OPEC-Generalsekretär: "Rohöl bleibt ein wichtiger Energieträger"
Das Coronavirus führte in den vergangenen Wochen zu einem stark gesunkenen Ölpreis. Diese Woche tagten Vertreter der Organisation Erdölproduzierender Länder (OPEC) sowie verbündeter Staaten (OPEC-Plus-Gruppe) in Wien, um eine entsprechende Angebotsreduzierung zu erörtern. Im Vorfeld sprach OPEC-Generalsekretär Mohammed Barkindo mit dem KURIER über die Erdölproduktion und die damit verbundene Preisentwicklung sowie den Klimaschutz.
KURIER: In den 1970er Jahren kontrollierte die OPEC mehr als die Hälfte des weltweit geförderten Öls, heute sind es knapp 30 Prozent. Wie sehen Sie die zukünftige Entwicklung Ihrer Organisation?
Mohammed Barkindo: Die OPEC-Länder verfügen zusammen über etwa 80 Prozent der weltweit bekannten Ölreserven, das sind rund 1,2 Billionen Barrel. Diese enormen Ressourcen haben jahrzehntelang zum sozialen und wirtschaftlichen Fortschritt der Welt beigetragen und werden auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen. Wir nehmen diese Ressourcen und die Verantwortung für eine stabile und sichere Energieversorgung sehr ernst. Wir gehen davon aus, dass die OPEC bis 2040 rund 40 Prozent des Marktanteils kontrollieren wird.
Welche Bedeutung wird Rohöl als Energieträger in Zukunft haben?
Wir hören heute viel über die abnehmende Rolle des Öls, aber in der Tat stimmen die führenden Prognosen weitgehend darin überein, dass Rohöl ein wichtiger Energieträger bleiben und innerhalb der kommenden 20 Jahre rund 28 Prozent des weltweiten Energiebedarfs ausmachen wird, verglichen mit dem gegenwärtigen Anteil von 30 Prozent.
Wie beurteilen Sie die Förderung und Nutzung von Rohöl in Zeiten des Klimawandels sowie die Ablöse fossiler Energieträger durch Technologien, die erneuerbare Technologien nutzen?
Letzten Monat nutzte ich die Gelegenheit und lud einige der jungen Leute, die vor der OPEC-Zentrale demonstrierten, in mein Büro ein, um über das Klimaproblem zu sprechen. Die Gruppe reichte eine Petition ein. Wir trafen einander in der Bibliothek und diskutierten über ihre Standpunkte und jene der OPEC. Wir haben dabei festgestellt, dass wir viele Gemeinsamkeiten haben und in vielerlei Hinsicht auch das Gleiche wollen – nämlich eine bessere Welt für alle. Natürlich kann es auch Unstimmigkeiten geben, aber wichtig ist, dass wir gemeinsam darüber sprechen.
Die OPEC sowie die OPEC-Plus-Länder haben im Dezember in ihrer "Erklärung der Zusammenarbeit" neue Anpassungen der Ölförderung mit Wirkung bis März 2020 vereinbart. Was wird die OPEC als nächstes tun?
Ziel der Deklarationskooperation, an der die OPEC-Mitgliedstaaten und zehn Nicht-OPEC-Ölproduzenten beteiligt sind, ist es, eine ausgewogene und nachhaltige Ölversorgung für den Weltmarkt sicherzustellen. Diese 24 Länder haben zu Beginn des Jahres 2019 eine gemeinsame Anpassung ihrer Produktion um 1,2 Millionen Barrel pro Tag vereinbart. Bei unseren Treffen im Juli letzten Jahres in Wien haben wir beschlossen, diese Anpassungen bis Ende März 2020 zu verlängern. Unsere Prognosen deuteten auch auf ein mögliches Überangebot am Ölmarkt im ersten und zweiten Quartal 2020 hin. Infolgedessen einigten sich die Teilnehmer der Erklärung darauf, im ersten Quartal 2020 weitere Produktionsanpassungen von 500.000 Barrel pro Tag vorzunehmen. Darüber hinaus leisten mehrere Länder, wie Saudi-Arabien weiterhin freiwillig zusätzliche Beiträge, die zu einer Gesamtanpassung von mehr als 2,1 Millionen Barrel täglich führen.
Reduzierte Fördermengen sind nicht in allen Mitgliedsländern der OPEC-Plus-Gruppe leicht umsetzbar. Wie wird sich die OPEC verhalten?
Unsere Stärke liegt im gemeinsamen Engagement einer sehr unterschiedlichen Gruppe von Ländern, die an der Erhaltung eines stabilen und ausgewogenen Marktes interessiert ist. Es wäre verfrüht darüber zu spekulieren, was als nächstes passiert. Aber wir beobachten den Markt und entscheiden beim nächsten Ministertreffen darüber, ob weitere Schritte unternommen werden.
Ein wichtiger Partner für die OPEC ist Russland. Wie würden Sie diese Beziehung definieren?
Russland hat eine zentrale Rolle bei den von der OPEC initiierten Bestrebungen zur Wiederherstellung der Stabilität des globalen Ölmarktes gespielt. Tatsächlich sind sowohl Präsident Wladimir Putin als auch Energieminister Alexander Novak seit unserem ersten Zusammentreffen Ende 2016 starke Befürworter der Kooperationserklärung. Alle Länder, einschließlich Russland, setzen sich im Interesse von Produzenten, Verbrauchern und der Gesamtwirtschaft für einen ausgewogenen Markt und eine nachhaltige Stabilität ein. Die erfolgreiche Umsetzung der ministeriellen Entscheidungen beruht auf einer effektiven Kooperation.
Wie beurteilt die OPEC die Aktivitäten der US-Ölindustrie, insbesondere im Hinblick auf den Einsatz der Fracking-Technologie? Ist das aus Ihrer Sicht eine fragwürdige Entwicklung?
Wir schätzen die US-Industrie und ihre Führungsrolle bei der Entwicklung neuer Produkte und Technologien. Die USA waren Vorreiter bei der Schieferölproduktion, da sie die hydraulische Fracturing-Technologie eingesetzt haben. Die meisten Energieanalysten, einschließlich unserer eigenen, erwarten zunächst eine Erweiterung des überschaubaren Ölangebots in den USA, bevor es gegen Ende dieses Jahrzehnts seinen Höhepunkt erreichen wird. Im Moment sehen wir, dass einige der kleinen, unabhängigen Produzenten und zwar die diejenigen, die den Markt wirklich dominiert haben, nur sehr mühsam Kapital beschaffen konnten. Einige wenige Unternehmen mussten sogar Mitarbeiter entlassen oder stillgelegt werden. Weitere dieser Firmen konzentrieren sich mehr auf die Kapitalrendite als auf das Produktionswachstum zu konzentrieren. Außerhalb der USA birgt diese Art der Ölförderung zwar ein großes Potenzial, wir gehen jedoch davon aus, dass dieses relativ bescheiden bleibt.
Mohammed Sanusi Barkindo wurde 1960 in Nigeria geboren. Der verheiratete Familienvater studierte 1981 Politikwissenschaft, 1988 erwarb er das Diplom der Erdölwissenschaften an der Oxford University und 1991 den Master of Business Administration an der Washington University. Von 1993-2008 leitete Barkindo die Wirtschaftskommission der OPEC, 2009-2010 führte er den staatlichen nigerianischen Ölkonzern, 2016 wurde er OPEC-Chef.
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