Rudolf Kemler: Ein Mann mit Ablaufdatum

ÖIAG-Vorstand Rudolf Kemler ist der Job um drei Schuhnummern zu groß
OMV-Desaster beschleunigt Abgang von ÖIAG-Chef Rudolf Kemler – freiwilliger Rücktritt?

Schon bei der Bestellung im Herbst 2012 gab es Ärger. Michael Spindelegger, Finanzminister und ÖVP-Chef, wollte den steirischen Ex-VP-Landesrat und Unternehmer Herbert Paierl als neuen Chef an die Spitze der ÖIAG hieven. Spindelegger scheiterte auch damit. Der Aufsichtsrat der Staatsholding zeigte ihm ungerührt die kalte Schulter. Man arbeite nicht auf politischen Zuruf, richtete ihm der Autozuliefer-Industrielle Peter Mitterbauer, Präsident des Aufsichtsrates, aus.

Mitterbauer hatte mit Rudolf Kemler seinen eigenen Kandidaten. Der IT-Manager der zweiten Ebene wurde von der Industriellenvereinigung unter Präsident Georg Kapsch angeschoben. Paierl wurde geschickt ausgebremst. Er hatte noch gar nicht präsentiert, als der Schwarzenbergplatz hinterrücks bereits eine angebliche (nie stattgefundene) Kandidaten-Reihung des Headhunters Zehnder lancierte. Mit Kemler an der Spitze, versteht sich.

Rudolf Kemler: Ein Mann mit Ablaufdatum
Der neue Aufsichtsratschef der Staatsholding ÖIAG, Siegfried Wolf. Wien 26.06.2014.
Nur Siegfried Wolf, einer der einflussreichsten Manager Europas und in einer Spitzenposition im 200.000 Mitarbeiter großen Imperium des russischen OligarchenOleg Deripaska, votierte bis zuletzt für Paierl. Doch Wolf war damals im ÖIAG-Aufsichtsrat nur Vize-Chef, erst seit Juli ist er der Einser.

Zur Klarstellung: Der Finanzminister ist der Eigentümervertreter der ÖIAG, die sich zu hundert Prozent im Besitz der Republik Österreich befindet. Die ÖIAG hält die Anteile des Staates (31,5 Prozent) an der OMV, dem größten Unternehmens Österreichs. Sowie die Beteiligungen an Telekom Austria und Post. Schwer vorstellbar, dass Mitterbauer und Co. in ihren eigenen Unternehmen zuschauen würden, wie der Aufsichtsrat gegen ihren Willen einen Vorstand bestellt.

Kemler ist ein grundanständiger Manager, doch der neue Job war ihm von Beginn an um drei Schuhnummern zu groß. Plötzlich dirigierte der vormalige Österreich-Filialleiter von HP die Aufsichtsräte von Großunternehmen. Der ÖIAG-Chef ist automatisch Aufsichtsratsvorsitzender in den Beteiligungen der Staatsholding.

Das Desaster bei der OMV kostet nicht nur Konzernchef Gerhard Roiss und Gas-Vorstand Hans-Peter Floren vorzeitig ihre Jobs, sondern reißt auch Kemler mit. Der Aufsichtsrat der ÖIAG wird am kommenden Donnerstag über das Schicksal von Kemler entscheiden. Der KURIER berichtete bereits vor einigen Wochen als erstes Medium, dass Kemler voraussichtlich nur noch bis Spätherbst 2015 im Amt bleiben wird. Diese Entscheidung ist jetzt fix, sonst würde sich Kemlers Vertrag bis 2017 verlängern.

Rudolf Kemler: Ein Mann mit Ablaufdatum
Austrian Finance Minister Hans Joerg Schelling attends an extraordinary session of the Parliament, on unemployment, in Vienna September 23, 2014. REUTERS/Leonhard Foeger (AUSTRIA - Tags: POLITICS)
Der unglücklich agierende ÖIAG-Chef sitzt zwischen allen Sesseln. Erstens ist FinanzministerHans Jörg Schellingstinksauer. Er kündigte an, sich mit dem ÖIAG-Aufsichtsrat über Kemler unterhalten zu wollen. Die Regierung will die ÖIAG reformieren und spätestens im ersten Quartal 2015 wieder selbst über den Aufsichtsrat entscheiden. Es wäre ein unglaublicher Affront, wenn der jetzige Aufsichtsrat Kemler noch verlängern würde. Zweitens soll auch Siegfried Wolf nicht zufrieden mit der Performance seines Vorstandes sein.

Angesichts dieser Aussichten ist es gut möglich, meinen Insider, dass Kemler zu Wochenbeginn von sich aus seinen Rücktritt anbietet und damit einer schmachvollen Demontage zuvor kommt. Man würde ihn dann ersuchen, noch ein Jahr auszuharren. Denn in der jetzigen Situation findet sich mit Garantie kein fähiger Manager für den mit rund 500.000 Euro dotierten Schleuder-Job.

Der vorzeitige Abgang von Roiss und Floren wird die OMV bis zu zehn Millionen Euro kosten. Stellt sich die große Frage, warum der Aufsichtsrat Roiss noch im Vorjahr bis 2017 verlängerte. Schon damals wollte die IPIC, der Staatsfonds von Abu Dhabi, der seinen 24,9-prozentigen Anteil mit der ÖIAG syndiziert hat, Roiss nur noch um ein Jahr verlängern. Die Abu Dhabis sind schon länger unzufrieden mit den Ergebnissen und der Kursentwicklung des heimischen Öl- und Gaskonzerns. Sie werfen dem Management zu teure Akquisitionen, hohe Risiken und Strategiefehler vor. Ausgerechnet in dieser heiklen Situation entbrannte auch noch ein heftiger Streit zwischen Roiss und Floren. Der Börsekurs rasselte weiter hinunter. Heute ist die OMV nur noch rund 8 Milliarden Euro wert.

Insider vermuten allerdings, dass die Gründe für den Unmut der Aktionäre vom Golf tiefer liegen könnten. Der persönlich schwierige Roiss war als Vorstand sehr eigenständig. Sollten etwa die Bohrungen am Schwarzen Meer erfolgreich sein, würde sich der derzeit niedrige Wert der OMV schlagartig erhöhen. "Die Araber denken 20 Schachzüge voraus, die ÖIAG nur zwei", mutmaßt ein Eigentümervertreter. Bei einem schwachen OMV-Chef könnten die Abu Dhabis ihre Interessen leichter durchsetzen.

Der Headhunter Korn Ferry sucht jetzt einen Nachfolger für das OMV-Urgestein Roiss. Das Magazin Format handelt wieder den SPÖ-nahen ÖBB-Boss Christian Kern als Nachfolger. Dieses Gerücht kursierte erstmals im heurigen Frühjahr bei der Vertragsverlängerung von Kern. Man müsse den Bahn-Boss vorzeitig verlängern, hieß es, damit er nicht zur mindestens doppelt so hoch zahlenden OMV abspringe.

Die nur 17 Mitarbeiter große ÖIAG hat übrigens schon länger kein Glück mit ihren Vorständen. Kemlers Vorgänger Markus Beyrer wechselte als Generalsekretär der Industriellenvereinigung direkt vom Schwarzenbergplatz zur ÖIAG. Nach nicht einmal eineinhalb Jahren flüchtete er nach Brüssel. Peter Michaelis hielt sich immerhin zehn Jahre an der Spitze der Staatsholding. Er saß alle politischen Attacken aus und überlebte selbst den Niedergang der AUA. Sogar dass er eine Zeit lang seine Socken auf ÖIAG-Kosten waschen ließ, tat seiner Karriere keinen Abbruch.

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