OMV-Russen-Deal: Sicherheitsrisiko Putin

Die OMV steht mehrfach auf der ACI-Geheimliste über Österreichs kritische und hoch sensible Infrastruktur.

Die Liste wird gehütet wie ein Staatsgeheimnis. 400 Unternehmen bzw. Versorgungseinrichtungen sind im ACI-Papier (Austrian Critical Infrastructure) aufgelistet. Dabei geht es um den Schutz strategisch wichtiger, kritischer Infrastrukturen. Die für die öffentliche Daseinsvorsorge von essenzieller Bedeutung sind. Und deren Störung oder Vernichtung schwerwiegende Auswirkungen auf die Bevölkerung und den Staat hätte.

Die Initiative dazu ging von der EU aus. Nach dem Terroranschlag von Madrid 2004 stellte sich heraus, dass den Mitgliedsstaaten die Verletzlichkeit ihrer Infrastruktur zu wenig bewusst war. Ein Anschlag beispielsweise auf das Elektrizitäts-Hochspannungsnetz würde große Teile der Stromversorgung in Österreich zusammenbrechen lassen. Die Folgen eines längerfristigen Ausfalls wären unabsehbar.

2008 beschloss die Regierung auf Basis einer EU-Richtlinie einen nationalen Masterplan zum besseren Schutz dieser kritischen Infrastruktur. Experten in Bundeskanzleramt und Innenministerium definierten gemeinsam mit den Bundesländern und den anderen Ministerien 400 besonders sensible Anlagen und Unternehmen.

Aus der politisch heiklen Frage, ob diese potenziell hoch gefährdeten Einheiten dann auch besser im öffentlichen Eigentum stehen sollten, hält sich die EU freilich heraus. Diese ideologische Diskussion überlässt Brüssel lieber den Mitgliedsstaaten.

Auf der Geheim-Liste, die dem KURIER in Auszügen vorliegt, ist der Öl- und Gaskonzern OMV mehrfach angeführt. Was den Kritikern und Gegnern des geplanten Deals mit dem staatlichen russischen Energie-Riesen Gazprom zusätzliche Argumentationshilfe liefert. Sie befürchten, dass Russlands Präsident Wladimir Putin maßgeblichen Einfluss auf wichtige österreichische Infrastruktur bekäme.

Neben der OMV als Unternehmen sind auf der ACI-Liste noch angeführt:

Die Melamine und die Polyolefine GmbH der Borealis, dem größten heimischen Chemieunternehmen. Die OMV hält 36 Prozent, der Staatsfonds von Abu Dhabi (IPIC) 64 Prozent.

OMV-Russen-Deal: Sicherheitsrisiko Putin
Austrian energy group OMV's refinery is pictured in Schwechat in this February 20, 2013 file photo. With its ambitious expansion plans in doubt and top management in flux, oil and gas group OMV is struggling to persuade investors that Austria's biggest company can master increasingly difficult markets. Chief Executive Gerhard Roiss is leaving nearly two years ahead of schedule in June 2015, followed by Chairman Rudolf Kemler in October. With no successors yet named, investors believe decision-making at OMV has ground to a halt just as energy prices plunge due to a global glut. Picture taken February 20, 2013. REUTERS/Heinz-Peter Bader/Files (AUSTRIA - Tags: ENERGY BUSINESS)
OMV Refining & Marketing GmbH(100 Prozent), der Betrieb der Raffinerie und des Tankstellennetzes.

Transalpine Ölleitung (TAL) in Österreich, an der die OMV neben anderen europäischen Ölkonzernen 25 Prozent hält.

Adria Wien Pipeline (AWP), eine hundertprozentige OMV-Tochter.

Gas Connect Austria, ebenfalls eine hundertprozentige Tochter und die Gas-Hauptschlagader Österreichs. Die OMV ist derzeit dabei, 49 Prozent zu verkaufen.

Sowie die Erdöl-Lagergesellschaft mbH, das Notreserven-Lager im steirischen Lannach. Die OMV hält 55,6 Prozent, den Rest teilen sich wiederum europäische Player.

Aus sicherheitspolitischer Sicht stufen die Experten sogenannte "Engpass-Server" wie die Raffinerie Schwechat, die TAL und die AWP für den Rohöltransport nach Österreich und Deutschland, die Gas Connect Austria sowie die Erdöllagergesellschaft als "systemkritisch" ein. Noch zu prüfen wäre die OMV-Raffinerie im deutschen Burghausen.

