Paris zieht Elektro-Autos den Stecker

Paris zieht Elektro-Autos den Stecker
Das mit viel Tamtam gestartete Autolib'-Carsharing - mit 4.000 Autos - steht nach sechs Jahren vor dem Aus.

"100% elektrisch": Unter diesem Motto flitzen jeden Tag tausende Carsharing-Autos durch Paris. Doch das Modell namens Autolib' könnte in wenigen Tagen Geschichte sein.

Das vor sechseinhalb Jahren mit viel Tamtam gestartete Vorzeigeprojekt zur Elektromobilität steht vor dem Aus. Wegen hoher Schulden und zahlreicher Nutzerbeschwerden wollen die Verantwortlichen in der französischen Hauptstadt am Donnerstag den Stecker ziehen.

Autolib' - das steht für Auto und "liberte", Freiheit. An 1.100 Stationen in Paris und in benachbarten Gemeinden stehen 4.000 Elektroautos bereit. Von einer "Revolution" für das durch Staus und Smog geplagte Paris sprach der frühere Bürgermeister Bertrand Delanoe zum Start Ende 2011.

Dreckig und verbeult

Doch das Freiheitsversprechen wurde nicht eingehalten. Verbeult und schmutzig seien die grauen Kleinwagen, klagen viele Nutzer. Zudem übernachteten zunehmend Obdachlose in den Fahrzeugen. Die Zahl der Abonnenten halbierte sich innerhalb von zwei Jahren auf geschätzte 150.000.

Autolib'-Betreiber forderte saftigen Zuschuss der Stadt

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Der Großindustrielle Vincent Bollore (l.) und die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo.

Darüber sah die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo lange hinweg. Zum Eklat kam es erst, als der Autolib'-Betreiber und Großindustrielle Vincent Bollore der Stadt eine saftige Rechnung präsentierte: 46 Mio. Euro solle die Stadt jährlich zuschießen, verlangte der zehntreichste Mann Frankreichs.

Denn wie nun herauskam, schiebt Autolib' einen Schuldenberg von fast 300 Mio. Euro vor sich her. Noch Anfang 2017 hatte die sozialistische Bürgermeisterin Hidalgo versichert, es gebe "keine Verluste". Nun will sie den bis 2023 laufenden Vertrag mit dem Großindustriellen beenden.

Die Bollore-Familie droht, die Autos sofort aus dem Verkehr zu ziehen. Damit würden viele Pariser über Nacht wieder zu Fußgängern oder Metro-Fahrern. Rund 20.000 Menschen haben eine Internet-Petition zur Rettung von Autolib' unterschrieben. Auch in den sozialen Netzwerken machen Pariser ihrer Wut Luft: Eine "Schande" sei das Aus für Autolib', klagt eine Frau aus einer Vorstadt. Sie weiß nicht, wie sie künftig zur Arbeit kommen soll.

Auch "Velib" überfordert

Ein einziges "Fiaskolib" sei das für die Stadt, ätzt ein Twitter-Nutzer. Denn auch bei dem zweiten städtischen Prestigeprojekt Velib mit seinen Leihfahrrädern heißt es seit dem Jahreswechsel nur noch: Pleiten, Pech und Pannen. Der neue Betreiber ist vor allem mit dem versprochenen Aufbau von Stationen für Elektrofahrräder heillos überfordert.

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Hidalgo verhandelt mit BMW und VW

Das Debakel könnte zur Chance für deutsche Carsharing-Anbieter werden. Bürgermeisterin Hidalgo verhandelt unter anderem mit BMW und Volkswagen über ein alternatives Leihauto-Modell - nach dem Vorbild von Car2Go und DriveNow in Deutschland. Auch die Opel-Mutter PSA ist im Rennen.

Frankreichs Umweltminister Nicolas Hulot findet die Entwicklung dennoch bedauerlich, schließlich seien Elektroautos die "Mobilität der Zukunft". Rund 6.300 Elektro-Ladesäulen sind durch Autolib' in Paris entstanden - so viele wie wohl nirgendwo anders in einer westeuropäischen Großstadt.

Das lautlose Fahren hat in jedem Fall eine Zukunft in Paris. Tausende nutzen schon jetzt Elektro-Scooter von zwei Anbietern. Und eine US-Firma will diese Woche ein ganz neues Verleihsystem starten: mit Elektro-Tretrollern.

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