaum eine Stadt in den USA leidet so unter den Folgen der Pandemie wie San Francisco. Die Leerstandsquote bei Büros liegt aktuell bei rund 30 Prozent. Die Zeiten der großen Wachstumsfantasien sind bei vielen Tech-Konzernen im Silicon Valley vorbei. Was geblieben ist, sind Sparprogramme, mit denen die Aktionäre beruhigt werden sollen. Erst diesen Monat hat etwa der Facebook-Konzern Meta 10.000 Mitarbeiter von der Gehaltsliste gestrichen. Firmen wie SAP haben zwei Drittel ihrer Büroflächen aufgelassen und ihre Mitarbeiter im großen Stil ins Homeoffice geschickt. Die Folgen sind enorm. Verwaiste Büros, verbarrikadierte Lokale, gefallene Häuserpreise. „Ich habe mein Haus in San Francisco 2009 gekauft, der Wert hat sich binnen Jahren verdreifacht. Dann kam die Pandemie, alle wollten raus aus der Stadt. Der Preis für mein Haus ist um ein Drittel gefallen“, sagt Frank, ein Manager aus San Francisco. Wer glaubt, dass man jetzt günstig mieten kann, irrt. Ein WG-Zimmer ist unter 3.000 Dollar im Monat kaum zu bekommen. In Paolo Alto, dem Zentrum der Tech-Start-ups, werden Immobilien um durchschnittlich 3,5 Millionen Dollar gehandelt.
Wer im Silicon Valley wohnt und ein Einkommen von weniger als 100.000 Dollar im Jahr hat, lebt per Definition unter der Armutsgrenze. Das Durchschnittsgehalt eines Meta-Mitarbeiters wird von Branchenkennern mit 250.000 Dollar beziffert. Wer kann, verdient im Homeoffice ein Silicon-Valley-Gehalt und wohnt irgendwo, wo die Häuser günstiger sind. Die Stadt verwaist, die Kriminalität steigt. Bis zu 150 Autoeinbrüche gibt es täglich. „Ich lebe seit 20 Jahren hier, nie wurde in mein Auto eingebrochen. Im letzten halben Jahr aber gleich zwei Mal“, sagt der gebürtige Österreicher Mario Herger. „Touristen wird geraten, Mietautos mit runtergekurbelten Fenstern zu parken, damit die Scheiben nicht eingeschlagen werden.“
Kaderschmiede
Trotz Krise bleibt das Silicon Valley eine Produktionsstätte für innovative Unternehmen aus aller Welt. Bis zu 60.000 Start-ups haben sich in der Region rund um San Francisco angesiedelt, schätzt Innovationsexperte Herger. Alles ist in Bewegung, auch die Mitarbeiter. „Wettbewerbsklauseln gibt es hier keine. Das würde der Staat Kalifornien schon allein deswegen nicht zulassen, weil er nicht will, dass die Leute ihm dann auf der Tasche liegen.“
Die Folge: Viele Mitarbeiter kündigen irgendwann bei den Tech-Giganten, um ein Start-up zu gründen. Oft mit Hilfe von Investoren, so genannten Venture-Capital-Gebern. Herger: „Die Risikokapital-Summen haben sich in Pandemiezeiten in den USA verdoppelt und 60 Prozent des Venture Capitals ist im Silicon Valley angesiedelt.“
Kopieren? Geht nicht
Bleibt die Frage, ob die Innovationskraft des Silicon Valleys kopierbar ist. „Nein“, sagt Friedrich Prinz, Professor an der Elite-Universität Stanford bei einem Treffen mit Digitalisierungsstaatssekretär Florian Tursky am Uni Campus. Prinz: „Dass das Silicon Valley eine Sogwirkung auf die hellsten Köpfe der Welt hat, hat sich aufgrund einer gewissen Offenheit der Leute hier gegenüber anderen Kulturen und Ideen ergeben.“
Dazu komme Risikokapital im großen Stil, das in Österreich fehlt, speziell wenn es um Anschlussfinanzierungen geht. Am Bildungsniveau scheitert es laut Prinz nicht. „Das Niveau der Unis ist solide, wenn auch nicht Weltklasse. Die Grundvoraussetzung ist da.“ Detail am Rande: In Stanford kommen auf 16.000 Studenten 7 Mrd. US-Dollar jährliches Budget – eine Quote, von der heimische Unis nur träumen können. In einer Disziplin sieht Prinz übrigens die Europäer führend: „Im Zerreden von Ideen. Speziell bei den Griechen bleibt zum Schluss von keiner Idee etwas übrig.“ US-Amerikaner seien experimentier- und risikofreudiger.
Die Reise ins Silicon Valley erfolgte auf Einladung des Staatssekretariats für Digitalisierung.
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