Reisetrends: Extremtouren in die heile Welt

Die Tourismusbranche setzt verstärkt auf Aktivangebote, die meisten Kunden landen aber trotzdem im Liegestuhl.
Der Leistungsdruck steigt auch im Urlaub. Gleichzeitig suchen Reisende die heile Welt. Auf der Tourismusmesse ITB buhlen 10.000 Aussteller um Gäste.

Vollgas! Mit dem Mountainbike den Steilhang hinunter! In 14 Tagen drei Länder durchwandern oder mit Sherpa auf den 8000er: So schaut der optimale Urlaub der Leistungsgesellschaft aus. Auf der faulen Haut liegen könnte schließlich als Schwäche interpretiert werden.

Auf der ITB Berlin, der größten Tourismusmesse der Welt, bekommt man den Eindruck, die Welt ist über Nacht sportlich geworden. Länder wie Aserbaidschan oder Südkorea werben um Skifahrer. In Polen, Island oder Deutschland soll man seine Urlaubskilometer nun per Rad abspulen und auf Jersey nicht nur Geld parken, sondern die Insel auch abwandern.

Urlaubsweltmeister Deutschland

Die größte Urlaubernation der Welt ist Deutschland. 85 Prozent der Deutschen leben in Städten, die zumindest so groß sind wie Graz. Die These, dass Städter das ganze Jahr im Büro hocken und im Urlaub die fehlende Bewegung in freier Natur nachholen wollen, ist populär. "Wahrscheinlicher ist aber, dass sie im Urlaub genau dasselbe machen wie das restliche Jahr", sagt der deutsche Tourismusberater Martin Lohmann. Sprich: Sie tauschen nur Bürosessel gegen Liegestuhl. Eine gute Nachricht für Destinationen von der Türkei bis zur Karibik. Lohmann: "Wir suchen eine Gegenwelt. Deswegen fahren wir bis in die Karibik. Aber wir fangen dort nicht plötzlich an, Salsa zu tanzen, wenn wir es zu Hause nicht tun." Urlauber wollen unterhalten werden, das geht am Strand besser als am Berg, meint Lohmann. Deshalb hat der All-Inklusive-Urlaub noch lange nicht ausgedient, auch wenn eine kleine Elite sportlich aktiv reisen will.

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Auf der ITB geben sich die meisten der 10.000 Aussteller aus 180 Ländern sportlich. Auch Österreich. Die Zeiten, in denen Urlauber nur am See liegen wollten, sind laut Kärnten-Werbung-Chef Christian Kresse vorbei. Er setzt auf Wanderer und Radfahrer. Ähnlich Salzburg und Tirol. Es geht ums Image – von Gastgeber und Gast.

Die Menschen wollen wie ihre Idole sportlich und aktiv sein und buchen entsprechende Angebote. Oft bleibt es beim Wollen. Der innere Schweinehund wird doch nicht überwunden, der Berg dann doch nicht bezwungen, die Radtour abgeblasen. Das muss man zu Hause ja nicht erzählen. Tourismus ist auch Show. "Manchmal reicht es, die Augen zu bewegen", sagt Lohmann. "Es kann auch toll sein zu sehen, wie es einen Mountainbiker auf die Schnauze legt."

Die ITB hat den Abenteuerurlaub zum Trend ausgerufen. Abenteuerlich sind auch manche Aussteller. Selbst Krisenländer wie die Ukraine, Afghanistan oder der Irak sind da. "2014 hatten wir allein 12 Millionen Touristen in Kerbala", erklärt eine Mitarbeiterin eines irakischen Reiseveranstalters. Die Pilgerstätte zieht vor allem Gläubige aus dem Libanon, Saudi-Arabien, dem Iran oder Jemen an. "Im Norden und Süden ist unser Land relativ sicher", versichert sie.

Mönche im Glück

Glücklicher sind die Menschen in Bhutan, angeblich so glücklich wie nirgends sonst auf der Welt. Sie werben auf der ITB um Gäste, obwohl sie gar nicht so viele aufnehmen können, wie gerne kommen würden. Der Mönch am Stand lächelt selig: "Im Vorjahr hatten wir 50.000 Gäste. Mehr geht nicht. Wir haben nur rund 200 Hotels, die meisten haben nicht mehr als 20 Zimmer."

In Österreich gibt es ein paar Hotels mehr, die es zu füllen gilt. Und was bewegt Gäste, die von der ganzen Welt umworben werden, ausgerechnet nach Österreich zu kommen? "Die Landschaft, die Berge, die Ruhe und die Gastfreundschaft", sagt Tourismusobfrau Petra Nocker-Schwarzenbacher. Gestresste Städter suchen Plätze, an denen die Welt noch in Ordnung und unverfälscht ist. Brot backen und Hühner füttern kann so zur Attraktion werden. "Sie wollen diese Welt besuchen, aber nicht richtig in sie eintauchen. Am Abend wollen die Gäste trotzdem alle 25 Sat-Programme und WLAN haben."

Die Beschwerden von Bahnkunden bei der Schlichtungsstelle der Schienen Control sind 2014 um 1,2 Prozent auf 781 Fälle gestiegen. Gegen die ÖBB, auf die naturgemäß der Löwenanteil entfällt, haben sich die Beschwerden dagegen von 88 auf 85 Prozent verringert. Maria-Theresia Röhsler, Chefin des Bahn-Regulators Schienen-Control, führt das auf die Verbesserung des ÖBB-Beschwerdemanagements zurück.

Die Schienen-Control selbst muss ab dem Sommer rund die vierfache Zahl an Beschwerden bearbeiten. Denn unter ihrem Dach wird die Agentur für Passagier- und Fahrgastrechte angesiedelt, die alle Beschwerden im Flug-, Bahn-, Fernbus- und Schiffsverkehr abwickelt. Röhsler erwartet etwa 3000 Beschwerden pro Jahr. Die Kosten von rund 586.000 Euro jährlich tragen zu 40 Prozent die Transportunternehmen, 60 Prozent übernimmt das Verkehrsministerium.

Die Fahrgastrechte sind in EU-Verordnungen geregelt und weitgehend gleich. So bekommt man ab drei Stunden Flugverspätung abhängig von der Entfernung 250, 400 oder 600 Euro Entschädigung. Auf der Schiene muss die Bahn im Fernverkehr bei Verspätungen über 60 Minuten ein Viertel, bei zwei Stunden Verspätung die Hälfte des Ticketpreises zurückzahlen.

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