Pinkwashing: Wenn Pride und Regenbogen zum Marketing-Gag werden

LGBTQ+ and Pride Displays in Stores
Viele Unternehmen präsentieren sich als Unterstützer der LGBTQIA+-Community, doch nicht alle sind tatsächlich solidarisch.

Die Drag-Künstlerin Candy Licious sitzt mit pinker Perücke an einem großen Tisch, nippt an einem Glas Prosecco und beantwortet die neugierigen Fragen ihrer Tischnachbarn. Beim jährlichen Drag-Brunch im Boutiquehotel Stadthalle geht es auch heuer darum, die Berührungsängste zwischen den Hotelgästen und der LGBTQIA+-Community (auch Queer-Community) abzubauen und „Brücken aufzubauen“, wie die Queer-Aktivistin sagt.

Events wie dieses sind ihr Job. Dass sie mit dem Einsatz für Queer-Rechte Geld verdient, ist für sie kein Widerspruch. „Von irgendetwas müssen auch Aktivisten leben“, sagt die Künstlerin dem KURIER.  

Gleichzeitig kritisiert Candy Licious Unternehmen, die sich mit Queerfreundlichkeit schmücken und sich solidarisch präsentieren, tatsächlich aber keine Maßnahmen für mehr Gleichberechtigung setzen. Pinkwashing oder auch Rainbow-Washing nennt sich die Praktik, und sie ist vergleichbar mit Greenwashing, bei dem sich Unternehmen als nachhaltiger darstellen, als sie eigentlich sind.

Drag-Künstlerin Candylicious

Drag-Künstlerin Candy Licious kritisiert Unternehmen für Pinkwashing.

Im Juni nimmt die Menge an Regenbögen zu

Im Juni, dem sogenannten Pride Month, nimmt die Menge an sichtbaren Regenbögen in der heimischen Wirtschaftslandschaft  seit einigen Jahren stark zu – und mit ihr das Pinkwashing. 

Das beobachtet auch Eva Burger, Leiterin der Abteilung für Frauen- und Gleichstellungspolitik in der Arbeiterkammer (AK) Wien. Auch sie kritisiert Unternehmen, die das Thema Vielfalt nicht ernst nehmen, sondern sich „nur mit falschen Federn schmücken“, wie sie dem KURIER sagt. 

Zwar bringe es der Queer-Bewegung und ihren Anliegen mehr Sichtbarkeit, wenn Unternehmen in der Öffentlichkeit oder im Netz die Regenbogenflagge zeigen, jedoch reiche das nicht aus, wenn keine tatsächlichen Maßnahmen zur Beseitigung der Diskriminierung queerer Menschen, etwa in Form von Quoten bei der Besetzung von Stellen, gesetzt werden.

Von außen ist Pinkwashing nur schwer erkennbar

Von außen sei meist schwer erkennbar, ob Unternehmen sich tatsächlich für LGBTQIA+-Rechte einsetzen, oder das nur von sich behaupten. Burger rät Verbrauchern dazu, sich im Internet über Firmen zu informieren. So lasse sich etwa herausfinden, ob Unternehmen auch in anderen Monaten queere Rechte thematisieren. ´

Auch Auszeichnungen für Inklusion seien ein Anhaltspunkt, etwa der „Preis der Vielfalt“, den die Veranstalter des Diversity Ball jährlich vergeben. In der Kategorie „Großunternehmen“ erhielten ihn 2024 etwa die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB).

Mit dem Thema Pinkwashing beschäftigt sich auch Michael Hunklinger, Politikwissenschafter und Experte für Queer Politics an der Universität Krems. Auch er sieht einen Zwiespalt: Etwa wenn es um Pride-Kollektionen geht, die viele Textilunternehmen vor der Regenbogenparade anbieten.  Diese erhöhen die Sichtbarkeit queerer Symbole.

Oft wird die Kleidung jedoch aufgrund der hohen Nachfrage teurer verkauft. Wenn der Mehrerlös dann nicht an LGBTQIA+-Organisationen gespendet wird, hat das Unternehmen die Symbole der queeren Bewegung rein zu Marketingzwecken ausgenutzt

„Pride-Collections haben zwar positive Elemente, aber die Kommerzialisierung von politischen Themen halte ich generell für problematisch“, sagt Hunklinger dem KURIER. 

Queer-Freundlichkeit beschränkt sich oft auf westliche Staaten

Auch wenn Unternehmen ihre Unterstützung auf die Länder beschränken, in denen sie keine negativen Folgen erwarten müssen, ist für Hunklinger „ein Zeichen, dass die Firmen es nicht wirklich ernst nehmen“.

In der Vergangenheit standen etwa einige Autohersteller in der Kritik, ihre Logos im Netz und auf Social Media in westlichen Staaten durch einen Regenbogen zu ersetzen, während sie die Logos in Ländern wie Russland oder Saudi-Arabien, wo die LGBTQIA+-Rechte stark eingeschränkt sind, nicht veränderten.

Auch das Sortiment passen viele Unternehmen dem jeweiligen Markt an. Der US-Onlineriese Amazon, der sich in der Vergangenheit häufig als Unterstützer der Queer-Community präsentiert hatte, soll Medienberichten zufolge bereits vor Monaten sein LGBTQIA+-Angebot in den Vereinten Arabischen Emiraten aus Angst vor Sanktionen zensiert haben.

Konservative Politik verunsichert einige Betriebe 

In den USA ziehen ebenfalls immer mehr Unternehmen ihre öffentliche Unterstützung für die Queer-Community zurück. Schuld ist unter anderem die konservative Politik von US-Präsident Donald Trump.

Hunklinger nennt als Beispiel die Coffeeshop-Kette Starbucks, die in den US-Filialen heuer auf Pride-Dekorationen verzichtet habe. Hierzulande tritt der Konzern wiederum als Sponsor der Vienna Pride, der größten Veranstaltung für Queer-Rechte Österreichs, auf.

Auch bei diesem Event ist heuer ein Kulturwandel spürbar, etwa weil die Zahl der Sponsoren von 44 im Vorjahr auf 38 geschrumpft ist. Als Begründung gibt der Veranstalter Stonewall GmbH auf KURIER-Anfrage „Budgetkürzungen und schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen“ an. 

Zwar sei die Unterstützung weiterhin groß, doch die politische Stimmung – insbesondere in den USA – verunsichere manche Betriebe, heißt es.

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