Rewe-Chef: "Krise hätten wir in jeder Währung"

Rewe-Chef: "Krise hätten wir in jeder Währung"
Frank Hensel, Vorstandschef des Handelsriesen Rewe, lehnt die Schilling-Debatte ab und sorgt sich mehr um Rohstoffpreise und Biosprit.

Gleichzeitig erklärt Frank Hensel den Trend zu kleineren Packungen, unabhängig von der Krise, und zeigt sich mit den Öffnungszeiten zufrieden. Das Gespräch fand am Rande des Forums Alpbach statt.

KURIER: Sie haben als Handelskonzern eine Aufklärungsrolle, keine Erziehungsrolle. Ihre eigenen Worte. Soll heißen, Sie bieten die Produkte an, die nachgefragt werden. Wie sieht das in Zukunft aus? Sind wir bald alle auf dem Bio-Trip, Vegetarier oder vor lauter Fett und Zucker kugelrund?
Frank Hensel: Wie Sie sagen: Wir werden den Bedarf und die Nachfrage befriedigen. Gleichzeitig wollen wir weiter Innovationen bringen. Das ist klar, auch das verlangt der Markt. So hat es mit Bio auch angefangen.

Wohin geht also die Reise?
Sehr viele neue Produkte und Variationen kommen im Convenience-Bereich – fast wöchentlich. Hier gibt es sehr kurze Innovationszyklen.

Zusatzfrage: Sind Sie für Belohnungen, wenn jemand gesund lebt? Etwa eine günstigere Krankenversicherung?
Unstrittig ist, dass wir verstärkt auf Prävention setzen müssen, sonst steigen die Gesundheitskosten in Dimensionen, die wir einfach nicht mehr bezahlen können. Da spielt Essen eine große Rolle. Ich bin gegen Bestrafungen, aber Anreize zu einer gesunden Lebensweise von den Kassen und Versicherern kann ich mir gut vorstellen.

Derzeit steigen die Preise, etwa bei Fleisch und Wurst. Wie heftig wird das?
Das ist leider völlig unberechenbar geworden. Wir sind nicht mehr in den normalen Zyklen von Preisschwankungen bei guten oder schlechten Ernten. Ein hoher Anteil ist heute Spekulation. Vor allem mit Derivaten, also der Handel mit Waren, die man gar nicht besitzt, nur des Profits wegen.

Das heißt was?
Momentan sehen wir bei den Rohstoffen, die großen Einfluss auf Fleischpreise haben, enorme Preissteigerungen. Zum Beispiel bei Mais und Soja. Hier sind die wesentlichen Erzeugerländer leider nicht mehr in Europa.

Wo stehen Sie in diesem Kontext in der Frage „Tank gegen Teller" beim Biosprit?
Biosprit oder E10 muss man heute sicher anders diskutieren als vor 10 Jahren. Die Sinnhaftigkeit der Verspritung von Getreide muss offen debattiert werden, sonst wird es zu weiteren Preissteigerungen kommen. Außerdem bekommen wir zusehends ein ethisches Problem.

Eine Idee, was tun?
Ein Lösungsansatz wäre, nur Pflanzenreste zu verwenden. Das ist ethisch tragbar und wirtschaftlich darstellbar. Hier muss die Forschung vorangetrieben werden. Wir können einfach nicht auf Dauer Nahrungsmittel zu Sprit verarbeiten. Wir vergessen dabei nämlich gerne, dass wir das kleinere Übel haben. In den Entwicklungsländern, in den armen Regionen sterben Menschen, wenn die Preise steigen. Bei uns steigt der Preis um fünf oder zehn Cent.

Sie sprechen in Alpbach viel über Ethik und soziales Handeln. Ist das für Sie eine Investition in eine Art neue Glaubwürdigkeit oder auch nur ein Produkt, also quasi eine Marketing-Ausgabe?
Wir wollen nicht nur darüber reden, sondern das Thema im Unternehmen als Basis unseres Handelns sehen. Nachhaltigkeit, Fairness, Transparenz sind keine Produkte, das ist nichts Greifbares. Aber letztlich reden wir über einen Imageträger, der für den Kunden im konkreten Produkt sichtbar wird.

