Vor allem in der Corona-Krise spielen Zocker im Netz. Dabei gibt es eigentlich nur einen legalen Anbieter in Österreich. Die Steuereinnahmen sprudeln, Schadenersatz-Klagen haben hohe Gewinn-Chancen.
Geld weg, Job weg, mit dem Nerven am Ende. Gerlinde K. (Name abgeändert), einst gut verdienende Karrierefrau im mittleren Management, lebt heute von der Notstandshilfe. Die Anfangsfünfzigerin hat im Web 130.000 Euro verloren. Bei einem illegalen Online-Casino.
Internet-Gaming verdrängt das klassische Glücksspiel immer mehr. Weltweit wird der Markt auf Zig-Milliarden Euro geschätzt. Seit Ausbruch der Corona-Pandemie boomt das Zocken im Netz überhaupt.
Nicht nur win2day spielte 2020 ein Rekordergebnis ein. Die gemeinsame Tochter der teilstaatlichen Casinos und der Lotterien ist das einzige Unternehmen mit einer österreichischen Lizenz und der einzige legale Anbieter am heimischen Markt.
Die internationalen Online-Konkurrenten spielen illegal nach Österreich herein. Egal, ob Mr. Green, bwin, Partypoker, William Hill, um einige der bekanntesten zu nennen. Oder BetVictor, dessen Chairman Luke Alvarez kürzlich nach einem KURIER-Bericht über eine grobe Unvereinbarkeit als frischgebackener Aufsichtratsvorsitzender der Lotterien gleich wieder zurücktreten musste.
Die Konsumenten lassen sich auf ein gefährliches Spiel ein. Während die Einsätze bei win2day limitiert sind, kann auf den ausländischen Websites grenzenlos gezockt werden. „Einer meiner Mandanten hat an einem Halbtag mehr als 10.000 Euro verspielt. Auch Jugendliche können spielen, es gibt kaum Eintrittsbarrieren und meist keine Begrenzung der Einsätze“, berichtet die auf Glücksspiel spezialisierte Wiener Anwältin Melany Buchberger-Golabi (Rautner Rechtsanwälte).
Psychofalle
Die Spiele seien psychologisch derart geschickt aufgesetzt, „dass die Leute richtig hineingezogen werden und die ganze Zeit spielen wollen“. Wer mit kleinen Einsätzen beginnt, wird bald auf teurere Games umgeleitet. Boni und Guthaben als Lockangebote, Gerlinde K. bekam sogar Blumensträuße.
Die Anbieter werben mit Internet-Wetten, auch im TV. Einmal auf der Homepage, findet man sehr schnell die Buttons für Glücksspiele. Angeboten wird alles, von virtuellen Slotmaschinen über Roulette und Blackjack bis zu Poker. Der zusammengebrochene Wirecard-Konzern war ein beliebter Zahlungsdienstleister in dieser Branche.
Irgendwie absurd – obwohl das Business illegal ist, kassiert der österreichische Fiskus Steuern. Begründet wird dies damit, dass man doch nicht illegale Anbieter auch noch belohnen könne, indem sie durch die Maschen der Finanz schlüpfen könnten. 37 nicht konzessionierten Anbietern schrieb die Finanz 2020 rund 50 Millionen Euro an Glücksspielabgabe vor. 27 überwiesen 45 Millionen, zehn Verfahren laufen noch. Diese Firmen behaupten, sie seien nicht steuerpflichtig, was die Finanz ganz anders sieht.
Steuerpflichtig
Grundsätzlich berechnen die Unternehmen ihre Steuer selbst, melden diese und die Finanz startet das Verfahren. Die 45 Millionen sind nur eine Zwischensumme, da geht noch wesentlich mehr.
Der österreichische Markt scheint recht lukrativ zu sein. 2011 registrierte die Finanzverwaltung erst 6 „Steuersubjekte“ mit Sitz in Malta und Gibraltar, die in Summe 8,48 Millionen Glücksspielabgabe ablieferten. 2016 wurden bereits 24 Unternehmen gelistet, deren Steuerleistung lag schon bei 71 Millionen.
2019 legten 30 Online-Firmen 123,36 Millionen Steuern ab, Anbieter aus Großbritannien und Irland waren dazu gekommen. Die Steuer-Bilanz fettete ein großes Unternehmen auf, das 77 Millionen nachzahlte.
Wohlgemerkt, das sind nur die Abgaben jener Gaming-Portale, die von der Finanz gescreent werden und in Europa sitzen. Gegen Player in Asien, wo die ganz Großen der Branche residieren, ist der österreichische Fiskus machtlos.
Im Finanzministerium schätzt man, dass die Glücksspielabgaben 2019 auf 2020 um rund 30 Prozent gestiegen sind. Buchberger-Golabi rechnet für die Dauer der Corona- Krise mit einem Online-Wachstum von bis zu 40 Prozent. Wer im Homeoffice sitzt, in Kurzarbeit ist oder schon seinen Job verloren hat, kippe leichter hinein. „Die Leute hoffen auf einen kleinen Zugewinn“, schildert die Expertin und forder: „Höchste Zeit, illegale Anbieter in die Pflicht zu nehmen“.
Bettina Glatz-Kremsner, Chefin des Casinos-Konzerns, lobbyiert seit Jahren für ein Online-Gesetz, vergebens. „IP-Blocking ist die wichtigste und wirkungsvollste Maßnahmen, um illegales Online-Gaming einzudämmen und bestmöglichen Spielerschutz gewährleisten“. Das würden Erfahrungswerte aus 18 Ländern in Europa beweisen.
Eine fertige Novelle scheiterte unter der türkis-blauen Regierung am Widerstand der FPÖ, seit damals liegt der Entwurf in den Schubladen des Finanzministeriums. Für Glatz-Kremsner „völlig unverständlich, warum der Gesetzgeber diesen wichtigen Schritt bisher noch nicht gesetzt hat, obwohl man sich im Regierungsprogramm zur Eindämmung des illegalen Glücksspiels und den Ausbau des Spielerschutzes bekannt hat“. Die Politik sei „dringend gefordert“.
Die Glücksspiel-Managerin wird noch länger warten müssen. Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) verweist gegenüber dem KURIER auf das Regierungsprogramm sowie die „permanenten und erfolgreichen Kontrollen der Finanzpolizei“. Österreich interveniere regelmäßig bei den zuständigen Behörden in den entsprechenden Ländern, „um sie auf das Fehlverhalten dort ansässiger Anbieter hinzuweisen“. Derzeit prüfe man eine weitere Optimierung der Aufsicht und analysiere Best-Practice-Beispiele aus anderen Ländern.
Eine gesetzliche Regelung ist offenbar kein Thema.
Schadenersatz
Die Online-Gesellschaften berufen sich darauf, dass ihre Konzessionen in Gibraltar, Malta etc. EU-weit gültig seien. „Stimmt nicht. Die Judikatur sagt ganz klar, dass das österreichische Online-Monopol nicht EU-widrig ist“, betont Buchberger-Golabi. Daher seien die Chancen, die Verluste vor Gericht zurück zu erstreiten, „sehr hoch“. Sie habe alle Verfahren gewonnen, Verfahrenshilfe sei möglich.
Der Prozessfinanzierer Advofin, der im Erfolgsfall 37 Prozent erhält, fordert in einer Sammelklage für 1600 geschädigte Spieler 30 Millionen zurück. 34 Fälle wurden schon vor Gericht verhandelt, 1,5 Millionen retourniert. „Wir haben jedes dieser Verfahren gewonnen und die Spieler haben einen Großteil wieder zurückbekommen“, sagt Vorstand Gerhard Wüest.
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