OMV und Adnoc formen 60 Milliarden Dollar schweren Chemiegiganten

Zusammenfassung
- OMV und Adnoc fusionieren Borealis und Borouge zu Borouge Group International, einem 60 Mrd. Dollar schweren Chemiegiganten.
- Die OMV wird etwa 46,9% der Anteile halten und erwartet eine jährliche Dividende von 1 Mrd. Dollar.
- Der Hauptsitz des neuen Unternehmens wird in Wien sein, zunächst wird die Gruppe in Abu Dhabi, ab 2027 auch an der Wiener Börse gelistet sein.
Mehr als eineinhalb Jahre wurde verhandelt, der Deal stand auch bereits mehrmals auf der Kippe. In der Nacht auf Montag wurde schließlich der Vollzug gemeldet. Die OMV und ihr Großaktionär Adnoc aus Abu Dhabi haben sich auf den Zusammenschluss ihrer Petrochemietöchter Borealis und Borouge zur Borouge Group International geeinigt.
Beschlossen wurde auch der Kauf der kanadischen Nova Chemicals, die seit 2009 dem Staatsfonds von Abu Dhabi gehört. Der Kaufpreis wird mit 9,4 Mrd. Euro angegeben. Gemeinsam mit Nova Chemicals will man zu dem neuen Chemie-Giganten zusammen gehen. Der KURIER beantwortet die wichtigsten Fragen zu dem Zusammenschluss.
Wie groß ist der neue Chemieriese?
Die Borouge Group International soll 60 Mrd. Dollar (57,3 Mrd. Euro) wert sein. Ihren Hauptsitz wird die Gruppe in Wien und ihren steuerlichen Sitz in Österreich haben. Sie wird damit auch das größte Industrieunternehmen des Landes sein.
Was macht die Borouge Group International?
Der Chemieriese ist auf Polylefin-Lösungen spezialisiert und wird nach Produktionskapaziäten auch der viertgrößte Polylefin-Hersteller der Welt sein. Polyolefine sind thermoplastische Kunststoffe mit vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten, die von Schläuchen über Verpackungen und Folien bis hin zu Gehäusen von Haushalts- und Elektronikgeräten reichen. In dem Geschäft konkurriert man unter anderem mit den US-Konzernen Exxon Mobil und Dow Chemical und der chinesischen Sinopec.
Wie viele Anteile wird die OMV halten?
Die OMV wird ebenso wie Adnoc zunächst 46,9 Prozent an der Gruppe halten. Der Rest befindet sich im Streubesitz. Geplant ist eine Kapitalerhöhung. Sie soll 4 Mrd. Dollar bringen. Daraus soll der mehr als 9 Mrd. Euro schwere Zukauf von Nova Chemicals mitfinanziert werden. Die Anteile von OMV und Adnoc, die an der Kapitalerhöhung voraussichtlich nicht teilnehmen, werden sich dadurch geringfügig reduzieren. Stern spricht von einer "nur leichten Verwässerung der bestehenden Anteile in der Größenordnung von drei Prozent". "Auch nach Eigenkapitaleinbringung werden OMV und Adnoc mehr als 43 Prozent des neuen Unternehmens halten", sagt der OMV-Chef.
Wer hat in dem Unternehmen das Sagen?
Der Vorstand soll von beiden Partnern einstimmig bestellt werden. Sie werden bei strategischen Fragen die gleichen Entscheidungsrechte haben. Der Aufsichtsrat wird aus jeweils 5 Vertretern der beiden Partner und möglicherweise 5 Arbeitnehmervertretern bestehen. Adnoc darf den Aufsichtsratsvorsitzenden ernennen. Entscheidungen werden mit einfacher Mehrheit getroffen.
Was verspricht sich die OMV von dem Joint Venture?
