Online-Händler entdecken die reale Welt

Cyberport sperrt kommende Woche in Wien seine zweite Filiale auf.
Elektronikhändler Cyberport expandiert in Österreich. Auch Amazon und Zalando könnten bald eigene Shops haben.

Online allein macht offenbar auch nicht glücklich. In den vergangenen Jahren lehrten Internet-Elektronikhändler die stationären Geschäfte das Fürchten. Ihre Trümpfe: große Auswahl, niedrigster Preis und rasche Heim-Zustellung. In einer Sache zogen sie aber immer schon den Kürzeren: Bei der unmittelbaren Verfügbarkeit der Ware.

Online-Händler entdecken die reale Welt
Interview mit dem "Cyberport"-Geschäftsführer Jeremy Glück. Kommende Woche eröffnet der deutsche Elektronihändler seine 15. Filiale im Shoppingcenter Citygate in Wien-Donaustadt. Wien, 16.02.2015
"Technik wird immer mehr zum Lifestyleobjekt. Es besteht bei vielen Kunden ein großes Bedürfnis, die Geräte vorher anzufassen, auszuprobieren oder auch die Farbe des Produktes live zu sehen", sagt Jeremy Glück, Geschäftsführer von Cyberport dem KURIER. Der drittgrößte deutsche Elektronik-Multichannel-Händler hinter Mediamarkt/Saturn und Amazon startete im Internet und baute in den vergangenen Jahren sukzessive sein eigenes Filialnetz auf.

Neueröffnung

Kommende Woche sperrt im neuen Wiener Shoppingcenter Citygate das 15. Geschäft auf – kein bloßer Abholshop, sondern eine richtige Filiale mit 3500 lagernden Elektronik-Produkten von Notebooks, TV-Geräten bis zu Waschmaschinen. Es ist bereits der zweite in Wien, weitere sollen folgen. Im Visier sind vor allem Linz, Salzburg und Innsbruck.

Nach den Pleiten von Niedermeyer und DiTech sei die Handelslandschaft ausgedünnt, sieht Gerhard Poppenberger, Österreich-Chef von Cyberport, wieder Potenzial. Dass DiTech just mit einem Online-Offline-Konzept Schiffbruch erlitt, habe das Unternehmen selbst zu verantworten, meint Poppenberger: "Die sind auf Teufel-komm-raus gewachsen, das kann nicht gut gehen. Wir haben für 15 eigene Stores immerhin 15 Jahre gebraucht".

Der Offline-Handel bringe Cyberport neue Kunden und zusätzliche Umsätze, betont Glück, "und er ist auch Treiber für das Online-Geschäft". Immerhin 80 Prozent aller Konsumenten würden lieber stationär als im Internet einkaufen.

Diese Erkenntnis führt dazu, dass immer mehr Anbieter ihr Online- und Offline-Geschäft verzahnen. In Deutschland hat laut EHI Retail Institut bereits jeder zweite der größten 1000 Online-Händler auch Läden vor Ort, 2011 war es nur ein knappes Drittel. Auch in Österreich sperrten Onliner wie e-tec oder electronic4you Shops auf. "Die Menschen wollen abhängig vom Produkt und der Situation entscheiden, ob sie ins Geschäft gehen oder online bestellen", sagt EHI-Experte Michael Gerling.

Outlet

Er glaubt, dass demnächst auch der deutsche Modehändler Zalando eigene Filialen aufmacht oder gar eine ganze Kette aufkauft. Schon jetzt betreibt der Online-Riese zwei Outlet-Center mit Restposten in Berlin und Frankfurt. Zalando gibt an, derzeit keine weiteren Pläne im stationären Bereich zu verfolgen. Im reinen Online-Geschäft gab es bisher jedoch nur Verluste.

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"Cyberport"-Filiale am Wiener Westbahnhof am 16.02.2015.
In den Startlöchern scharrt auch der US-Internet-Händler Amazon. Mediengerüchte, wonach schon vor Weihnachten der erste Amazon-Shop in New York eröffnet, erwiesen sich als nicht ganz richtig. Es handelte sich nur um ein Lagerhaus. Dass Amazon ähnlich wie Apple stationäre Flächen nutzen wird, um eigene Geräte wie Kindle-Tablets oder die Fernsehbox Fire TV zu demonstrieren, gilt jedoch als sehr wahrscheinlich. Cyberport-Chef Glück hat bereits darauf gewettet, dass sich der Internet-Pionier bald in der realen Welt niederlässt.

Cyberport: Technik-Händler aus Dresden

Cyberport wurde 1999 in Dresden als Online-Shop für Apple-Macintosh-Computer gegründet und entwickelte sich zu einem der größten Internet-Händler für Hardware in Deutschland. Schwerpunkt im 40.000 Produkte umfassenden Sortiment sind nach wie vor Apple-Produkte, Notebooks, Tablets und Smartphones. Relativ neu sind TV-Geräte, digitale Fotografie und Haushaltsgeräte.

Hinter Cyberport steht das deutsche Medienhaus Burda, das sich im Jahr 2000 mehrheitlich beteiligt hat. Im Vorjahr stieg der Umsatz um rund elf Prozent auf 605 Millionen Euro. Das Unternehmen hat derzeit 15 eigene Filialen (2 in Wien) und beschäftigt 640 Mitarbeiter, davon 36 in Österreich. Die Lieferungen kommen vom zentralen Logistikcenter in Siebenlehn bei Dresden.

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