Online-Handel: Das totale Preis-Durcheinander
Welchen Preis bist zu bereit zu zahlen? Zuerst wird der "gläserne Kunde" geschaffen, dann werden die Preise nach Nutzerprofil und Einkaufsverhalten optimiert. Grundlage dafür sind Daten-Spuren, die ein Kunde im Netz hinterlässt: Die Literatur, die er häufig kauft, den Shop, den er oft besucht, das Restaurant, in dem er online Plätze reserviert, Beziehungen, die er via Facebook pflegt oder die Straße, in der er wohnt. "Dynamic Pricing" nennt sich die Technologie. Sie hat das Prinzip des Festpreises endgültig abgeschafft und passt Preise von Fall zu Fall automatisch an – sekundenschnell.
Was wie Zukunftsmusik klingt, ist längst Realität. "Händler müssen zwar angeben, ob sie Analysetools wie etwa Google Analytics verwenden, in welcher Form sie dies tun, jedoch nicht", sagt Thorsten Behrens, zuständig für das österreichische E-Commerce-Gütezeichen. Bekannt ist, dass große Internet-Händler wie Amazon, die viel über ihre Kunden wissen, die Preise bei wettbewerbsintensiven Produkten im Schnitt alle zehn Minuten verändern. Der deutsche Otto-Versand zieht nach: "Wir können die Preise stündlich ändern, je nach Wetter, Nachfrage oder Lagerbestand, ganz automatisch", erzählt Harald Gutschi, Geschäftsführer der Unito-Gruppe (Otto, Universal, Quelle) in Österreich stolz. Ist es kalt, kostet der Daunenmantel mehr, bei Tauwetter weniger. Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis – wie an der Börse.
iPhone-Effekt
Einige Web-Händler gehen einen Schritt weiter und haben unterschiedliche Preise, je nachdem mit welchem Endgerät bestellt wird. Verbraucherschützer in Deutschland fanden bei einem Test von zehn Online-Händlern heraus, dass Bestellungen per Smartphone teurer waren als am PC. "Beim Handy schaut man nicht so genau hin. Da geht alles schneller und man ist nicht so konzentriert", sagt Behrens und hat auch schon von einem "iPhone-Effekt" gehört. Wer mit dem Apple-Gerät bestelle, gelte als kaufkräftiger als andere. Erlaubt sei diese Diskriminierung nicht, so Behrens, aber sie sei schwer nachzuweisen. Dass Preise sich ständig ändern, sei erlaubt, der angegebene müsse aber auch der verrechnete Preis sein.
Neu ist die dynamische Preisgestaltung nicht. Schon Anfang der 1980er-Jahre veränderten US-Fluglinien erstmals die Preise abhängig von der Anzahl freier Sitzplätze. Es folgten Hotelketten oder Tankstellen. Aber erst der eCommerce trieb mittels ausgeklügelter Datensammel- und -analyse-Software das System an die Spitze.
Digitale Preisschilder
Durch die Verwendung digitaler Preisschilder erreicht das Thema jetzt den stationären Handel. Große Ketten wie MediaMarkt beginnen damit, online und stationär Preise laufend zu optimieren. Die Lebensmittelhändler Spar und Rewe testen ebenfalls digitale Preisschilder. Konsumentenschützer fürchten, dass die Kunden durch Flatterpreise jegliches Preisgefühl verlieren und Preisvergleiche dadurch kaum noch möglich sind. "Händler versuchen das Optimum herauszuholen, damit sie im Preiswettbewerb auch etwas verdienen", meint Behrens und ist "gespannt, wie sich das Thema weiterentwickeln wird". Derzeit erfolge noch vieles im Graubereich.
René Tritscher, Geschäftsführer der Sparte Handel in der Wirtschaftskammer (WKO) sieht Dynamic Pricing als großes Zukunftsthema, hält die Sorgen von Konsumentenschützern aber für übertrieben: "Ich sehe da kein großes Schutzbedürfnis. Es liegt sicher nicht im Interesse des Händlers, mit 15 Preisänderungen am Tag seine Kunden zu verwirren." Die automatische Preisanpassung erspare den stationären Händlern auch viel Aufwand.
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