Rewe-Chef: "Qualität zählt in Europa mehr"
KURIER: Sie haben in einem offenen Brief die Verhandlungen zum US-Freihandelsabkommen kritisiert. Was ist dabei herausgekommen?
Frank Hensel: Wir haben von vielen Abgeordneten aller Parteien positives Feedback erhalten. Im Herbst wird es einen runden Tisch zum Thema geben, zu dem wir neben Politikern auch NGOs und Branchenvertreter einladen. Beim Abkommen rennt im Hintergrund eine riesige Maschinerie. Es sind zahlreiche Experten mit den einzelnen Punkten beschäftigt, aber die Betroffenen und die Abgeordneten bekommen zu wenig Information.
Wie hoch schätzen Sie die Gefahr ein, dass Europa und Österreich mit Chlorhühnern aus den USA überschwemmt werden?
Die Amerikaner produzieren viel billiger als wir. Sie setzen billigere Medikamente ein, die Tiere haben in der Mast viel weniger Platz. Was in den USA zählt, ist ausschließlich die Qualität des fertigen Produktes – deswegen werden die Hühner zum Schluss mit Chlor desinfiziert. Was davor mit den Tieren passiert ist, interessiert niemanden. Im Gegensatz zu Europa, wo der ganze Prozess, inklusive Aufzucht, zum Qualitätsprozess zählt.
(Anm.: Fragen und Antworten zum Thema Chlorhuhn lesen Sie hier)
Das könnte sich aber schnell ändern, oder?
Machen Sie sich im Allgemeinen Sorgen um die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Bauern?
Nicht, solange Konsumenten in Österreich bereit sind, für Qualität mehr zu zahlen. Auch in Osteuropa steigt die Kaufkraft und damit die Bereitschaft, für gute Lebensmittel mehr zu bezahlen, beispielsweise im Bio-Bereich.
Die Weltbevölkerung wächst, die Anbauflächen nicht. Müssen wir uns auf teurere Lebensmittelpreise einstellen?
Da führt kein Weg vorbei. Die Anbauflächen werden aufgrund der klimatischen Verhältnisse ja eher noch weniger. Wir haben in vielen Regionen Wasserknappheit und Verwüstungen. Zudem nimmt die Urbanisierung zu, damit sinkt auch die Zahl der Selbstversorger. Derzeit geben wir 12 bis 15 Prozent des Haushaltseinkommens für Lebensmittel aus, das wird sicher mehr werden. Früher waren es 30, 40 Prozent, aber so viel wird es nicht mehr werden.
Erkennt denn die Politik die Probleme?
Sie sieht die Probleme, denkt aber, dass sie weit weg sind. Ein Irrglaube. Große Unternehmen wie Nestlé haben schon vor Jahrzehnten reagiert und begonnen, sich Anbauflächen zu sichern.
Wer die Welt ernährt, wird die Macht über sie haben, heißt es. Werden die großen Multis damit wirklich immer mächtiger?
Wenn Sie jetzt an Nestlé, Unilever und Co denken, machen Sie die Rechnung ohne Indien und China, wo diese westlichen Konzerne kaum eine Rolle spielen. Aber diese Länder haben die Ressourcenknappheit längst erkannt. Um ihre Bevölkerung auch künftig ernähren zu können, kaufen sie große Flächen, etwa in der Ukraine oder Rumänien auf. Der chinesische Staatsfonds ist derzeit der größte Investor der Welt. Da gibt es einen klaren politischen Auftrag.
Steht für andere Länder dann die Versorgungssicherheit am Spiel?
Ich meine, dass es Aufgabe des Staates ist, einen gewissen Grad an Selbstversorgung zu sichern. Ich halte es für ein politisches Versagen, dass wir heute von Soja-Importen aus Südamerika abhängig sind. Diese Abhängigkeit müssen wir wieder reduzieren. Das Projekt Donau-Soja ist ein Schritt in diese Richtung.
In welchen Bereichen arbeitet Rewe eigentlich schon mit Vertragsbauern zusammen?
Beim thailändischen Lebensmittelkonzern CP Foods sollen Arbeiter Sklaven-ähnlich gehalten werden. Hat Rewe Garnelen bei der Firma gekauft?
Wir beziehen keine Garnelen oder Shrimps von CP Foods, sind also nicht betroffen. Wir nehmen aber diesbezüglich Kontakt zu den Markenherstellern auf. Wir beobachten die Entwicklung genau und werden, wenn alle Fakten auf dem Tisch liegen, gegebenenfalls angemessene Entscheidungen treffen. Menschenrechtsverstöße sind nicht tolerabel.
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