Die OMV verspricht sich dadurch Zugang zu Rohstoffen. Derzeit habe man 60 Prozent der Polyolefin-Produktion in Europa, sagte Stern. Die Rohstoffkosten seien fünfmal so hoch wie im Nahen Osten oder Nordamerika. Künftige werde man 70 Prozent der Produktion in diesen Regionen haben. Das Joint Venture bringe auch Zugang zu den am schnellsten wachsenden Märkten in Europa, den USA, dem Nahen Osten und Asien.
Was kostet der Deal der OMV?
Da die OMV und Adnoc unterschiedliche Anteile an Borealis und Borouge halten, wird die OMV 1,6 Mrd. Euro an zusätzlichem Eigenkapital in den neuen Konzern einbringen, um auf Augenhöhe mit dem Partner aus Abu Dhabi zu kommen.

Was bringt der Deal dem Unternehmen?
OMV-CEO Stern spricht von einer Mrd. Dollar Dividende, die sich entsprechend der Unternehmensanteile von knapp 47 Prozent aus der garantierten Mindestdividende der Borouge Group International von 2,2 Mrd. Dollar berechnet. Sie soll direkt an die OMV gehen und die Dividende von Borealis ersetzen. Die Mindestdividende soll auch nach der Kapitalerhöhung unverändert bestehen bleiben.
Wann wird der Deal abgeschlossen sein?
Stern geht davon aus, dass der Deal vorbehaltlich behördlicher Genehmigungen im ersten Quartal 2026 abgeschlossen sein wird.
Warum haben die Verhandlungen über die Transaktion so lange gedauert?
Das sei der Komplexität der Transaktion und ihrer hohen Bedeutung geschuldet, sagte Finanzchef Florey. Auf die Verhandlungen ausgewirkt haben sich laut Florey auch die “Volatilität der geopolitischen Situation und der Märkte”.
Wie wirkt sich der Zusammenschluss auf den Standort Österreich aus?
Die Zentrale des neuen Konzerns wird in Wien angesiedelt sein. Forschung und Entwicklung werde weiterhin in den Innovationszentren in Österreich, darunter die International Innovation Headquarters in Linz, aber auch an weiteren Standorten in Europa und Abu Dhabi verankert bleiben, sagte Stern.
Was genau der Zusammenschluss für die Arbeitsplätze von Borealis in Österreich bedeute, sei noch nicht abschätzbar, sagte Stern. Dazu müsse man erst Arbeitsabläufe beurteilen. Die Borealis-Standorte bleiben jedenfalls erhalten. Stern spricht jedenfalls von "signifikanten Wachstumsmöglichkeiten" auch für die Beschäftigten.
Das Chemieunternehmen beschäftigt insgesamt rund 6.000 Mitarbeiter. Hierzulande dürften es deutlich mehr als 1.000 sein, 300 davon am Hauptsitz in Wien und 500 im internationalen Forschungs- und Entwicklungszentrum in Linz. Dazu kommen Standorte in Schwechat und die ehemalige Ecoplast Kunststoff-Recycling Gmbh in Wildon.
An welcher Börse wird die Borouge Group International gelistet sein?
Zunächst wird der neue Chemieriese an der Börse in Abu Dhabi gelistet sein. Ab 2027 bestehe auch die Gelegenheit für eine Zweitlistung an der Wiener Börse, sagte OMV-Finanzchef Reinhard Florey.
Wie reagieren die Anleger?
Die Beteiligung sei eine „sinnvolle Zukunftsinvestition“, zumal Borouge den asiatischen Markt in den kommenden Jahrzehnten dominieren dürfte, sagte Florian Beckermann, Vorstands des Interessenverbands der Anleger (IVA). Ob der Kauf der Nova Chemicals den Deal „unverhältnismäßig verteuert“, sei zu prüfen.
Die Aktien der OMV zogen am Dienstag an der Wiener Börse zeitweise um bis zu 3,5 Prozent an, gaben dann aber wieder nach und notierten am Nachmittag mit einem Plus von knapp einem Prozent bei 42,68 Euro.
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