Private spenden wie noch nie, aber zu wenige Großspender
Karitative Punsch-Stände an allen Ecken, Licht ins Dunkel im TV, Weihnachtspost mit Zahlschein im Briefkasten: Die Vorweihnachtszeit ist Hochsaison für Hilfsorganisationen. 25 bis 30 Prozent des gesamten Spendenaufkommens werden in dieser Zeit eingesammelt. Und die Österreicher sind trotz wirtschaftlich angespannter Zeiten spendenfreudig. Der Fundraising Verband Austria erwartet für heuer einen neuen Spendenrekord von 600 Millionen Euro. Das sind um fünf Prozent mehr als im Vorjahr. Ein großes Herz zeigen die Österreicher vor allem für Flüchtlinge. Bis November wurden zwölf Millionen Euro für die Flüchtlingshilfe gespendet. "Wir erwarten, dass diese Zahl noch weiter ansteigen wird, denn das Thema Flüchtlinge wird auch 2016 akut sein", sagt Günther Lutschinger, Geschäftsführer vom Fundraising Verband.
Zum steigenden Aufkommen beigetragen hat auch die seit 2009 mögliche steuerliche Absetzbarkeit von Spenden. Schon 840.000 Österreicher machten im Vorjahr davon Gebrauch. Ab 2016 können auch Zuwendungen an Kunst- und Kultureinrichtungen, die eine Bundes- oder Landesförderung erhalten, steuerlich geltend gemacht werden. Lutschinger erwartet dadurch einen weiteren Schub, hätte aber auch gerne eine Absetzbarkeit für Spenden an Tierschutz- und Bildungseinrichtungen.
Ranking
Die Organisationen mit dem höchsten Spendenaufkommen sind das Rote Kreuz (63 Mio. Euro), Caritas (60), SOS Kinderdorf (38), Ärzte ohne Grenzen (23 ) und Dreikönigsaktion (16 ). Am liebsten unterstützen die Österreicher laut Umfrage von Public Opinion Kinder, Tiere und die Katastrophenhilfe im Inland. Die Sicherheit, dass die Gelder zweckgemäß ankommen, ist das wichtigste Motiv. Durchschnittlich spenden die Österreicher 70 Euro pro Kopf, wobei es erhebliche regionale Unterschiede gibt. Die meisten Spender gibt es mit 66 Prozent in Ostösterreich, die höchsten Spenden mit durchschnittlich 154 Euro in Oberösterreich. Europaweit gibt es laut Lutschinger noch "viel Luft nach oben", so spenden etwa die Briten 314 Euro pro Kopf. Grund dafür ist das geringe Spendenaufkommen von Vermögenden. Österreich ist ein Land der Kleinspender.
Mehr Stiftungen
Die im "Gemeinnützigkeitspaket" vorgesehenen steuerlichen Erleichterungen für gemeinnützige Stiftungen sollen schon im kommenden Jahr mehr Großspenden lukrieren. "Bisher waren gemeinnützige Stiftungen ein Minderheitenprogramm, ich bin zuversichtlich, dass schon bald neue Stiftungen ins Leben gerufen werden", hofft Lutschinger. Der gemeinnützige Sektor beschäftigt 236.000 Personen. Durch verbesserte Rahmenbedingungen könnten kurzfristig bis zu 2500 weitere dazukommen.
Advent ist Spenden-Hochsaison. Übers Jahr kommen pro Österreicher 70 Euro zusammen. Viel? Wenig? Die Österreicher seien großzügig, aber ein Volk der Kleinspender, sagt eine Studie: Die Vermögenden lassen aus. In Österreich gibt es keine philanthropische Tradition.
Anders in den USA, wo es zum guten Ton gehört, einen Teil des Vermögens zu spenden. So hat Facebook-Gründer Marc Zuckerberg eben angekündigt, Aktien um bis zu einer Milliarde Dollar pro Jahr für wohltätige Zwecke zu verkaufen – bis zu 45 (!) Milliarden Dollar sollen es im Laufe seines Lebens werden. Das sind so aberwitzig hohe Beträge, dass sich unbehagliche Fragen aufdrängen. Ist es ein Zufall, dass die Superreichen dort spendabel sind, wo die Einkommen besonders ungleich verteilt sind? Was heißt es demokratiepolitisch, wenn ein Einzelner befindet, was seiner Zuwendung würdig ist? Kann und soll der Staat wirklich hoheitliche Aufgaben an wohlhabende Mäzene abtreten? Die Österreicher spenden gern für Kinder und Tiere. Aber ist nicht auch die Betreuung von Alkoholkranken, Drogensüchtigen und Haftentlassenen wertvoll für die Gesellschaft? Das sind nur leider keine allzu großen Sympathieträger.
Heikle Fragen, die selten gestellt werden – logisch: Gutes tun kann nie falsch sein. Deshalb spenden Sie mit gutem Gewissen, selbst wenn es "nur" 70 Euro sind. Und fühlen Sie sich ruhig wie Zuckerberg. Der ist nämlich auch kein 13-millionenfach besserer Mensch. - Hermann Sileitsch-Parzer
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