Post-Chef optimistisch: "Haben nach wie vor eine gute Ausgangsposition"

Walter Oblin
Walter Oblin, oberster oberste Postler des Landes, sorgt sich durchaus um den Standort, sieht aber auch seine Vorzüge. Er wünscht sich mehr Leistungsanreize und ein neues Postmarktgesetz.

Vor allem wünscht sich der Generaldirektor der Post einen Wettbewerb auf Augenhöhe mit seinen internationalen Konkurrenten und einige wesentliche Reformen von der Bundesregierung, vom Arbeitsmarkt bis zum Bürokratieabbau.

KURIER: Sie sind jetzt ein Jahr im Amt, sie haben am 1. Oktober 2024 Langzeitchef Georg Pölzl an der Spitze der Post beerbt. Was hat sich in der Post, was hat sich für Sie persönlich seither geändert?

Oblin: Das Jahr ist schnell vergangen, es war ein unglaublich spannendes, turbulentes, auch herausfordern-des Jahr. Aber es ist sehr viel passiert in der Post, sehr viel Positives. Wir haben eine neue Strategie mit 150 Führungskräften entwickelt, eine wirkliche Wachstumsstrategie mit einem klaren Bekenntnis zu Wachstum in Österreich, aber auch international. Wir haben ein Reihe von Innovationen in den Markt eingeführt, Sonntagszustellung, eine mutige SB-Offensive ist im Laufen. Wir haben international Expansionsschritte gemacht in Märkte im Osten jenseits der Türkei. Und wir sind in einem sehr herausfordernden Umfeld auch stolz darauf, weiter eine sehr stabile Arbeitgeberin zu sein. Wir haben aktuell 500 offene Stellen, haben mit Innovationen auch neue Arbeitsplätze geschaffen und daran werden wir weiterarbeiten. 

Es ist schon erstaunlich. Die Post ist ja immer noch ein staatliches, also halbstaatliches Unternehmen und trotzdem sehr innovativ unterwegs. Sie haben jetzt einige Punkte genannt. Spielt die Künstliche Intelligenz bei Ihnen auch schon eine größere Rolle?

Absolut, man sieht es vielleicht von außen nicht, aber die Post ist ein extrem technologiedurchdrun-genes Unternehmen. Wir haben ungefähr 1100 IT-Experten im Konzern. Hinter jedem Paket, hinter jedem Brief steht eine Vielzahl von IT-Systemen, beginnend von der Post App über große operative Systeme, für Filialen, Sortierung undund Zustellung. Alle unsere Zusteller sind mit Handheld-Geräten unterwegs, scannen jedes Paket an verschiedenen Stellen um hier auch Sicherheit für den Empfänger und für den Versender zu schaffen. Ja, und Künstliche Intelligenz verändert auch unsere Prozesse rasch. Wir setzen Künstliche Intelligenz an verschiedenen Stellen ein. Prognostizieren beispielsweise Zustellfenster, die wir dann den Kunden kommunizieren. Wir beginnen Künstliche Intelligenz in der Kundenkommunikation einzusetzen. Sehr vorsichtig, weil wir nicht unsere Kunden als Versuchskaninchen verwenden wollen. Wir lesen Dokumente im Auftrag unserer Kunden aus und stellen unseren Kunden aus PDF-Files, Fotografien von Arztrechnungen beispielsweise für Versicherungen, Datensätze zur Verfügung. Also da passiert sehr viel im Unternehmen.

Kommen wir zum Standort-Thema. Der Metaller-Abschluss, der klar unter der Inflationsrate blieb, war ein starkes Signal für den Standort. Sehen Sie darin eine Steilvorlage für die Politik, Reformen anzugehen, etwa bei den Lohnnebenkosten?

Ich denke, da hat die Politik im Hintergrund viel Überzeugungsarbeit geleistet. Insofern ist der Abschluss auch ein Erfolg für die Regierung. Und ja, ich glaube wir alle sind gefordert, der Staat, die Unternehmen, die Sozialpartner, auch die Arbeitnehmervertreter. Wir alle müssen sicherstellen, dass unser Land wettbewerbsfähig bleibt. Und dass sich Leistung in diesem Land wieder lohnt.

Sie wünschen sich eine Regierung, die die großen Reformen angeht. Wie lautet ihr Zwischenresümee? Geht etwas weiter?

Ich glaube, die Regierung hat die Zeichen erkannt und erste Schritte gesetzt. Jetzt müssen weitere Reformen folgen, vor allem auch am Arbeitsmarkt. Das zusätzlich durch Arbeit generierte Einkommen bietet relativ zu einem arbeitsfreien Einkommen, sei es Mindestsicherung, sei es Arbeitslosigkeit, sei es die Pension, oft zu wenig Anreize für Menschen, 40 Stunden in der Woche zu arbeiten, jeden Tag aufzustehen, zur Arbeit zu pendeln. Mit der Abschaffung der geringfügigen Beschäftigung zusätzlich zur Arbeitslosigkeit und mit der Reform der Bildungskarenz sind erste Schritte eingeleitet worden. Denen müssen weitere größere Schritte folgen, beispielsweise eine Reform des Arbeitslosengeldes, um hier stärkere Anreize für Arbeit zu schaffen.

