Russland will zum Selbstversorger werden
Käse aus Österreich, Frankreich oder den Niederlanden? Fehlanzeige. Russland reagierte am Montag auf die Verlängerung der EU-Wirtschaftssanktionen und hält die Gegenmaßnahmen ebenfalls aufrecht. Damit wird das Importverbot für landwirtschaftliche Produkte wie Obst, Gemüse, Fleisch und Milchprodukte bis Ende Jänner 2016 prolongiert.
Das seit Anfang August 2014 geltende Einfuhrverbot hat dazu geführt, dass westliche Lebensmittel in Russland rar und teuer geworden sind. "Obst und Gemüse wird nun von anderen Ländern wie Weißrussland oder Israel importiert", berichtete Anton Tabakh von der russischen Ratingagentur RusRating bei einem Vortrag in Wien. Was den Russen am meisten fehle, sei jedoch der Käse. Ein russischer Regierungsvertreter habe daher unlängst die Klöster des Landes dazu aufgerufen, mehr Käse zu produzieren, erzählt Tabakh. Viele russische Klöster haben ihre eigene Landwirtschaft und verfügen über große Anbauflächen. In Moskau gibt es inzwischen immer mehr Läden, die Naturprodukte aus klösterlicher Produktion anbieten, vor allem Käse.
Beim Internationalen Wirtschaftsforum in St. Petersburg vergangene Woche kündigte Russlands Vizeregierungschef Arkadi Dworkowitsch an, den russischen Agrarsektor ausbauen zu wollen. "Wenn dieses Embargo endet, wird Russland nicht nur ein Imperium sein, das Öl und Gas verkauft, sondern auch ein mächtiger Agrarproduzent."
In 10 Jahren
Der Landwirtschaftsminister relativierte allerdings, dass es wohl noch fünf bis zehn Jahre dauern werde, bis sich Russland selbst mit Agrarprodukten versorgen könne. Vor allem bei Fleisch, Milch und Milchprodukten ist der flächenmäßig größte Staat der Welt auf Importe angewiesen. Vor den Wirtschaftssanktionen lieferte die EU landwirtschaftliche Produkte im Wert von rund 12 Milliarden Euro nach Russland, immerhin zehn Prozent der Gesamt-Ausfuhren.
Die EU-Sanktionen hätten sich auf die russische Wirtschaft geringer ausgewirkt als erwartet, meint Tabakh. Die schwere Wirtschaftskrise sei hauptsächlich dem niedrigen Ölpreis und schwachem Rubel-Kurs geschuldet. Derzeit gebe es eine "gewisse Bodenbildung". RusRating rechnet ab 2016 wieder mit einer leichten Erholung der russischen Wirtschaft, sieht aber auch Risiken durch den nach wie vor ungelösten Ukraine-Konflikt. Vor allem der Bankensektor stehe vor großen Problemen. Auch bei den Ausgaben für die Fußball-WM 2018 wird gespart. Die Regierung kürzte den Finanzrahmen um rund eine halbe Milliarde auf 10,4 Milliarden Euro.
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