Was halten Sie von der Unilever-Ankündigung, mit kleineren Packungen und billigeren Produkten für die neue Armut in Europa gewappnet sein zu wollen. Wann kommt das in Österreich an?
Ich kenne diese Aussage selbst nur aus den Medien, aber sie wird überschätzt. Es gibt schon immer von den großen Herstellern Differenzierungen in den Märkten. Dass man das jetzt mit schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen in Europa in Verbindung bringt, passt meiner Meinung nach nicht wirklich. Unternehmen wie Unilever könnten es sich auch nicht leisten, schlechtere Produkte zu bringen. Der generelle Trend zu kleineren Produkten hat nichts mit der Krise und nichts mit der Unilever-Meldung zu tun. Sondern weil es mehr Single-Haushalte gibt als früher, weil es mehr Ältere gibt als früher.

Themenwechsel: Sie fürchten um die Rolle Europas in der Welt und kritisieren das katastrophale politische Management der Krise. Was hielten Sie von der Wieder­einführung des Schilling oder der D-Mark?
Mich stören zwei Dinge an der Diskussion: Der Euro ist nicht in der Krise, der Euro ist eine tolle, stabile Währung. Wir haben eine Schuldenkrise, die wir in jeder Währung hätten. Daher macht auch die Wiedereinführung nationaler Währungen keinen Sinn. Insbesondere für uns in Österreich. Die Wirtschaft ist erfolgreich und leistungsfähig, aber in Summe sehr klein. Ich weiß nicht, wie sich ein kleiner Schilling in einem großen Teich bewähren würde. Wir wären sicher ein Ziel von Währungsspekulanten.

Was hat die Politik falsch gemacht?
Es ist keine herausragende Leistung, wie diese Schuldenkrise gemanagt wird. In einem Unternehmen über Jahre hinweg ein Problem nicht lösen sondern nur verschieben, teilweise schlecht oder falsch informieren, das wäre eine Katastrophe. Die Politik muss jetzt, egal welche Entscheidung, aber eine Entscheidung treffen, die nachvollziehbar und endgültig ist. Es muss jetzt endlich Ruhe hinein kommen.

Sie ziehen sich mit Penny aus Westösterreich zurück, Ihr Hauptkonkurrent Spar expandiert recht kräftig im Osten, in Ihrem Stammgebiet. Ist Rewes Position als Marktführer gefährdet?
Es ist kein Ziel an sich, Marktführer zu sein. Das steht bei uns nicht im Fokus. Wenn wir unsere Kunden zufrieden stellen, werden wir unseren Platz in diesem Wettbewerbsumfeld finden. Im Übrigen: Wir haben 35 Prozent Marktanteil, unser nächstfolgender Wettbewerber hat 30 Prozent. Sie brauchen sich also keine Sorgen um uns zu machen.

Reichen die Öffnungszeiten? Kommt da ein neuer Anlauf zur Ausweitung?
Unsere Kundenbefragungen zeigen, dass ein Großteil der Bevölkerung absolut zufrieden ist mit den Öffnungszeiten. Maximal die Jüngeren wünschen sich Änderungen, aber die kaufen auch zu Mittag ein und haben kein wirkliches Problem. Die letzte Ausweitung um sechs Stunden war richtig und wichtig. Mehr brauchen wir eigentlich nicht. Bei uns wäre es auch nur eine Verteilung der Umsätze. Es isst doch niemand mehr, nur weil wir drei Stunden länger geöffnet haben.

Zur Person: Handelsprofi Frank Hensel

Der 54-jährige Frank Hensel ist seit August 2005 im Vorstand der REWE International AG, im April 2008 übernahm er den Vorstandsvorsitz. Der Manager mit ostdeutschen Wurzeln startete seine Laufbahn 1988 bei Nestle Deutschland, wechselte 1990 auf die Handelsseite zur Spar AG Hamburg und kam 1999 zu Rewe. Dort stieg er rasch auf, übersiedelte alsbald nach Österreich und rückte in den Vorstand auf, zuerst bei Billa. Die anderen Handelsfirmen des Konzerns sind: Merkur, Bipa, Penny, Adeg. Rechnet man die Osteuropa-Aktivitäten hinzu, kommt man auf rund 75.000 Mitarbeiter und 12,4 Milliarden Euro Umsatz.

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