Krumme Gurken und unrunde Erdäpfel im Regal

Verbogen und verkauft: Der britische Händler Sainsbury und die Schweizer Coop haben es vorgemacht.
Rewe will jetzt Obst und Gemüse abseits des Idealmaßes verkaufen.

Ein Apfel, der als 1A-Ware im Supermarktregal liegt, hat einen aufwendigen Beauty-Contest hinter sich. Bei der Firma Steirerfrucht, die jährlich 32.000 Äpfel an Handelskonzerne verkauft, wird jeder einzelne Apfel mit Infrarot auf innere Schäden durchleuchtet. „Die Äpfel schwimmen zudem auf Bändern an Kameras vorbei, die jeden einzelnen 60 mal fotografieren“, erklärt Steirerfrucht-Geschäftsführer Johann Scholler. Nur jene mit den idealen Maßen und ohne Schönheitsfehler wie Kratzer oder Punkte, kommen in die Kiste für heimische Supermärkte. Die anderen landen bei osteuropäischen Abnehmern oder kommen in die Saftpresse.

Krumme Gurken und unrunde Erdäpfel im Regal
Rewe
Rewe-Einkaufschef Alfred Probst schätzt, dass jährlich allein bis zu drei Millionen Kilogramm Äpfel in den Export oder die Saftindustrie gehen. Der Konzern startet nun mit dem Verkauf von kosmetisch nicht einwandfreiem Obst und Gemüse. Konkret werden verbogene Karotten, deformierte Kartoffel oder zu kleine Äpfel unter der neuen Eigenmarke „Wunderlinge“ angeboten. Verkauft wird die Ware – die von der Qualität her einwandfrei ist – im billigsten Preissegment. Man wolle im Zuge des Nachhaltigkeitsmanagements „der Lebensmittelverschwendung entgegentreten“, sagt Rewe-Managerin Martina Hörmer. Ob der Kunde das annimmt, bleibt abzuwarten. Die Idee ist jedenfalls nicht neu. In der Schweiz gilt Coop als Vorbild, in Großbritannien hat Sainsbury im Vorjahr mit dem Verkauf von optisch nicht einwandfreier Ware begonnen – aus einer Not heraus: Wegen Wetterkapriolen lag die Ernte ein Viertel unter dem langjährigen Durchschnitt, es gab zu wenig A-Ware.

Verschwendung

In der EU wird bis zur Hälfte des genießbaren Essens weggeworfen, gleichzeitig leben 79 Millionen EU-Bürger an der Armutsgrenze. Die EU ruft 2014 das Jahr gegen die Lebensmittelverschwendung aus und will die weggeworfenen Mengen bis 2025 halbieren.

Laut Global 2000 werden bei Kartoffeln bis zu 30 Prozent der Ernte gar nicht eingefahren, weil die Knollen nicht schön genug für den Handel sind. Leona Bauer, die in Hollabrunn auf 150 Hektar Erdäpfel anbaut und die Ernte von 100 Bauern vermarktet, liefert künftig auch einen Teil der B-Ware als „Wunderlinge“ an Rewe. Heuer sei ein schwieriges Jahr gewesen, auf etwa zehn Prozent der Fläche seien zu kleine Kartoffel gewachsen. Rund ein Fünftel der Ernte wurde aussortiert – wegen Grünverfärbungen, Ernteschäden oder Fraßstellen. Normalerweise landen diese mangelhaften Kartoffeln in einer Biogasanlage.

Der Handelskonzern Rewe (Billa, Merkur, Penny, Bipa und Sutterlüty) hat mit der Mitte September gestarteten Spendenaktion „Aufrunden, bitte“ bisher knapp 35.000 Euro eingenommen. Wer an der Supermarktkassa den Rechnungsbetrag auf den nächsten 10-Cent-Betrag – etwa von 8,34 Euro auf 8,40 Euro – aufrunden lässt, spendet den Betrag 1:1 an Hilfsprojekte der Caritas in Österreich. Billa unterstützt zum Beispiel mit einem eigenen Fonds Familien in Not, die sich an eine der 36 Caritas-Sozialberatungsstellen wenden.

Der gespendete Cent-Betrag wird auch auf der Rechnung ausgewiesen. Für Konsumenten und das Kassenpersonal ist die Spende kein Aufwand. Im Hintergrund liefen allerdings fast eineinhalb Jahre die Vorbereitungen dazu. „Die Aktion ist deshalb extrem aufwendig, weil das Kassensystem umprogrammiert werden musste“, sagt Rewe-Sprecherin Ines Schurin.

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