Ritter-Sport-Inhaber: "Lebensmittel werden knapp"

Vielschichtig: Alfred Ritter war Psychologe, bevor er die Schokofabrik seiner Eltern übernommen hat. Der Atomkraftgegner baut zudem Solarpanels.
2,5 Millionen Tafeln Schokolade pro Tag sind Ritter nicht genug. Der Atomkraftgegner baut auch Solarpanels.

Weil nach der Atomkatastrophe in Tschernobyl die Haselnüsse in wichtigen Anbaugebieten in der Türkei verstrahlt waren, wurde Alfred T. Ritter zum Atomkraftgegner und startete mit der Produktion von Solaranlagen. Von Biosprit hält er wenig.

KURIER: Täglich verlassen 2,5 Millionen Tafeln Schokolade Ihr Werk in Waldebuch. Wie viel davon geht nach Österreich?

Alfred T. Ritter: Zwei Drittel bleiben in Deutschland. Nach Österreich geht leider nicht so viel. Unser größter Auslandsmarkt ist Russland.

Neben Ritter Sport haben Sie auch eine Firma, die Sonnenkollektoren produziert. Wie kam es dazu?

Ursprünglich haben mich diese Themen ja gar nicht interessiert. Aber dann passierte die Atomkatastrophe in Tschernobyl. Und weil eine große radioaktive Wolke von Tschernobyl über die Türkei gezogen ist, waren die ganzen Haselnüsse in einem der weltweit größten Anbaugebiete verstrahlt. Eine mittlere Katastrophe für uns als Schokoladeproduzent. Da hab’ ich realisiert, wie schnell einem Dinge entgleiten können. Und dass Tschernobyl kein rein russisches Problem ist. So kam ich zu dem Thema und hab’ die Firma Paradigma Energie- und Umwelttechnik (Anm: Solaranlagen, Pellets- und Gasheizungen) gegründet.

In Deutschland hat die Solarbranche aber schon bessere Zeiten gesehen. Sind Sie froh, dass Sie auch die Schokoladenseite haben?

Wir produzieren zwar in Deutschland Kollektoren für den europäischen Markt, aber der Großteil wird in China für Asien und Australien hergestellt. Das Europageschäft macht etwa 80 Millionen Umsatz, in China sind es 150 Millionen Euro. Und ja, derzeit verdienen wir im Schokoladengeschäft wieder mehr als mit den Kollektoren.

Sie wollen ja den Export forcieren. Soll es Ritter Sport auch einmal in China geben?

Niemand exportiert so viele Tafeln Schokolade wie wir nach China. Aber das bedeutet noch nicht viel, weil China kein traditioneller Schokolademarkt ist. In den Städten kommen jetzt die Ersten auf den Geschmack, am Land ist Schokolade noch gar kein Thema. Die Chinesen essen durchschnittlich nur 100 Gramm Schokolade im Jahr pro Person. Zum Vergleich: In Österreich sind es neun Kilo.

Also ein großer, aber kein leichter Markt ...

Wer in China Geschäfte macht, muss erst einmal die Leute verstehen. Am Anfang denkt man, alles ist super, weil der Geschäftspartner gleich alle Verträge unterschreibt. Dann merkt man irgendwann, dass er nie daran gedacht hat, diese auch exakt einzuhalten. Und Chinesen sagen ja nie Nein. Wenn Sie einen Chinesen fragen, ob er Fisch oder Fleisch will, stellen Sie ihn vor eine unmögliche Aufgabe, weil er zu keinem Nein sagen kann ...

War für Sie immer klar, dass Sie die Schokoladefirma in dritter Generation führen werden?

Mein Vater ist gestorben, als ich 20 war. Das war eine mittelgroße Katastrophe. Zur Führung der Firma war ich zu jung, also dachte ich zunächst, ich geh’ meinen eigenen Weg.

Und zwar?

Zuerst habe ich Volkswirtschaft studiert. Aber den Unsinn, den man da auf der Uni erzählt bekommt – zum Beispiel die dritte Ableitung einer Zahlenreihe – hält ja kein Mensch aus. Ich hab’ dann noch Psychologie studiert. Vielleicht, um rauszufinden, warum die Leute so viel Blödsinn reden (lacht) . Ich hab’ dann auch ein paar Jahre als Psychologe gearbeitet, bin dann aber doch in das Familienunternehmen eingestiegen.

Nutzt Ihnen das Wissen des Psychologen als Unternehmer?

