Riess: "Bauen ist nur die halbe Lösung"

Interview mit Susanne Riess, Generaldirektorin der österreichischen Wüstenrot- Gruppe
Wüstenrot-Chefin Susanne Riess über die Wohnbauoffensive und der Beitrag des Bausparens.

Die stark steigenden Mieten in den Städten sind zum Polit-Thema geworden. Die Regierung hat – zumindest vor dem großen Hochwasser noch – eine Wohnbauoffensive angekündigt. Der KURIER sprach mit der Generaldirektorin der Bausparkasse Wüstenrot, Susanne Riess, über das Wohnproblem und die Sinnhaftigkeit der Bausparförderung.

KURIER: Frau Dr. Riess. Die Politik hat das Thema Wohnkosten zum Wahlkampfthema erkoren. Ist der Eingriff der Politik in diesen Bereich überhaupt wünschenswert?

Susanne Riess: Ich bin begeistert, dass diesem Thema endlich so viel Bedeutung beigemessen wird. Das ist ein Lebensthema für die Menschen: Wie und wo wohne ich? Wie werde ich im Alter wohnen?Eigentlich ist es erstaunlich, dass die Wohnpolitik in den vergangenen Jahren so eine geringe Rolle gespielt. hat.

Um die Mieten zu senken, denkt die Politik über eine Wohnbauoffensive, also den Bau von leistbaren Wohnungen nach. Ist das eine Lösung?

Wir bauen derzeit zu wenig Wohnungen. Ich bin eine Anhängerin der Zweckbindung der Wohnbauförderung. Beides ist zentral, aber nur die halbe Lösung. Wir müssen uns auch überlegen, wie und wo gebaut werden soll. Vor allem das Wie wird meist vergessen. Denn es muss darum gehen, dass die Menschen möglichst lange in ihren Wohnungen bleiben können – also auch im Alter. Und dafür müssen wir barrierefrei und flexibel bauen. Trennwände sollen leicht verschiebbar sein, Türen breit genug. Oft werden Wohnungen so gebaut, dass man mit einem Rollstuhl gar nicht durch die Türe kommt. Das muss auch im mehrgeschoßigen Wohnbau möglich sein.

Was können die Bausparkassen beitragen, um billigeren Wohnraum zu schaffen?

Die Bausparfinanzierung ist für die Kunden langfristig planbar. Die Kredite haben eine Zinsobergrenze von sechs Prozent. Das mag in der jetzigen Niedrigzinsphase hoch klingen. Aber Finanzierungen gehen über viele Jahre und wir können nicht davon ausgehen, dass die Zinsen immer so tief bleiben.

Derzeit aber sind Bausparfinanzierungen trotz der staatlichen Prämie teurer als Wohnbaukredite von Banken ...

Es gibt derzeit einen wilden Konditionenwettbewerb bei Wohnbaukrediten. Unsere Finanzierungen sind heuer leicht rückläufig aber weiterhin auf hohem Niveau. Kein Vergleich zu den früheren Jahren mit den vermeintlich billigen aber hochriskanten Schweizer Franken-Krediten. Damals wurde Bausparen überhaupt in Frage gestellt. Aber als die Zinsen 2008/’09 in der Krise kurzfristig gestiegen sind, waren alle wieder froh, dass es Bauspardarlehen gibt. Unser System muss man langfristig betrachten

Hat die Bausparförderung nach der Halbierung der staatlichen Prämie im Vorjahr noch einen Sinn?Es wäre ganz falsch die Prämie völlig zu streichen. So viel Wohnbauförderung kann sich der Staat gar nicht leisten, dass man die positiven Wirkungen der Bausparförderung kompensieren könnte.

Eine Reihe von Experten spricht der Bausparförderung allerdings jede Sinnhaftigkeit ab. Der Staat unterstütze damit Sparer, die das Geld dann nicht in Wohnungen steckten ...

Der Sinn der Prämie ist die günstige Wohnraumfinanzierung und nicht die Förderung des Sparens, das darf man nie vergessen. Mit der Prämie wird zudem ein sehr sicheres System gefördert, das langfristig durch alle Krisen kam. Bausparen wird bald 90 Jahre alt, es hat sehr wechselvolle Zeiten überstanden: Zeiten der Deflation, Inflation, des Krieges und des Wiederaufbaus. Das System hat sich langfristig bewährt.

Wie können die Bausparkassen bei den derzeit extrem niedrigen Sparzinsen und der staatliche Mini-Prämie Kunden zum Abschluss von Bausparverträgen motivieren?

Alle Bausparkassen haben heuer einen enormen Zulauf. Dank der staatlichen Prämie sind nämlich die Zinsen fürs Bausparen höher als die Sparzinsen bei den Banken. Ich glaube aber auch, dass das Thema Sicherheit der Veranlagung bei den Kunden eine große Rolle spielt. Früher zählte nur, dass es hohe Renditen gibt, koste es, was es wolle.

Sind die Bausparkassen mit der Hereinnahme von Spareinlagen und der Vergabe von Wohnbaudarlehen für die Zukunft gut aufgestellt oder brauchen sie neue Geschäftsfelder?

Der Wohnbau wird sicher zentral bleiben. Ein wichtiges Zukunftsthema aber ist die Finanzierung der Pflege. Ansparen für die Pflege wird daher ein Thema für uns: Längere Sparverträge mit einer höheren staatlichen Prämie wäre eine sinnvolle Ergänzung der jetzigen sechsjährigen Bausparverträge.

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