Österreich ist in der EU bei Teilzeit auf Rang zwei

47 Prozent der Frauen arbeiten weniger als 35 Stunden in der Woche - Tendenz stark steigen.

Der Tag der Arbeit am 1. Mai wird in Österreich langsam zum Tag der Teilzeitarbeit. Schon 1,15 Millionen Beschäftigte arbeiten hierzulande weniger als 35 Stunden in der Woche. Mit 27,7 Prozent Teilzeitquote hievte sich Österreich im EU-Vergleich damit erstmals auf den zweiten Rang. Nur die Niederlande, wo jeder zweite Erwerbstätige einen Teilzeitjob hat, toppen diese Quote noch bei Weitem.

Anders als beim Europameister, wo auch die Männer gerne kürzertreten, ist Teilzeit in Österreich zum überwiegenden Teil Frauensache. Schon fast jede zweite Frau (47 Prozent) arbeitete im Vorjahr halbtags, vor 20 Jahren war es jede vierte. Tendenz weiter steigend. Bei Müttern mit Kindern unter 15 Jahren beträgt die Teilzeitquote sogar 70 Prozent.

Stetig, aber ungleich langsamer ist die Entwicklung bei den Männern. Knapp 90 Prozent gehen nach wie vor einer Vollzeit-Tätigkeit nach. Welche Auswirkungen hat eine hohe Teilzeitquote auf den Arbeitsmarkt? Der KURIER fasste die wichtigsten Punkte zusammen:

Beschäftigung: Die Statistik zeigt: Länder mit hohen Teilzeitquoten haben auch eine hohe Frauenbeschäftigung. Nur in fünf EU-Ländern (Finnland, Deutschland, Niederlande, Dänemark und Schweden) ist die Beschäftigungsquote bei den Frauen noch höher als in Österreich (67 Prozent). Die Kehrseite: Der Beschäftigtenzuwachs resultierte zuletzt vor allem aus neuen Teilzeitstellen, während die Vollzeitjobs weiter zurückgehen.

Unterbeschäftigung: Österreichs Teilzeitkräfte sind mit dem Ausmaß ihrer Beschäftigung großteils zufrieden. Nur 14,9 Prozent der Betroffenen geben laut Eurostat-Erhebung an, unterbeschäftigt zu sein. Das ist im EU-Vergleich der sechstniedrigste Wert. Im EU-Schnitt wollen 22 Prozent der Teilzeitkräfte gerne mehr arbeiten, in den Krisenländern Spanien oder Griechenland sind es 53 bzw. 73 Prozent.

Vereinbarkeit: Wichtigstes Motiv für Teilzeitarbeit ist für Frauen die Betreuung von Kindern oder pflegebedürftigen Erwachsenen. 38 Prozent der befragten Frauen und nur 3,8 Prozent der Männer nennen dies als Grund, geht aus dem Arbeitsmarktbericht der Statistik Austria hervor. Bei Männern steht die Kombination der Teilzeitarbeit mit schulischer oder beruflicher Aus- oder Fortbildung im Vordergrund. Ein Viertel der Männer geben dies als Hauptgrund an, aber nur 8,5 Prozent der Frauen.

Arbeitslosigkeit: Ist die hohe Teilzeitquote ein Grund dafür, dass die Frauen-Arbeitslosigkeit zuletzt niedriger war als die Männer-Arbeitslosigkeit? Experten sind sich uneins. Grundsätzlich verhelfen Teilzeitstellen Unternehmen zu mehr Flexibilität. Länder mit starren Arbeitsmärkten gelten als krisenanfälliger. Für WIFO-Arbeitsmarktexpertin Julia Bock-Schappelwein sind aber andere Faktoren ebenso wichtig. So sei die männerdominierte Industrie konjunkturanfälliger, während typische Frauenbranchen wie der Handel der Konjunktur nachhinken.

Einkommensschere: Die hohe Teilzeitquote bei den Frauen ist ein Grund für die statistische Einkommensungleichheit zwischen Männern und Frauen, aber längst nicht der einzige. Unterschiedlich bezahlte Branchen und Funktionen sind ebenso wichtig.

Karriere: Es gibt immer noch viel zu wenige hochwertige Teilzeitstellen oder Führungsfunktionen, die in Teilzeit erledigt werden können. Hier sind die skandinavischen Länder längst weiter. Hier ermöglichen bessere rechtliche Rahmenbedingungen Teilzeit ohne berufliche Nachteile, was auch die Männer-Teilzeit erhöht.

Altersarmut: Niedriglöhne führen zu Niedrigpensionen. Die Gewerkschaft wird nicht müde, Frauen vor dieser „Teilzeitfalle“ zu warnen.

Sozialsystem: Nachteilig wirken sich viele Teilzeitjobs auf die Finanzierung des Sozialsystems (Gesundheit, Pensionen) aus. „Teilzeiteinkommen bringen nur Teilzeitprämien für die Krankenversicherung. Die Behandlung im Krankheitsfall geht aber nur zu Vollkosten“, formulierte es kürzlich Sozialminister Rudolf Hundstorfer. Er denkt laut über eine Wertschöpfungsabgabe nach. Andere Länder finanzieren Soziales mehr über Steuern.

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