Die App gibt es seit 2013, so richtig losging es nach dem Corona-Lockdown im Frühjahr. Vor allem Millennials haben in den USA die Börse entdeckt. Wallstreet-Händler Peter Tuchman, der aufgrund seines wilden Looks auch Einstein der Wallstreet genannt wird, hat das kritisch beobachtet: „Robinhood was the name of the game. Als die Casinos zu waren und es keine Sportwetten gab, hatten die Leute irgendwann genug vom Nintendo spielen.“ Und da sei die App gerade recht gekommen. Robinhood war der erste große Onlinebroker, der Hürden abgeschafft hat, weil er keine Gebühren verlangt. Seit Jahresbeginn sind drei Millionen Nutzer dazu gekommen, mittlerweile sind es 13 Millionen.
Die Begeisterung ist nachvollziehbar. Der KURIER-Test zeigt: Die Anmeldung ist super einfach, die Seite übersichtlich. Bunte Bildchen schmücken einzelne Kategorien. Die Liste der „Topmover“ zeigt mit einer Rakete illustriert die Aktien mit den größten Kursbewegungen. Einzelne Branchen wie Pharma oder Cannabis sind mit flotten Sprüchen versehen wie „good chemistry“ oder „get in the weeds“. Alles wirkt wenig riskant, einfach und unkompliziert. Surreal.
„Cartoons vereinfachen, aber es gibt auch eine Schattenseite,“ sagt Comicexperte Jeff Rovin. „Jüngere Menschen sind gewöhnt, in Emojis zu kommunizieren. Die Illustrationen suggerieren Spaß und dass es um Spielgeld geht. „Comichefte sollten junge Leute früher zum Lesen begeistern. Ich frage mich, ob hier das Gleiche unter dem Vorwand der Vereinfachung passiert.“
Geldanlegen als virtuelle Erlebniswelt: Wer mit der Computermaus über die Grafiken fährt, fühlt sich an einarmige Banditen erinnert. Nur, dass es keine Kleeblätter sind, die auf Knopfdruck stoppen, sondern Aktienkurse. Wer sich etwa am Unternehmen des Großinvestors Warren Buffets beteiligen möchte, sieht: Wer Berkshire Hathaway gekauft hat, besitzt auch Disney oder Microsoft. Die Versuchung ist groß, gleich weiter „einzukaufen“. Geht ja kinderleicht, per Knopfdruck. Nach dem Motto: Wer diesen Pullover kauft, nimmt auch den Schal…
2020 brachte aber auch Schattenseiten: Robinhood musste sich den Vorwurf gefallen lassen, unzureichend über Risiken zu informieren. Und schnelles Geld mit riskanten Optionen zu einfach zu machen, also Wetten auf künftige Kurse…
Besonders tragisch war der Selbstmord eines 20-Jährigen, der fälschlicherweise angenommen hatte, auf Robinhood über 700.000 Dollar in einem Wertpapier-Geschäft verloren zu haben. Die Gründer versprachen daraufhin Änderungen am Design des Portals vorzunehmen sowie für mehr Aufklärung zu sorgen.
Aber auch technische Probleme brachten heuer massive Kritik. Während die kleinen Anleger ihr Glück in der großen Börsenwelt suchen, sind die Erfinder längst Millionäre, ihre Plattform steht angeblich kurz vor dem Börsengang. Denn das Rekordwachstum macht Robinhood zum Darling der Unternehmens-Investoren. Zuletzt wurde das Fintech-Unternehmen mit mehr als 11 Milliarden Dollar bewertet.
Das passt nicht ganz in die sozial-gerechte Robinhood-Räuberstory. „Wenn du genug neue Kleinanleger auf deiner Plattform hast, wirst du selbst ein wichtiger Spieler am Markt. Sie verkaufen ihre Handelsaufträge weiter. Und das ist ein bisschen so, als ob man durch ein Schlüsselloch schaut, sieht, welche Aufträge in den Markt kommen und schon vorher handeln kann“, so Tuchman. Das könnten sehr wertvolle Informationen sein. Robinhood verdient zudem mit Abos für umfassendere Aktien-Research und bei Aktienkauf auf Kredit.
Die geplante Expansion von Robinhood in Großbritannien und Deutschland hat bisher nicht stattgefunden. Sollte sie kommen, wartet bereits eine ernst zu nehmende Konkurrenz junger Online-Broker: Trade Republic, Smart Broker und Justtrade.
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