Pflegerinnen fordern Mindesthonorar

Die Rund-um-die-Uhr-Betreuung zu Hause ist ein stark wachsender Wirtschaftszweig.
Selbstständige Betreuerinnen wollen eigene Interessensvertretung in der Wirtschaftskammer.

Sie helfen anderen, haben aber selbst niemanden, der ihnen hilft: Die bereits knapp 70.000 selbstständigen Personenbetreuerinnen (siehe Grafik) wurden bisher von der Wirtschaftskammer (WKO) völlig links liegen gelassen. Dabei sind sie längst die mitgliederstärkste Berufsgruppe, fetten die jährliche Gründerbilanz auf, zahlen Abgaben und sind für das Pflegesystem längst unverzichtbar – nur zur eigenen Interessensvertretung hat es bisher nicht gereicht.

Pflegerinnen fordern Mindesthonorar
Paradoxerweise ordnete die WKO die großteils aus der Slowakei und Rumänien stammenden Pflegerinnen den Gewerblichen Dienstleistern zu. Diese Fachgruppe vertritt aber in erster Linie die Interessen der Agenturen, die die Betreuerinnen an Privathaushalte vermitteln. Ein klarer Interessenskonflikt, zumal viele Agenturen nicht nur vermitteln, sondern wie Arbeitgeber agieren.

Das soll sich jetzt ändern. Bei der kommenden Wirtschaftskammer-Wahl Ende Februar tritt mit der slowakischen Personenbetreuerin Eva Strýčková erstmals eine eigene Kandidatin für die Berufsgruppe an. Sie kandidiert für den Sozialdemokratischen Wirtschaftsverband (SWV) und will eine eigene, starke Interessensvertretung formieren, wie sie im KURIER-Gespräch verrät.

Pflegerinnen fordern Mindesthonorar
Pflegerin Eva Strychova
"Noch nie in der Geschichte hat sich jemals wer für uns eingesetzt", sagt Strýčková, die seit sechs Jahren als selbstständige Betreuerin in Österreich tätig ist – und selbst schon so einiges erlebt hat. So gebe es "Abkassierer" unter den Vermittlungsagenturen, die nicht nur für die einmalige Vermittlung an die Pflegeperson, sondern auch danach 500 bis 1000 Euro pro Jahr von den Pflegerinnen als Gebühr einbehalten. "Für nichts und wieder nichts", ärgert sich Strýčková. Ihre gemeinsam mit dem SWV postulierten, zentralen Forderungen sind:

Mindesthonorar Die Mindestsätze sollen dem Mindestgehalt für angestellte Pflegehilfskräfte, derzeit rund 1200 Euro pro Monat angeglichen werden. "Vielen Pflegerinnen bleibt weniger als 800 Euro im Monat übrig", weiß Strýčková. Am wenigsten erhalten Rumäninnen und Bulgarinnen. Bei der Arbeit in Privathaushalten sollte es Mindeststandards wie etwa angemessene Rückzugsorte für Ruhephasen geben.

Qualitätssicherung Derzeit gibt es viel Intransparenz etwa bei Qualifikationen, Vertragsgestaltung oder Entgeltverrechnung: "Es sollte einheitliche Standards geben, was eine Agentur tun darf und was nicht", fordert Strýčková.

Mehrsprachigkeit "Die österreichische Rechtslage ist für uns ein Buch mit sieben Siegeln", seufzt die Slowakin. Sie wünscht sich mehr Beratung und Hilfestellung bei Behördengängen und Formulare in mehreren Sprachen. Die Kammer könnte hier eine zentrale Anlaufstelle werden.

Mit Wahlprospekten auf Slowakisch und Mobilisierung via Facebook will Strýčková möglichst viele der rund 70.000 Betreuerinnen als Wählerinnen gewinnen. Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl rechnet nicht damit, dass die Wahlbeteiligung sehr hoch sein wird, weil es sich großteils ja um Wochenpendlerinnen handelt.

Der Markt der 24-Stunden-Betreuung ist im Vorjahr erneut stark gewachsen. Die Zahl der Gewerbeanmeldungen stieg im Jahresvergleich um 9570 auf knapp 70.000. Den größten Zuwachs gab es in Kärnten und der Steiermark. Nach Nationen gezählt kommen die meisten neuen Pflegerinnen aus Rumänien, Bulgarien und Ungarn. Die stärkste Gruppe sind mit 31.000 die Slowakinnen. Nur 2,4 Prozent der Gewerbetreibenden kommen aus Österreich, der Männeranteil liegt bei fünf Prozent.

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