Auf jeden Fall. Menschen sind ja integrale Wesen. Wenn Sie gern zur Arbeit gehen, sind auch die Leistungen gut. Ich versuche, Bedingungen zu schaffen, unter denen die Mitarbeiter gern zur Arbeit kommen, dann sind sie motiviert. Dass man als Chef viel bewirken kann, ist ja eigentlich Unsinn. Viel bewirken können meine 900 Mitarbeiter. Als Chef kann man sie auch nicht motivieren, sondern höchstens dafür sorgen, dass die Motivation nicht verloren geht.

Und wie?

Wir bieten unter anderem viele Weiterbildungsmöglichkeiten an. Total beliebt sind unsere 30 Betriebssportgruppen – von Mountainbike über Rennrad bis Volleyball.

Wie schätzen Sie die Rohstoffpreissituation ein?

Der Markt hat sich verändert und wird immer volatiler. Nicht nur wegen der Spekulationen, jüngst auch wegen der EU-Zuckermarktordnung. Die Biosprit-Entwicklung halte ich für völlig falsch, so lange Menschen auf dieser Welt hungern. Und ich glaube, dass Lebensmittel in den nächsten fünf bis sieben Jahren knapp werden. Wegen der Klimaveränderung und weil ich glaube, dass der industrialisierte Anbau und die genmanipulierten Pflanzen auf Dauer für die Böden unverträglich sind.

Wird Ritter Sport ein Familienbetrieb bleiben?

Wir sind mit der Schokoladenfabrik aufgewachsen, sie ist wie ein Familienmitglied und stand nie zur Diskussion. Die Kinder von mir und meiner Schwester sind bereits am Unternehmen beteiligt, die fünfte Generation bereits auf der Welt. Aber ich sag’ immer: Bloß nichts planen, es kommt eh anders.

Oma entwarf die quadratische Tafel für Fußballfans

Die Idealmaße von Alfred T. Ritter sind elf bis 13 Millimeter – zumindest, was die Haselnüsse für seine quadratische Ritter Sport Schokolade betrifft. Die Idee für die quadratischen Tafeln kam bereits von Alfred T. Ritters Großmutter Clara. Sie hat beobachtet, dass die Leute am Weg zum Fußballplatz Schokoladetafeln in der Jackentasche trugen, die aber meist zerbrachen. Ritter: "Meine Großmutter wollte deshalb eine Tafel machen, die ins Sportjackett passt." 1932 brachte sie die quadratische Ritter Sport Schokolade auf den Markt. Der Grundstein für das Unternehmen wurde aber schon 1912 gelegt: Mit der Hochzeit von Konditor Alfred Eugen Ritter und seiner Clara, der ein Süßwarenladen gehörte. Gemeinsam haben sie Ritter Sport aufgebaut.

Heute verlassen 2,5 Millionen Tafeln täglich das Werk im schwäbischen Waldebuch. Zwei Drittel davon werden in Deutschland verkauft, Wachstumschancen sieht Ritter im Ausland.

Ritter ist vor allem auch Atomkraftgegner. Nach dem Super-GAU von Tschernobyl gründete er sein Unternehmen Paradigma, das ökologische Heizsysteme herstellt. 1997 wurde er als Ökomanager des Jahres ausgezeichnet, weitere Umweltauszeichnungen folgten. Derzeit kümmert er sich wieder mehr um das Schoko- als das Solargeschäft. Denn als ihm 2005 die Ritter-Sport-Ergebnisse nicht mehr geschmeckt haben, übernahm er wieder das Ruder im Betrieb.

2011 hat Ritter Sport mit 900 Mitarbeitern 330 Millionen Euro umgesetzt.

Ritter: Alfred und die Schokoladefabrik

Österreich-Liebhaber Alfred Theodor Ritter, geboren 1953 in Stuttgart, führt in dritter Generation die Schokoladefabrik im schwäbischen Waldenbuch. Der Familienbetrieb mit im Vorjahr 330 Millionen Euro Umsatz feiert heuer sein 100-jähriges Bestehen. 1988 hat Ritter – der Volkswirtschaft und Psychologie studiert hat – zudem die Paradigma Energie- und Umwelttechnik gegründet, die ökologische Heizsysteme herstellt. Ritter ist Zigarrenraucher und trägt gerne runde Brillen und ungern Krawatten. Der Atomkraftgegner ist Vater von drei Kindern und verbringt seinen Skiurlaub am liebsten in Österreich.

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