Rot-Weiß-Rot im Silicon Valley

Rot-Weiß-Rot im Silicon Valley
Österreichische Hightech-Start-ups auf mehrmonatiger Erkundungstour in Kalifornien.

Wenn du es dort schaffst, dann schaffst du es überall“, zitiert Marcel Wassink das berühmte Lied von Frank SinatraNew York, New York“. Damit meint Wassink aber nicht den Big Apple, sondern das IT-Mekka Silicon Valley an der Westküste im US-Staat Kalifornien.

Drei Monate war Wassink in diesem Herbst dort, in der kleinen Stadt Redwood City, um nach neuen Chancen für „Superevent“, seiner mobilen App für Konferenzen, zu suchen. Wassink, gebürtiger Holländer, hat seinen Firmensitz in Wien. Er kam mit Hilfe der österreichischen Handelsvertretung in Los Angeles nach Kalifornien. „Go Silicon Valley“, das Programm des Wirtschaftsministeriums und der Wirtschaftskammer Österreich (WKO), schickt jedes Jahr ausgewählte heimische Start-ups hierher.

Apple, Google locken

„Es ist für Firmen aus Österreich extrem schwierig bis unmöglich, sich bei Hightech-Firmen mit klingendem Namen wie Apple, Google oder Facebook sowie bei Venture-Capital-Firmen im Silicon Valley Gehör zu verschaffen“, erklärt Anton Emsenhuber von der WKO dem KURIER. „Aus dieser Frustration heraus und im Wissen, dass es im Silicon Valley Plattformen gibt, die beim Vernetzen helfen“, entstand das Konzept. Seit 2010 haben 61 österreichische Unternehmen das Programm „Go Silicon Valley“ absolviert.

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Silke Telsnig
Als eines der ersten kam „Stratodesk“ im Jahr 2011 zum „Plug & Play Tech Center“. Mittlerweile hat die Firma eine eigene erfolgreiche Niederlassung im Silicon Valley. „Wir sind hier an viele vertriebliche Chancen gekommen, an die wir von Österreich aus wahrscheinlich nicht gekommen wären,“ sagt Silke Telsnig von der Firma Stratodesk zum KURIER. Das von ihrer Firma entwickelte Betriebssystem ermöglicht es, einfach auf virtuelle Desktops sowie Cloud-Umgebungen zuzugreifen. Da die Technologiepartner vor Ort sind, konnte man das Produkt technisch stark weiterentwickeln.

Erkundungstour

2006 startete „Plug & Play“ in der Ortschaft Sunnyvale mitten im Silicon Valley als Bürovermietungsgeschäft, zu dem man nach und nach Leistungen wie Rechtsberatung für Firmen und einen eigenen Investitionsfonds für Start-ups hinzunahm. „Wir wollen Investoren und Start-ups unter eine Decke bringen“, erklärt Geschäftsentwicklungsleiter Fernando Gouveia. Auf einer Wand hängen Bilder mit international wichtigen Venture Capitalists, mit denen auch „Plug & Play“ Geschäfte macht. Etwa 300 Start-ups aus 25 Ländern, 180 Investoren und führende Universitäten habe man im eigenen Netzwerk.

Während Gouveia spricht, zieht eine Gruppe von 40 chinesischen Investoren vorbei. In der Lobby hat sich ein Dutzend französischer Unternehmer versammelt, auch auf Erkundungstour. Später kommen Hochschüler aus Singapur dazu.

Kundenkontakt

Am Eingang zu seinem Cubicle im zweiten Stock hat Markus Meixner die österreichische Fahne an die Außenwand gehängt. Seit September ist er in Silicon Valley, aber nicht auf Investorensuche. Seine Firma telecommunication software hat er vor 15 Jahren gegründet. Mittlerweile zählt sie die Schweizer Bundesbahn, den ORF, das Bundesheer oder die UNO zu ihren Kunden. Meixner will hier den US-Markt erschließen. Das gehe nur, wenn man vor Ort sei und persönlich mit den Kunden spreche.

Markus Linder stimmt dem zu. Er ist auch auf Kunden-Eroberungstour in den USA. Seine Firma Smart Infosystems bietet Online-Kundenberatung für Einzelhändler. Wenn man sich etwa eine Matratze online kaufen will, erstellt Linder einen passenden Fragebogen, der dem Käufer erlaubt, im Internet das richtige Produkt zu finden. Das soll die klassische persönliche Verkäufer-Beratung im Laden ersetzen. „Nur ungefähr drei Prozent der Menschen kaufen online, weil eben dort die Beratung fehlt“, erklärt Linder.

Rot-Weiß-Rot im Silicon Valley
Heimische Start-ups erhalten auch heuer wieder die Möglichkeit für einen dreimonatigen Aufenthalt im Silicon Valley
Bei „Plug & Play“ hat er die Möglichkeit, sein Produkt großen nordamerikanischen Kaufhäusern wie Target, Wal-Mart und der Supermarktkette Safeway zu präsentieren, zu denen er allein sonst schwer einen Zugang finden würde.

„Es ist wichtig, sich persönlich den lokalen Markt vor Ort anzuschauen“, sagt Rainer Edler von der Ari Griffner Patentholding, die eine Software für den Hausbau entwickelt hat. Edler kam nach Silicon Valley, um sich den amerikanischen Hausbau anzusehen, und fand viele Unterschiede zu Österreich. „Hier entstehen wegen der Bauweise hauptsächlich große Bauprojekte von etwa 50 gleichen Häusern auf einmal“, sagt er. Ohne „Plug & Play“ hätte er doppelt so lange gebraucht, um das zu entdecken.

Campus-Atmosphäre

Ein Stück weiter im Silicon Valley liegt ein anderer Business Accelerator – „nestGSV“. Hier wird, neben Firmenberatung und Investitionen, Wert aufs Ambiente zum Nachdenken gelegt. Die Innenräume sehen aus wie eine Mischung aus offenem Uni-Lernraum und Kinderspielplatz, komplett mit einer Rutsche vom zweiten Stockwerk herunter.

Von außen erinnert das Gebäude an einen Uni-Campus. Kein Zufall: „Silicon Valley ist kein urbanes Zentrum, es waren hier früher Obstgärten – eine sehr rustikale Umgebung, die gut zum Nachdenken ist“, sagt Kayvan Baroumand, Gründer und Geschäftsführer von „nestGSV“. Bevor er wichtige Entscheidungen getroffen habe, sei der legendäre Apple-Gründer Steve Jobs immer Spazieren gegangen.

Facebook und Google haben ihre Firmenzentralen auch bewusst als Uni-Campus angelegt, damit ihre Mitarbeiter unter freiem Himmel kreative Ideen entwickeln können.

Das mache tatsächlich etwas aus, meint Stefan Strohmer, der bei „nestGSV“ mit seiner Anwendung „Questful“ (für direkte Kommunikation auf Konferenzen) angedockt hat. „Das Essen ist schlecht, aber das Wetter schön, das Meer ist nah, und die Geschäftskontakte sind gut“, fasst er zusammen. 2014 plant er, eine Niederlassung in den USA zu gründen.

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