Wie sehr leidet die Post unter der Bürokratie und Regulierung?

Fakt ist, dass wir unter einer Überregulierung in Europa, aber auch in Österreich leiden, die auf drei Ebenen stattfindet. Eine EU, die massiv reguliert. In allen Bereichen ein österreichischer Staat, der eine Tendenz zum Goldplating hat. Und dann Behörden, die diese Gesetze teils überschießend auslegen, teils mit sehr hohen Strafen belegen. Und das ist standortfeindlich. Das führt zur Abwanderung von Wertschöpfung. Wir selbst haben uns aus bestimmten Geschäften zurückgezogen, weil wir mit hohen Datenschutzbestimmungen und -risiken konfrontiert waren. Wo geht das hin? Das geht zu TikTok nach China, das geht zu Meta und Alphabet, also Google in die USA. Wo sich jeder ein Bild machen kann, wie ernst Datenschutz genommen wird.

Was müsste hier getan werden? Auch da, glaube ich, hat die Regierung die Zeichen der Zeit erkannt, und hat ein klares Bekenntnis zur Deregulierung abgegeben. Aber das Pendel schwingt sowohl auf der europäischen Ebene als auch auf der österreichischen Ebene noch in die falsche Richtung.

Im Fall der Post geht es um das Postmarktgesetz. Sie wünschen sich eine Reform ...

Das Postmarktgesetz stammt im Wesentlichen aus dem Jahr 2008, 2009. Seit damals haben sich Gesellschaft, Technologie, Konsumentenverhalten massiv weiterentwickelt. Das Briefvolumen ist um 60 Prozent zurückgegangen. Unser Kerngeschäft wird immer mehr das Paketgeschäft, wo wir das einzige regulierte Unternehmen im Wettbewerb gegen nicht regulierte ausländische Konzerne sind. Wir wünschen uns eine Modernisierung des Postmarktgesetzes. Vieles an der Regulierung ist nicht mehr zeitgemäß.

Ein Beispiel bitte ...

Das eine ist die Preisregulierung im Briefbereich. Der durchschnittliche Österreicher gibt im Jahr etwa 10 Euro für Briefporto aus. Das muss nicht preisreguliert sein. Das zweite Beispiel sind die Postfilialen. Wir sind gesetzlich verpflichtet, 1.650 Postgeschäftsstellen aufrecht zu erhalten, mit Mitarbeitern und mit einem teils sehr komplexen Produktportfolio, was den Postpartner in einem kleinen Dorf manchmal überfordert. Da wünschen wir uns einfach eine Anerkennung auch moderner Formen. Wir haben in den letzten eineinhalb Jahren freiwillig die Anzahl der Poststellen um 50 Prozent erhöht und über 1.000 Poststellen durch Selbstbedienungslösungen geschaffen. Wünschenswert wäre, dass auch diese SB-Stellen als Postgeschäftsstellen anerkannt werden. Kunden sehen das mittlerweile als präferierte Zustellform. Wir haben letztes Jahr schon 32 Millionen Sendungen über diese Schiene abgewickelt.

Ihre Wettbewerber Amazon & Co sind nicht dem Postmarktgesetz unterworfen, obwohl sie auf dem österreichischen Markt tätig sind?

Ja, weil das Postmarktgesetz aus einer Zeit stammt, wo man im Wesentlichen das Briefgeschäft reguliert hat und das Paketgeschäft nur im Filialbereich. Das, was aber heute den Großteil des E-Commerce-Paketvolumens ausmacht, sind Großversender und große E-Commerce-Plattformen, die direkt in Logistikzentren einliefern. Und das ist nicht durch das Postmarktgesetz geregelt.

Wollen Sie, dass der Universaldienst abgeschafft wird?

In Dänemark hat das die Regierung gemacht, ohne dass es einen Aufschrei gegeben hat. Aber nein, wir bekennen uns zu einer modernen landesweiten Postversorgung. Wir sind auch eine wichtige Arbeitgeberin im ländlichen Raum. Wir machen auch mit unserem Filialnetz Offensivschritte mit unserer bank99, auch mit einem Mobilfunkangebot im nächsten Jahr, um den ländlichen Raum zu stärken. Aber wir wollen Wettbewerb auf Augenhöhe mit den ausländischen Wettbewerbern.

Ex-Kammerpräsident Christoph Leitl hat einmal gesagt, Österreich ist abgesandelt und dafür viel Kritik geerntet. Tatsächlich sind wir in vielen Rankings weit abgerutscht. Machen Sie sich Sorgen um Österreich?

Ja, ich mache mir Sorgen, wir haben großen Handlungsbedarf. Gleichzeitig haben wir auch nach wie vor eine gute Ausgangsposition. Wir haben gut gebildete Menschen und leistungsfähige Unternehmen. Aber wir brauchen ein paar große Reformen. Leistung muss sich wieder stärker lohnen. Wir brauchen mehr Wirtschaftsfreundlichkeit. Wir brauchen weniger Regulierung, mehr Leistungsanreize und auch eine positive Stimmung im Land. Ich glaube, wenn das alles zusammenkommt – wir sind nach wie vor eines der reichsten Länder der Erde – dann haben wir die Chance, uns wieder nach oben zu entwickeln.

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