Reformen, Wachstum, Überschuss: Was Österreich von Griechenland lernen kann

GREECE-ECONOMY-POLITICS
Nach Jahren der Krise macht der Budgetüberschuss jetzt sogar Steuererleichterungen in Griechenland möglich.

Regierungschef Kyriakos Mitsotakis von der konservativen Nea Dimokratia steckt in einem Dilemma: In Griechenland geht es wirtschaftlich bergauf, das Vertrauen der ausländischen Investoren ist zurück, die Risikoaufschläge für 10-jährige Staatsanleihen sind unter dem Niveau Frankreichs. Doch die Wunden aus der Finanzkrise sind noch lange nicht vollständig verheilt. 

Weit unter 2007

Nur in Bulgarien und Rumänien verdienen die Menschen noch weniger als in Griechenland, sagt Philipp Heimberger, Ökonom am Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw). „Die wirtschaftliche Entwicklung in Griechenland ist sehr erfreulich. Ich halte es aber für überzeichnet, von einem Wirtschaftswunder zu sprechen.“ Heimbergers Beleg: Inflationsbereinigt liegt die Wirtschaftsleistung in Griechenland noch immer um elf Prozent unter dem Wert von 2007. In Österreich hat das BIP in diesem Zeitraum um 16 Prozent zugelegt.

Starke Daten

Und dennoch: Die seinerzeit drohende Pleite, der drohende Euro-Austritt sind in Griechenland längst vergessen. Das frühere Krisenland wird mittlerweile vom Internationalen Währungsfonds (IWF) oder den großen Ratingagenturen für seine Fortschritte gelobt: Sei es der rekordverdächtig schnelle Schuldenabbau seit 2020 von 210 auf 147 Prozent vom BIP; sei es das kräftige Wirtschaftswachstum von 2,3 Prozent in diesem Jahr oder ein Budgetüberschuss von rund zwei Milliarden Euro zum Halbjahr, während sich Österreich in einem EU-Defizitverfahren wieder findet.

Zu hohe Preise

Doch die Früchte des Erfolgs kommen eben bei vielen Menschen in Griechenland nicht an. Sie klagen über die Wohnungsnot oder die anhaltend hohen Preise, etwa bei Lebensmitteln. Der IWF empfiehlt sogar, die Löhne nicht allzu kräftig anzuheben, das würde nur die Inflation erneut anheizen. Dazu kommen die Folgen des Klimawandels. Lang anhaltende Dürreperioden setzen den Landwirten und ihren Ernten massiv zu. Viele junge, gut ausgebildete Griechen und Griechinnen wandern aus. Und immer wieder legen Streiks das Land lahm.

Angesichts deutlich gesunkener Umfragewerte, Korruptionsvorwürfen und dem näher rückenden Wahltermin 2027 versucht der seit sechs Jahren regierende Mitsotakis nun einen Befreiungsschlag – und kündigt Steuererleichterungen für 2026 an. Zeitgleich mit Mitsotakis' Rede in Thessaloniki forderten Tausende bei Gewerkschaftsprotesten höhere Gehälter.

Mitsotakis’ Plan lautet: Für rund 1,6 Milliarden Euro, finanziert aus dem höher als erwarteten Budgetüberschuss, soll die Lohnsteuer generell um zwei Prozentpunkte sinken. Für einkommensschwache Familien entfällt sie ab vier Kindern ganz. Auch junge Menschen unter 25, die weniger als 20.000 Euro im Jahr verdienen, sollen künftig keine Steuer mehr zahlen. Zudem entfällt die Grundsteuer in abgelegenen Gebieten. So sollen Städter motiviert werden, wieder aufs Land zu ziehen.

Und die Lehren daraus?

Was kann Österreich von Griechenland lernen? wiiw-Experte Heimberger nennt als Beispiel die über die Jahre stark verbesserte Steuermoral im Zuge der Digitalisierung der Verwaltung.

Auch Ökonom Hanno Lorenz von der Agenda Austria schlägt in diese Kerbe und nennt die „Entbürokratisierung und Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung in Griechenland“ als vorbildhaft für Österreich.

Arbeiten bis 67

Andere Reformen in Griechenland seien aber vielfach der dramatischen finanziellen Situation ab 2008/09 und den strengen Sparvorgaben der Kreditgeber aus EU und Währungsfonds geschuldet gewesen. Sie ließen sich in ihrem Ausmaß deshalb kaum auf Österreich übertragen, sagt Lorenz. Als Beispiel nennt er die starken Einschnitte im Beamtenapparat – 300.000 der 900.000 öffentlich Bedienstete wurden abgebaut – oder die seinerzeit erfolgten Pensionskürzungen in Griechenland. Auch die Anhebung des Pensionsantrittsalters auf 67 Jahre fiel in die Krisenphase. Das gefällt der Agenda Austria freilich schon besser, sie fordert es auch für Österreich.

Mit der vorzeitigen Rückzahlung der milliardenschweren Hilfskredit hat Athen jedenfalls den Krisenmodus verlassen. Ein letzter Vergleich: Die Inflation liegt in Griechenland bei 3,1 Prozent, in Österreich bei 4,1 Prozent. Eine Maßnahme ist der „preisstabile Einkaufskorb“. Griechische Supermärkte müssen jeweils ein Produkt einer größeren Produktgruppe dauerhaft günstig anbieten und bewerben. Für das gewerkschaftsnahe Momentum Institut ist das ein Vorbild für Österreich.

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