In der SPÖ lebt wegen des bevorstehenden Russen-Deals wieder der Plan auf, die für die öffentliche Versorgung relevanten Teile der OMV in eine staatliche Holding einzubringen. Um sie, gemeinsam mit anderen Versorgungseinrichtungen, etwa Teilen des Verbunds, gegen unliebsame Übernahmen abzusichern. Diese Idee geisterte schon einmal bei der "alten" Staatsholding ÖIAG herum.

Bei allen Argumenten, die dafür sprächen, bleibt die Idee wohl Wunschdenken. Der Staat könnte sich das nämlich gar nicht leisten. Die Republik hält an der OMV lediglich 31,5 Prozent und müsste für das Herauslösen von Unternehmensteilen den Marktwert bezahlen. Die OMV ist derzeit an der Börse rund 7,5 Milliarden Euro schwer.

Außerdem hätten die Abu Dhabis, die 24,9 Prozent an der OMV halten und in einem Syndikatsvertrag mit Österreich verbunden sind, ein Wörtchen mitzureden. Die Araber spitzen schon lange auf eine Gesamtübernahme der lukrativen Borealis. Dass Gerhard Roiss erbittert dagegen hielt, war einer der Gründe, warum er als OMV-Chef im Vorjahr vorzeitig gehen musste.

Für die OMV ist die Forderung nach rein österreichischem Besitz "unrealistisch". Jedes Asset sei rechnerisch nur zu 31,5 Prozent in "österreichischer Hand". Bezogen auf den "potenziellen und noch nicht in Ansätzen finalisierten Asset-Tausch" mit den Russen rechnet OMV-Sprecher Johannes Vetter vor: Würden an einem Asset 25 Prozent minus einem Anteil abgegeben, würde sich die Beteiligung Österreichs gerade einmal auf 23,6 Prozent reduzieren.

Jetzt ist allerdings plötzlich die Rede davon, dass die Russen nur Minderheiten an Vermögensteilen der OMV erhalten würden. An welchen, will OMV-Chef Rainer Seele nach wie vor nicht verraten. Spekuliert wird über die Raffinerien Schwechat und Burghausen. Im Gegenzug beteiligt sich die OMV (zu lediglich knapp 25 Prozent) an einem russischen Öl- und Gasfeld. An der geplanten Gazprom-Pipeline Nord Stream 2 hält die OMV zehn Prozent. Seele wird, wie berichtet, Anfang Februar mit ÖVP-Vizekanzler Reinhold Mitterlehner in Moskau dem russischen Vizepremier Dmitrij Kosak die Aufwartung machen. Anzunehmen, dass Gazprom ein Thema ist.

Weil der Ölpreis bereits unter 30 Dollar gerutscht ist und 20 Dollar nicht unrealistisch sind, drohen der OMV nach einer Sonderabschreibung von einer Milliarde Euro heuer laut Standard weitere Wertberichtigungen. Das Sparpaket muss, wie berichtet, verschärft werden.

Der Grüne Peter Pilz ist überzeugt, dass die russische Regierung eine Übernahme der OMV durch die staatliche Gazprom seit Längerem vor hat. "Die OMV soll zum Brückenkopf Russlands in der EU ausgebaut werden. Nicht nur wirtschaftlich, auch strategisch", beruft sich Pilz auf "verlässliche Quellen in Russland". Internationale Ölexperten meinen ebenfalls, dass sich Gazprom längst schon unbedingt in westeuropäische Versorgungs-Infrastruktur einkaufen will. Seele gelte in der Branche, will Pilz wissen, "als Vasall von Gazprom-Chef Alexey Miller".

Pilz warnte bereits im Sommer 2014 im KURIER vor einem möglichen Einstieg der Gazprom bei der OMV. Damals hatten die Russen heftig dementiert.

Russland wird auch strategisches Interesse am rumänischen Ölkonzern Petrom nachgesagt, der zu 51 Prozent der OMV gehört. Doch die rumänische Regierung ist nicht gewillt, Gazprom ins Land zu lassen.

Die Grünen versuchen, eine parlamentarische Mehrheit gegen den Gazprom-Deal zustande zu bringen. Pilz: "Wir müssen die OMV vor ihrem eigenen Vorstand schützen und im Parlament einen Schutzschirm spannen."

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