"Der falsche Mann für die Bahn"

ÖBB-Aufsichtsratschef Pöchhacker: Viele Beweisergebnissewidersprechen Hubers Angaben
Pöchhacker gegen Huber: ÖBB-Aufsichtsratspräsident spricht erstmals im Interview über den Ex-Generaldirektor.

KURIER: Ex-ÖBB-Chef Martin Huber wurde zwar in der Causa Schillerplatz freigesprochen, doch die Staatsanwaltschaft hat ein neues Verfahren eingeleitet. Huber soll den Bahn-Aufsichtsrat über sein Immobilien-Engagement gezielt getäuscht haben. Er sagt allerdings, Sie seien vollinhaltlich informiert gewesen. Damit wird Ihnen indirekt unterstellt, die Ablöse von rund 800.000 Euro sei gar nicht notwendig gewesen. Der Aufsichtsrat hätte Huber fristlos ohne Abfindung rauswerfen können. Das kann strafrechtliche Relevanz haben.

Horst Pöchhacker: Die Grünen hatten das Aufsichtsrats-Präsidium der ÖBB schon vor vier Jahren angezeigt. Dies mit der Behauptung, wir hätten Huber fristlos entlassen müssen. Wir haben damals die Arbeitsrechtlerin Sieglinde Gahleitner mit einem Gutachten als Basis für eine Trennung von ihm beauftragt. Sie hat eine fristlose Entlassung nicht empfohlen. Einen Vorstand zu feuern, ist nicht so einfach. Der Aufsichtsrat war über Strukturierung und Strategie der Bahn uneinig mit Huber, aber das kommt in vielen Unternehmen vor und ist kein Grund für eine Fristlose. Eine einvernehmliche Lösung ist wesentlich billiger und klüger. Die Staatsanwaltschaft hat damals alles umfassend geprüft und das Strafverfahren eingestellt. Bei diesen Fakten von strafrechtlicher, mich treffender Relevanz zu sprechen, ist völlig absurd.

"Der falsche Mann für die Bahn"
Horst Pöchhacker, Ex-Vorstandsmitglied der Porr AG und seit 2007 Aufsichtsratsvorsitzender der ÖBB
Huber erklärte damals dem Aufsichtsrat, er habe nur 25 Prozent an der Schillerplatz-Projektgesellschaft gehalten und keinen unternehmerischen Einfluss ausgeübt.

Er hat sich in der Aufsichtsratssitzung im Dezember 2007 geweigert, darüber überhaupt Auskunft zu geben. Auf meinen Brief an ihn erklärte er mir, dass er effektiv nur 25 Prozent an der Gesellschaft halten würde und er keinen unternehmerischen Einfluss auf die Gesellschaft ausübe.

Aber im Prozess sagte Hubers Ehefrau, dass ihr Mann die treibende Kraft des Immo-Projekts gewesen sei.

Huber hat damals gegenüber dem Aufsichtsrat zuerst die Auskunft verweigert und dann, wie sich jetzt herausgestellt hat, offenbar die Unwahrheit über die tatsächlichen Gegebenheiten gesagt. Es stimmt natürlich auch nicht, dass ich über die wahren Besitzverhältnisse informiert war.

Halten Sie die einvernehmliche Vertragsauflösung mit heutigem Wissensstand immer noch für korrekt?

Ja, diese Entscheidung war richtig. Der Aufsichtsrat hat die Interessen der ÖBB zu vertreten. Eine gedeihliche Zusammenarbeit mit Huber war nicht mehr möglich. Er wurde von den Eigentümervertretern wegen seiner Immobilien-Kompetenz engagiert, damit er die Immobilien-Geschäfte der Bahn profitabel abwickelt. Diese Kompetenz hat er zweifellos, aber die Bahn war und ist ein Verkehrsunternehmen.

Huber sagt, er habe den Aufsichtsrat deswegen nicht informiert, weil Sie Druck auf ihn ausgeübt hätten.

Der heutige Vorstandsvorsitzende Christian Kern hat sich auf die Bahn als Verkehrsunternehmen konzentriert. Das war mit Huber nicht machbar. Er hat’s nicht verstanden und den Auftrag der alten Eigentümervertreter, die Immobilien rentabel zu bewirtschaften, in den Vordergrund gestellt. Der Schwerpunkt seiner Strategie war nicht das, was die Bahn gebraucht hat.

Die ÖBB übersiedelte damals in den Wienerberg-Tower. Wienerberg-Chef Reithofer war damals Aufsichtsratschef der Bahn. War das ein Zufall?

Das war eine der ersten Entscheidungen von Huber für die ÖBB im Immobilienbereich. Ob das ein Zufall war, müssen die damals Zuständigen beantworten.

Im Strafverfahren wegen des Terminal Tower in Linz ist Huber quasi der Kronzeuge gegen Sie.

Ich spreche jetzt in meiner Funktion als ehemaliger Porr-Vorstand. Ich weiß nicht, ob sich Huber als Zeuge angeboten hat oder wie es genau zu seinen Vernehmungen gekommen ist. Es gibt jedenfalls eine Vielzahl an Beweisergebnissen, die seinen Angaben widersprechen.

Was meinen Sie damit?

