"Patchwork-Arbeit" gefährdet Sozialsystem

Schöne neue Arbeitswelt: Von einem Mini-Job zum nächsten
Ökonomen warnen: Die digitalisierte Arbeitswelt beschleunigt den Rückgang dauerhafter, sozial abgesicherter Arbeitsplätze. Ist die Festanstellung bald ein Auslaufmodell?

Bezahlt wird nicht mehr nach Stunden, sondern nach Auftrag ("Gig"), den Zuschlag erhält der bestbewertete Anbieter, statt dem Arbeitsrecht gelten die allgemeinen Geschäftsbedingungen der Plattform: Die sogenannte "Gig-Economy" ist weltweit auf dem Vormarsch. Internet-Plattformen wie Upwork, Clickwork, MyHammer oder Amazons Mechanical Turk vermitteln an eine große Anzahl von Personen ("Crowd") Tätigkeiten, die bisher "normale Arbeitsverhältnisse" waren. Die Palette reicht von Übersetzungen, Grafikdesign, Schreibarbeiten, Buchhaltung bis zur Programmierung.

18 Prozent der Österreicher haben laut Umfrage der Arbeiterkammer schon für eine solche Crowdworking-Plattform gearbeitet, die meisten davon im Nebenerwerb. Davon leben könnten die wenigsten, bestätigt Ursula Huws, Ökonomin an der britischen Universität Hertfordshire. Sie nahm Crowdworking in sieben EU-Ländern, darunter Österreich, unter die Lupe.

Ihr Befund: Die Praktiken der Online-Plattformen würden sich zunehmend auch auf andere Wirtschaftssektoren ausbreiten und dadurch zu "allgegenwärtigen Merkmalen" des Arbeitens werden. Als Beispiel nannte sie die Auslagerung von Büroarbeit an die "Crowd" oder Online-Bewertungen von Kunden, um Mitarbeiter "zu disziplinieren". Die Kombination aus mehreren Beschäftigungsformen – Huws nennt es "Patchwork-Arbeit" – sei auf dem Vormarsch. "Die Jungen treten in eine ganz andere Arbeitswelt ein als ihre Eltern", sagte Huws anlässlich der 10. Sozialstaatsenquette im Hauptverband.

Wer ist Arbeitnehmer?

Die Digitalisierung beschleunigt nicht nur die Verschiebung weg vom Angestelltenverhältnis hin zur atypischen Beschäftigung, auch der klassische, sozialrechtlich abgesicherte Arbeitnehmerbegriff gerät ins Wanken. "Wer ist in Zukunft eigentlich noch Arbeitnehmer?", fragte WIFO-Chef Christoph Badelt und fügte hinzu: "Wenn jemand von einem Mini-Einkommen zum nächsten hechelt, geht sich das für die Pension nicht aus." Badelt sieht in den neuen Arbeitsformen "eine der größten Herausforderungen für den Sozialstaat überhaupt."

Noch-Arbeitsminister Alois Stöger will die noch aus dem Industrie-Zeitalter stammenden Begriffe "Arbeitszeit" und "Arbeitsort" an die digitale Welt anpassen.

Mischformen nehmen zu

Hauptverbands-Chef Alexander Biach bestätigte, dass in Österreich zunehmend "Mischformen" zwischen selbstständiger und unselbstständiger Arbeit entstehen. So seien in Österreich knapp 65.000 Selbstständige (15 Prozent) auch angestellt und rund 100.000 Angestellte zusätzlich selbstständig tätig. Biach will daher die Mehrfachversicherungen reformieren.

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