Länger arbeiten: Klassenkampf in Österreich um die Pensionisten-Flat-Tax

Überschriften in Regierungsprogrammen schreiben sich leicht. „Arbeiten im Alter“ klingt grundvernünftig, spaltet allerdings die Koalition wie kein anderes Thema.
Der Zuverdienst für Pensionisten in der echten Alterspension (kein vorzeitiger Ruhestand) soll mit 25 Prozent endbesteuert werden. Eine Flat Tax für jene, die länger arbeiten. Die Deckelung sei noch zu klären, Inkrafttreten Anfang 2026, Evaluierung nach zwei Jahren.
Doch die Debatte ist stark ideologiegetrieben, die Gräben sind tief. Auf der einen Seite die ÖVP. Wirtschaftsbund- und Wirtschaftskammer-Chef Harald Mahrer hat sich in den Koalitionsverhandlungen dafür stark gemacht und beharrt darauf. Ein Umfaller wäre ein Gesichtsverlust für die ÖVP.
Umfragen im Frühjahr zeigten eine doch überraschend hohe Zustimmung der Österreicher von 84 Prozent. Drei Viertel der Befragten wollen bei einem Steuerzuckerl in der Pension nicht nur Enkerln beaufsichtigen, sondern länger jobben. 65 Prozent bis zehn Stunden in der Woche. 77 Prozent der Unternehmer wären bereit, Pensionisten zu beschäftigen.
Derzeit werden Pension und Zusatzverdienst zusammengelegt, der Steuertarif ergibt sich aus dem Gesamteinkommen. Was oft zu schmerzlichen Nachzahlungen führt.
Die linke Regierungsseite ist äußerst skeptisch. Die Arbeiterkammer war gleich dagegen, weder in der SPÖ noch in der Gewerkschaft finden sich begeisterte Befürworter. Der Haken für die Sozialdemokraten: Je höher das Einkommen, desto größer die Steuerersparnis (siehe Grafik). Da muss in Debatten der pensionierte Primararzt herhalten, der in seiner Privatpraxis üppig dazu verdient.
„Manager-Modell“
Die Chefin der Alterssicherungskommission, Christine Mayrhuber, hält die Flat Tax überhaupt für ein „Steuersparmodell für Manager, weder sozial- noch steuerpolitisch leistbar “.
Das war freilich ohnehin nie im Sinne der Erfinder. Wiewohl das Modell hauptsächlich für besser Qualifizierte interessant ist und nicht für Geringverdiener mit kleinen Pensionen. Die Gesamt-Einkünfte für die Steuerbremse sollten mit der Höchstbeitragsgrundlage gedeckelt werden, derzeit 6450 Euro monatlich. Der Rahmen ist der SPÖ jetzt aber zu hoch.
SPÖ-Finanzminister Markus Marterbauer schlug ein Bonus-Malus-System vor, hat aber eingelenkt und 300 Millionen Euro im Budget 2026 eingepreist, 470 Millionen für 2027. Das werde sicher nicht reichen, rechnet man in SPÖ-Kreisen und besteht darauf, das Modell solle nur für unselbstständig Erwerbstätige gelten. Derzeit sind 30.000 von ihnen sogenannte „Zuverdiener“. 15.000 Arbeitnehmer sind „Aufschieber“, sie gehen drei Jahre später in Pension, um den Bonus zu erhalten. Ideal für das reformbedürftige System.

Die ÖVP will die Steuererleichterung auch für Selbstständige und Landwirte. Denn viele Arbeitnehmer jobben für ihr Unternehmen mit Werkverträgen etc. weiter. Dann würde sich die Budgetplanung schon gar nicht ausgehen, befürchtet man in SPÖ-Kreisen.
Die große Sorge: Ein Flat-Tax-Modell könnte die Österreicher davon abhalten, später die Pension anzutreten. SPÖ-Sozialsprecher und Bau-Holz-Gewerkschafter Josef Muchitsch: „Wichtig ist, dass Personen, die ihre Pension aufschieben, um eine höhere Pension zu erreichen, im neuen Modell nicht schlechter gestellt werden als jene, die neben der vollen Pension ein weiteres Einkommen lukrieren, das steuerbegünstigt ist“. Eine Herausforderung für die rechnenden Experten.
Schwer tun sich auch die Neos. „Die Zuverdienstmöglichkeiten dürfen unsere Reformbestrebungen zur Anhebung des faktischen Pensionsantrittsalters nicht konterkarieren“. Man wolle nicht, dass Leute mit Teilpension oder Aufschieber „durch die Finger schauen und weniger haben als diejenigen, die steuerbegünstigt weiterarbeiten“, sagt Neos-Sozialsprecher Johannes Gasser.
"Mehr Steuereinnahmen"
Ingrid Korosec, die sich als Präsidentin des ÖVP-Seniorenbundes schon seit zehn Jahren für das Thema engagiert, sieht eine „Win-Win-Situation für Unternehmen, die Fachkräfte behalten könnten, Gesellschaft und die Betroffenen“. SPÖ und Neos müssten einlenken, „schließlich ist das vereinbart“.
Die Flat Tax würde im Budgt letztlich Mehreinnahmen bringen, die Pensionisten würden mehr verdienen und entsprechend mehr Geld ausgeben, Stichwort Mehrwertsteuer-Multiplikator. Das Modell würde sich "mittelfristig selbst finanzieren".
Eine Variante wäre nach deutschem Vorbild ein Steuerfreibetrag, die sogenannte „Aktivrente“, auf die sich die Bundesregierung diese Woche einigte. Wäre unbürokratisch und ginge sich zeitlich aus, hätte für die ÖVP aber keine Anreiz-Wirkung. Dass die Flat Tax noch mit Beginn 2026 kommt, ist mehr als fraglich. Letzte Chance sind jetzt wieder die Sozialpartner.

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