Hubers Erinnerungsvermögen bezüglich zurückliegender Sachverhalte erscheint mit etwas eingeschränkt. Das erkennt man an mehreren Punkten, die seine Glaubwürdigkeit massiv erschüttern, weil seine Angaben klar widerlegbar sind. Huber hat zum Beispiel im Verfahren um die Inseratenaffäre, das inzwischen eingestellt wurde, behauptet, der damalige Staatssekretär Ostermayer hätte in seiner und meiner Gegenwart sieben Millionen Euro für den Werner gefordert. Gemeint war Bundeskanzler Faymann. Das hat Ostermayer niemals gesagt. Oder ich hätte gesagt, dass der Immobilienunternehmer Plech für den Terminal Tower 700.000 Euro Provision bekommen sollte. Das ist ebenfalls nicht wahr. Plech und ich haben Huber wegen Verleumdung und falscher Beweisaussage angezeigt.

Dieses Verfahren wurde aber eingestellt.

Ich werde das nicht auf sich beruhen lassen, meine Anwälte werden das prüfen. Offenbar werden hier aber auch Tatsachen fehlinterpretiert. Festzuhalten ist, dass das Finanzministerium einen für diese Lage äußerst günstigen Mietpreis, wie uns auch einige Gutachten bestätigen, erhalten hat. Huber hat auch behauptet, ich sei beim Terminal Tower lückenlos informiert gewesen, was eine operative Tätigkeit implizieren würde. Auch dies entspricht nicht den tatsächlichen damaligen Gegebenheiten.

War die Abfertigung vielleicht Schweigegeld an Huber, damit er Sie beim Terminal Tower nicht belastet?

Das ist überhaupt die größte Chuzpe, die da medial verbreitet wurde. Das ist kompletter Unsinn.

Warum wurde aus Ihrer einstigen Freundschaft, als Sie Porr-Chef waren und Huber im Vorstand saß, eine derart tiefe Feindschaft?

Beides ist übertrieben. Wir waren bei der Porr per Sie. Als Huber 2004 das Angebot bekam, ÖBB-Chef zu werden, erklärte er mir: ,Ich kann Sie nicht umbringen und will Sie nicht umbringen. Aber ich muss ein Einser werden‘. Huber wirft mir bis heute vor, ich hätte ihn als meinen Nachfolger als Porr-Chef beim Aufsichtsrat verhindert. Was einfach nicht stimmt. 2007 bin ich ihm in die ÖBB als Aufsichtsratsvorsitzender nachgefolgt. Dann dauerte es nur noch einige Monate, bis das Präsidium seinen Vertrag auflösen musste. Beides, Porr und die Bahn, hat er mir nie verziehen.

Da klingt alles sehr emotional.

"Der falsche Mann für die Bahn"
Horst Pöchhacker, Ex-Vorstandsmitglied der Porr AG und seit 2007 Aufsichtsratsvorsitzender der ÖBB
Ich sehe das nüchtern, aber bei Huber sind Emotionen im Spiel. Dass ich als ÖBB-Aufsichtsratspräsident so ins Kreuzfeuer der Kritik geraten bin, hat mit persönlichen Interessen von Huber und Parteipolitik zu tun. Man wollte mich damit zum Rücktritt bewegen, das ist ein offenes Geheimnis. Huber wäre gerne Generaldirektor geblieben, keine Frage.

War er der falsche Mann für den Job?

Er war der richtige für Immobilien, aber der falsche für den Bahnbetrieb. Er hat auch Medien gegenüber in den Raum gestellt, Inserate der ÖBB einzustellen, wenn eine negative Berichterstattung über die Bahn oder ihn persönlich erfolgen sollte. Das hat das Verhältnis zwischen den ÖBB und den Medien erheblich belastet.

Die Staatsanwaltschaft wird in der Causa Terminal Tower Linz bald entscheiden, ob Anklage erhoben wird. Dem Baukonzern Porr und der Raiffeisenlandesbank OÖ wird vorgeworfen, für die Einmietung der Finanz in den Büroturm am Linzer Bahnhof Schmiergeld bezahlt zu haben. Unter den zahlreichen Beschuldigten sollen u. a. Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser, die Lobbyisten Peter Hochegger und Walter Meischberger, der Makler Ernst Karl Plech sowie der ehemalige RLB-Chef Ludwig Scharinger und Horst Pöchhacker in seiner Funktion als ehemaliger Porr-Chef sein. Der Vorwurf: Über Hochegger sollen 200.000 Euro "Vermittlungsprovision" an Meischberger, Plech und KHG geflossen sein. Für alle Beschuldigten gilt die Unschuldsvermutung. Martin Huber, einst ÖVP-nahe, war im Vorstand der Porr und sagte gegen seinen Ex-Chef Pöchhacker aus. 2004 wurde Huber von der schwarz-blauen Regierung als Chef der ÖBB installiert. 2007 wurde der SP-nahe Pöchhacker zum Aufsichtsratspräsidenten der Bahn bestellt, kurz darauf erfolgte Hubers Ablöse. Er erhielt 515.000 Euro "Abfertigung" und einen Beratervertrag über 306.000 Euro.

Im Schillerplatz-Prozess ging es heuer darum, ob Huber und seine Frau eine Immobilie zulasten der Telekom zu billig gekauft und mit hohem Gewinn weiterverkauft hatten. Die Hubers wurden freigesprochen, doch die Staatsanwaltschaft weitete die Anklage gegen Huber aus. Der Vorwurf: Er habe als ÖBB-Chef den Aufsichtsrat der Bahn nicht korrekt über seine Rolle in dem Immo-Deal informiert.

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