Pressestimmen zum Griechenland-Paket

Der Euro-Sondergipfel hat ein Rettungspaket gegen die Krise geschnürt. Wie die Hilfe für Griechenland in internationalen Medien gewertet wird.

Neue Zürcher Zeitung in der Freitagausgabe:
"Die in Brüssel zusammengekommenen Politiker und Interessengruppenvertreter haben beim EU-Gipfel einen weiteren Schritt in Richtung stärkere Vergemeinschaftung von Schulden, Bonität und Verantwortung in der Euro-Zone sowie der Europäischen Union getan. Die Wendung "einen Schritt tun" rückt den Vorgang allerdings in ein allzu günstiges Licht. Im Grunde sind die Politiker, mehr oder weniger eng aneinandergeklammert, an einem steilen und glitschigen Abhang ein weiteres Stück nach unten gerutscht. (..) Mit der jüngsten Entwicklung dürfte den Bürgern der EU-Länder klarer werden, in welch vielfältiger Hinsicht die sogenannte europäische Integration und der Euro auf eine Solidarisierung bzw. Sozialisierung des Finanzgebarens, der Lebensweise und der EU-weiten Vermögensverteilung hinauslaufen."

Die Italienische La Repubblica schreibt am Freitag:
"Nach einem Jahr der Zögerlichkeiten und Halbheiten, das den Euro an den Rand des Abgrunds hat rutschen lassen, hat sich Europa entschlossen, die Griechenland-Krise ernsthaft anzugehen. Die Antwort auf die Krise, die die europäischen Regierungschefs am Donnerstag beschlossen haben, ist ein großer Schritt nach vorne und sendet ein klares Zeichen an die Märkte. Auch wenn alle dabei auf etwas verzichten mussten - Angela Merkel hat ihr Veto zurückgezogen, die Befugnisse des Krisenfonds zu erweitern. Die Europäische Zentralbank hat Private mit im Rettungsboot akzeptieren müssen und Frankreich hat auf eine Besteuerung der Banken verzichtet - hat Europa am Ende - wenn auch mit Verspätung - etwas gewonnen."

Die Straßburger Zeitung Dernieres Nouvelles d'Alsace schreibt zu den Ergebnissen des EU-Krisengipfels:
"Lösungen, die in extremis mit der Zange geboren werden, Nachtsitzungen und in letzter Minute erzielte Zugeständnisse gehören zur Geschichte der Europäischen Union. Doch nun ist es an der Zeit, einen höheren Gang einzulegen, um die EU in Zukunft besser zu schützen. Der Weg hin zu einer größeren wirtschaftlichen, fiskalen und politischen Union ist dabei, sich abzuzeichnen. Und dieser Weg wird sich sicherlich durchsetzen. Nun sind alle aufgefordert, die Regeln dafür zu verhandeln - und am besten sollten sie das tun, indem sie das allgemeine Interesse aller im Auge behalten."

Die ungarische Tageszeitung Nepszabadsag:
"Obwohl die Gipfelteilnehmer konkrete Angaben erst für später versprechen, haben die Märkte bereits einen Vertrauensvorschuss gewährt. Dass zugleich der Euro erstarkt ist und der als Rettungsvaluta geltende Schweizer Franken schnell schwächer wurde, zeigt, dass die Investoren nach guten Nachrichten gehungert haben und jedes Signal honorieren, das auf Einigung und Stärkung des Euro hinweist. Als passive Teilnehmer und aktive Leidtragende der Krise können auch wir den guten Nachrichten vertrauen."

Die konservative polnische Tageszeitung Rzeczpospolita über den EU-Sondergipfel:
"Es ist passiert, was passieren musste. Griechenland ist gerettet. Wenigstens bis zum Herbst. Die EU-Beamten wollten in Ruhe in den August-Urlaub fahren. Dringende Probleme sollten schnell gelöst werden. (...) Nur die größten Wirtschafts-Naivlinge glaubten, dass die tiefste Krise der Euro-Zone seit ihrer Entstehung 1999 zu einem Zusammenbruch dieses 17-Staaten-Clubs und zur Rückkehr zu Nationalwährungen führen kann. Niemand würde davon profitieren, am wenigstens Deutschland und Frankreich. Dabei verteilen diese zwei Länder in der EU die Karten. Im Namen deutscher und französischer Interessen zieht die EU Griechenland mit allen Mitteln aus dem Sumpf. Offen bleibt, ob Berlin und Paris es schaffen, Athen zu weitgehenden wirtschaftlichen Reformen zu zwingen. Denn es kann nicht so bleiben, dass Europa mit Steuergeldern zahlt und die Griechen streiken."

Die linksliberale polnische Tageszeitung Gazeta Wyborcza schreibt:
"Die griechische Krise hat sich wie eine Seuche verbreitet. Sie erfasste verschuldete Länder wie Portugal und Irland, bedrohte aber auch relativ gesunde Volkswirtschaften. Der Euro-Zone und der ganzen EU drohte Chaos. (...) Jetzt gibt es eine Chance darauf, dass die Seuche unter Kontrolle gebracht wird, obwohl die Sanierung der europäischen Wirtschaft noch Zeit braucht. (...) Es ist eine schmerzliche Lehre für ganz Europa. In der Wirtschaft gibt es keine Wunder. Wer auf Kosten der anderen lebt, wird früher oder später den Gürtel enger schnallen müssen. Das ist nicht angenehm, auch wenn unter dem Gürtel ein ganz großes Bäuchlein steckt."

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