Online-Einkauf: Software optimiert Preise für Händler

Nix is' fix: Flatterpreise ersetzen Fixpreis.
Händler setzen auf Software, die Preise im Web ständig beobachtet und sekundenschnell und vollautomatisch anpasst.

Es war einmal – der feste Preis. Wer heute im Internet einkauft, ist damit konfrontiert, dass sich Preise binnen kürzester Zeit ändern und immer mehr Parameter für die Preisbildung herangezogen werden. Das Verhalten der Kunden – wann und wie oft sie auf einer Webseite sind – kann den Preis ebenso lenken wie der Standort, das Wetter, der Vertriebskanal, das jeweilige Endgerät und natürlich der Wettbewerb.

Allein bei Amazon werden bis zu drei Milliarden Mal täglich Preise angepasst. Mehrmalige Preiswechsel am Tag sind bei manchen Produkten keine Seltenheit – insbesondere jetzt in der Weihnachtszeit. Manches ist etwa in der Früh billiger, dafür am Abend wieder teurer.

Händler, die via Amazon oder eBay ihre Waren verkaufen, sind gezwungen, permanent die Konkurrenz zu beobachten und ihre Preise anzupassen. Diese Arbeit muss aber nicht mehr per Hand selbst gemacht werden, eine Software erledigt die Preisfeilscherei vollautomatisch.

Repricing

So genannte "Repricing"-Software spürt die Preise der Mitbewerber auf und verändert in Echtzeit die Preise nach oben oder nach unten. "Im Internet können sich die Preise wie an der Börse im Minutentakt ändern. Händisches Anpassen ist da praktisch nicht mehr möglich", erläutert Michael Näther, Gründer und Geschäftsführer der logicsale AG, größter Anbieter von Preisoptimierungs-Software im deutschsprachigen Raum. Nach wie vor sei der Preis die wichtigste Kaufentscheidung beim Kunden. Für Händler sei es wichtig, in die begehrte "Buy Box" (vorselektierter Einkaufskorb) zu kommen. Wer hier nicht unter den Top-5-Anbietern sei, werde vom Kunden nicht mehr wahrgenommen, weiß Näther.

Online-Einkauf: Software optimiert Preise für Händler
Logicsale-Gründer Näther und Krisch
Wird durch automatisches Repricing nicht eine Preisspirale nach unten losgetreten? "Diese Bedenken hören wir immer wieder", sagt Näther. Es stimme schon, grundsätzlich gehe die Tendenz nach unten. Die Händler möchten aber profitabel arbeiten. Sie können daher bestimmte "Preisdumper" bei der Optimierung bewusst ausschließen, um den Preisverfall ihrer Ware zu stoppen oder den Preis selbst nach oben zu optimieren. Bei der Empfehlungsliste zählt nicht immer nur der Preis, sondern auch andere Kriterien wie Versandspesen oder Kundenbewertung.

"Ohne Repricing-Tool kann man im heutigen Online-Geschäft kaum mehr überleben", ist logicsale-Mitgründer Michael Kirsch überzeugt. Der Online-Markt sei bereits so sehr von Preisanpassungs-Software durchdrungen, dass man ohne sie gar nicht mehr mitbekomme, wann sich welcher Preis ändert. Kein Wunder, dass Repricing-Anbieter wie Pilze aus dem Boden schießen. Die 2009 gegründete logicsale AG mit Sitz in Köln zählt aktuell rund 2000 Händler im deutschsprachigen Raum zu ihren Kunden.

Datensammler

Freilich sind Repricing-Tools nur so gut wie die Daten, die sie abgreifen können. Hier gibt es auch Hürden. Manche Preisvergleichsportale wie geizhals.at sehen die Preisoptimierer kritisch, schließlich greifen sie in ihr Geschäftsmodell ein. Eine automatische Auslesung ihrer Daten lassen daher nicht alle Portale zu. Die von den Anbietern versprochenen Mehrumsätze für Händler, die Repricing-Tools einsetzen, sind daher mit Vorsicht zu genießen.

Was bei Amazon oder eBay längst üblich ist, wird schon bald auch außerhalb der Online-Welt eingesetzt werden, sind die logicsale-Gründer überzeugt. Viele stationäre Händler sind längst auch im Internet vertreten und somit der dynamischen Preisgestaltung quasi ausgeliefert. Der Elektronikhändler MediaMarkt stellt seine Filialen bereits auf digitale Preisschilder um, um rascher auf Schwankungen reagieren zu können. Das Problem: Die Kosten sind stationär durch Mieten und Personal viel höher als online, es kann also nicht derselbe Preis angeboten werden. Was tun? Kirsch: "Produkte werden dann oft mit anderen Labels versehen, um sie nicht mehr vergleichen zu können."

Eine Mitfahrgelegenheit bei Uber kann bei Regen acht Mal so viel kosten wie bei Sonnenschein; Apple-Nutzer zahlen bei Flugbuchungs- oder Hotelportalen oft mehr als Windows-Nutzer; der mehrmalige Aufruf einer Seite kann den Preis der Ware nach oben treiben: Drei Beispiele für dynamische und individuelle Preisbildung, die von Algorithmen vollautomatisch erledigt wird. „Wer online shoppt, könnte in Zukunft starke Nerven brauchen“, sagt Daniela Zimmer, Konsumentenschützerin der Arbeiterkammer (AK). Laut einer AK-Studie zum Thema „Dynamic Pricing“ werden die Einflussfaktoren auf Internetpreise immer vielfältiger – und intransparenter. Die AK hat Tipps zusammengestellt, wie Konsumenten Flatterpreise austricksen können:

Flexibel sein Es lohnt sich, unterschiedliche Preisportale mit unterschiedlichen Geräten (PC, Smartphone) zu unterschiedlichen Tageszeiten abzurufen. Abwarten kann sich auszahlen.

Preise beobachten Auf Preisvergleichsportalen sollten die Preise unterschiedlicher Shops über einen längeren Zeitraum beobachtet werden, um eine Tendenz ablesen können.

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Die AK fordert generell einen besseren Schutz vor der Irreführung von Konsumenten. So sollten Händler verpflichtend informieren müssen, ob Mechanismen der personalisierten Preisbildung verwendet werden.

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