Orbán könnte zum Bremsklotz für Österreichs Bahnindustrie werden
Die Ungarischen Staatsbahnen haben in den vergangenen Jahren viel investiert – bisher zur Freude des Standorts Österreich: „Die österreichische Bahnindustrie liefert nennenswert viel nach Ungarn“, sagt Manfred Reisner, Präsident des Verbands der Bahnindustrie. Doch dem könnte der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán ungewollt einen Strich durch die Rechnung machen.
Wenn die EU dem „bösen“ Orbán kein Geld mehr geben würde, dann wäre es damit vorbei, meint Reisner. Denn Ungarn stecke viel seiner EU-Gelder in Bahnstrecken und Fahrzeuge. Die EU hat erst kürzlich ein Strafverfahren wegen Rechtsstaatsverstößen gegen die ungarische Regierung eingeleitet, die Folgen sind noch offen.
Umsatzeinbruch
Die ungarischen Investitionen in die Bahnstrecken würden zwar teilweise an chinesische Auftragnehmer fließen, die Fahrzeuge würden aber aus der EU bezogen – zu einem beträchtlichen Teil aus Österreich. Ein Einbrechen des ungarischen Marktes würde die heimische Industrie stark spüren. Reisner erinnert an Polen: In dem Land, das als Musterbeispiel in Sachen Bahnausbau gilt, wurde ein Jahr lang weniger investiert als in den anderen – worauf der Umsatz der österreichischen Bahnindustrie in Polen prompt um 60 Prozent zurückging.
Ungarn zählt neben Polen, Tschechien und Slowenien zu den Ländern, die kräftig in die Bahn investieren, was nicht überall in der EU der Fall ist. In Slowenien und Italien ist die Infrastruktur laut Reisner traditionell wenig entwickelt. Zu den Schlusslichtern bei Investitionen gehöre allerdings auch Deutschland. Dort werde eisern gespart. Viele Jahre wurde nicht mehr als in Österreich investiert, und das, obwohl Deutschland etwas mehr als vier Mal so groß wie Österreich ist. „Deutschland sollte es sich leisten, in die Bahn zu investieren, da auch dort die Passagierzahlen steigen“, fordert Reisner.
Hohe Kosten
Wenig Freude hat die Bahnindustrie mit den Zulassungen von Lokomotiven und Waggons. „Wir brauchen europaweite und nationale Zulassungen für jedes Land“, beklagt Reisner eine zunehmende Verkomplizierung. Es sei kaum noch möglich, ein Fahrzeug in weniger als einem Jahr zuzulassen. Vor 20 Jahren habe das 14 Tage gedauert. Inzwischen habe sich eine wahre Zulassungsindustrie gebildet, es seien eigene Behörden entstanden, Gutachter nötig geworden und bis zu siebenstellige Beträge pro Zulassung fällig. „Ein Flugzeug kann heute leichter zugelassen werden als ein Güterwaggon“, so Reisner.
Fahrerlose Passagierzüge, wie sie derzeit in Frankreich diskutiert werden, seien keine Utopie, meint der Verbandschef: „Die Technik ist vorhanden.“ In Wien soll die U5 ab 2023 selbstständig unterwegs sein. Autonom fahrende Überlandzüge seien zwar etwas komplexer als U-Bahnen, dennoch sei die Herausforderung einfacher als im Straßenverkehr.
Die österreichische Bahnindustrie beschäftigt 9000 Mitarbeiter, setzt jährlich 3,1 Milliarden Euro um und ist beim Exportumsatz die Nummer fünf weltweit.
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