Puten schlucken weniger Antibiotika

Österreich hat im EU-Vergleich strenge Kontrollen von Geflügelmästern und wenig Antibiotika-Einsatz.
Österreich setzt deutlich weniger Antibiotika ein, im Import-Geflügel steckt aber noch viel davon.

In Österreich ist der Antibiotika-Einsatz in der heimischen Geflügelproduktion stark gesunken. 2011 wurden insgesamt 4,71 Tonnen im Jahr eingesetzt, 2014 waren es nur noch 2,66 Tonnen – ein Minus von 44 Prozent. Das geht aus dem "Antibiotika Monitoring Report 2015" hervor, der dem KURIER vorab vorliegt. Klingt nach einer guten Nachricht für Konsumenten. Ist es aber nur bedingt.

In Österreich wird immer weniger Puten- und Hendlfleisch aus heimischer Produktion gegessen. "Bei Puten hat sich der Selbstversorgungsgrad binnen drei Jahren auf unter 30 Prozent halbiert", sagt Martina Glatzl, Obfrau der Österreichischen Qualitätsgeflügelvereinigung. Glatzl: "Für Aktionen ist schon jetzt zu wenig Ware da, wir können den Einzelhandel nicht mehr ausreichend beliefern." Sie fürchtet, dass Österreich bald "Schweizer Verhältnisse" haben wird. Dort werden 90 Prozent des Geflügels im Ausland zugekauft.

Puten schlucken weniger Antibiotika

Importe

Österreich kann preislich nicht mit großen Lieferantenländern wie Thailand und Brasilien mithalten, die über den Großhandel auch heimische Gastronomie mit Billigfleisch beliefern. "Wir müssen den Konsumenten erklären, warum Fleisch aus heimischer Produktion doppelt so teuer ist wie ausländisches", sagt Glatzl.

In einem heimischen Mastbetrieb leben durchschnittlich 27.000 Hühner, in Deutschland sind es etwa zehn Mal so viele. Zudem hat Österreich besonders strenge Regeln zur Besatzdichte. Bei Puten darf es höchstens Tiere mit insgesamt 40 Kilogramm pro Quadratmeter geben. In Polen, Italien oder Ungarn sind es bis zu 70 Kilo, in vielen Ländern gibt es gar keine Beschränkungen. Glatzl: "Tierschützer haben dazu beigetragen dass dass die österreichischen Geflügelbetriebe europaweit die strengsten Tierschutzbestimmungen haben. Ich frage mich, warum sie nichts zum Tierleid, das hinter der Importware steckt, sagen."

Wo viele Tiere auf engem Raum zusammengepfercht sind, werden auch Antibiotika eingesetzt. Damit steigt die Gefahr von resistenten Keimen – das heißt, dass Antibiotika bei Menschen nicht mehr greifen. Heuer sorgte unter anderem mit Keimen belastetes Billig-Putenfleisch in Deutschland für Aufregung. Laut dem Antibiotika Monitoring 2015 ist der Antibiotikaeinsatz in deutschen Ställen – umgelegt auf die Tierpopulation – acht Mal so hoch wie in heimischen. In absoluten Zahlen hat Deutschland hat den höchsten Antibiotikaeinsatz in Europa, gefolgt von Italien und Spanien. Insgesamt setzen diese drei Länder mehr Antibiotika im Nutztierbereich ein als alle anderen EU-Länder zusammen.

Umdenken

"In Österreich gibt es ein Umdenken beim Einsatz von Antibiotika", sagt Glatzl. Die Tierärztin hat 30 Jahre lang bis zu 300 Geflügelbetriebe in Österreich betreut. Den in Deutschland oft gehörten Vorwurf, Tierärzte hätten kein Interesse daran, den Antibiotika-Einsatz zu reduzieren, weil sie damit dem eigenen Geschäft schaden würden, weist sie zurück. "Vereinfacht gesagt verkaufen wir mehr Impfstoff statt früher Antibiotika."

Einsatz in den Ställen

Masthühner 2011 wurden den Masthühnern in Österreich noch 2,36 Tonnen Antibiotika verabreicht, 2014 waren es mit 0,9 Tonnen um mehr als 60 Prozent weniger.

Truthühner Der Antibiotikaeinsatz sank von 2011 auf 2014 um 43 Prozent auf 1,01 Tonnen. Grund für den anteilsmäßig hohen Verbrauch: höheres Gewicht und der längere Lebensdauer der Tiere.

Legehennen Das Futter wurde 2014 auf europäisches Soja umgestellt, was in der Umgewöhnungsphase zu mehr Krankheiten und Antibiotikaeinsatz führte.

Kommentare