Online-Handel kämpft mit der Paketflut

Die Zahl der Pakete aus dem Onlinehandel steigt rasant. Zusteller sind zunehmend überfordert, Kunden immer öfter verärgert.

Der Amazon Prime Day, der sich heuer in Österreich über 48 Stunden erstreckte und Prime-Kunden mit Schnäppchen lockte, wird in den kommenden Tagen ein bestehendes Problem verstärken: die Paketflut. Durch den wachsenden Onlinehandel werden mittlerweile so viele Pakete zugestellt, dass es vor allem in Ballungsräumen zu Konflikten kommt.

Viele Probleme

„Die Probleme sind mannigfaltig“, sagt Rainer Will, Geschäftsführer des Handelsverbandes. Die Zahl der Pakete steige rasant, auch würden sich immer mehr Fahrzeuge der Zusteller auf den Straßen tummeln, seien es jene der Österreichischen Post, von Hermes oder DPD. „Die Lieferwägen verstopfen immer öfter die Innenstädte, immer mehr Kunden werden verärgert“, sagt Will. Die Beschwerden über zu späte Lieferungen würden sich häufen, denn die Kunden hätten immer höhere Erwartungen.

Oft werde die Lieferung noch am Tag der Bestellung gewünscht, zusätzlich kosten solle das aber nichts. Was die Onlinehändler schmerzhaft lernen mussten: War die Zustellung nicht zufriedenstellend, bestellen nur 25 Prozent der Kunden wieder. War sie jedoch zufriedenstellend, so bestellen 60 Prozent der Kunden wieder. Es hat bei den Händlern also ein Umdenken gegeben, meint Will, nämlich dass die Zustellung einer der wichtigsten Teile des Onlinehandels ist.

Volle Müllcontainer

Noch schwerwiegender als die Kundensorgen sind aber die ökologischen Auswirkungen der Paketflut. „Das Verkaufsaufkommen steigt und die Verpackungen verteuern das Entsorgungssystem“, sagt Will. Die Altpapiercontainer seien mit bis zu 70 Prozent mit Versandkartonagen gefüllt.

All diese Probleme wären nicht nötig, denn Lösungen gäbe es genug. „Die Logistik muss als wichtiges Bindeglied zu allen Akteuren verstanden werden“, sagt Will. Um die steigende Zahl an Paketen bewältigen zu können, wird über den Ausbau von Social Delivery – wenn Privatpersonen Pakete auf ihren alltäglichen Wegen mitnehmen –, den Einsatz von Drohnen und Distributionszentren diskutiert.

Auch künstliche Intelligenz, wie kleine Roboter oder selbstfahrende Fahrzeuge sind im Gespräch. Österreich sei in dieser Beziehung auf der „letzten Meile“ – also den letzten Metern der Zustellung zum Konsumenten – recht innovativ. Es kämen unter anderem Fahrräder, E-Bikes und E-Autos zum Einsatz.

Keine optimale Lösung

Dennoch gibt es für die letzte Meile noch immer nicht die optimale Lösung, meint Wolfgang Richter, Geschäftsführer des Standortberatungsunternehmens Regioplan. Es gebe Ansätze beim Ausbau von Paketabholboxen mit Codes und Tests mit Drohnen, doch seien hier noch nicht die gewünschten Ergebnisse erzielt worden. Er glaubt, dass es in Städten Verteilerzentren geben wird, die von verschiedenen Lieferanten beliefert werden. Einzelne Kleinlogistikunternehmen würden dann die Pakete direkt zu den Adressaten bringen. „Derzeit gibt es noch viele Diskussionen, in den kommenden zwei Jahren wird hier aber ein Durchbruch kommen“, glaubt Richter.

Sind in den Ballungsräumen die verstopften Straßen das Hauptproblem, so sind es am Land die weiten Strecken, sagt der Experte. Doch dort könnten in Zukunft aufgelassene aber verkehrsgünstig gelegene Einzelhandelsflächen, wie an Kreisverkehren, als Verteilzentrum genutzt werden.

Das Wachstum bei Paketen wird sich fortsetzen, die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. 2018 wurden in Österreich 122,7 Millionen Pakete an Privatkunden geliefert, ein Plus von 16 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Rechnet man die Pakete für Geschäftskunden dazu, waren es 227,7 Millionen Pakete. Kleinpakete, wie Handycover und ähnliches, die als Briefe verschickt werden, sind da noch gar nicht mitgezählt. Ein Ende des Wachstums ist noch nicht in Sicht.

Stachel in der Wunde

Ein Großteil des Geschäfts geht jedoch ins Ausland. „Und das ist ein Stachel in unserer Wunde“, sagt Roman Seeliger, Vize-Geschäftsführer der Sparte Handel in der Wirtschaftskammer Österreich. Die Steuern würden im Ausland bezahlt und seien dort meist niedriger als hierzulande. Er erkennt einen Trend, der sich zu Ungunsten Österreichs entwickelt: Früher war das Verhältnis der Umsätze im Onlinehandel 50:50 auf Österreich und das Ausland verteilt. Mittlerweile werden aber 55 Prozent der Online-Umsätze im Ausland getätigt und nur noch 45 im Inland.

In Österreich werden pro Jahr Waren im Wert von sieben Milliarden Euro online bestellt. Das sind 9,5 Prozent des Umsatzes des gesamten Einzelhandels. Beim Einkauf auf ausländischen Internetplattformen liegt Österreich hinter Luxemburg und Malta auf Platz drei.

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