Vegane Gurken und begastes Brot

Josef Zotter schenkt Gästen Trinkschokolade ein und überlegt, Schoko ohne Verpackung zu verkaufen.
Bio allein reicht nicht mehr – in ist, wo weniger drin ist: etwa keine Eier, Milch oder Gluten.

Die Essiggurkerln von Robert Lutz sind nicht nur bio, sondern auch vegan. Genauso wie sein Hollunderblütensaft oder die eingelegten Pfefferoni des Wieselburger Bio-Vermarkters. "In der Industrie werden Fruchtsäfte oder Essig oft mit Fischgelatine geklärt", erläutert er, warum tierische Inhaltsstoffe bei Säften und eingelegtem Gemüse überhaupt ein Thema sind. Im Vorjahr hätten ihn auf der Biofach in Nürnberg – der größten Öko-Messe der Welt – viele gefragt, ob er vegan produziert. Deswegen schreibt er es heuer gleich groß an den Messestand. So wie viele andere auch. Die Biofach hat das Thema vegan zum Trend ausgerufen.

Auch Schokolatier Josef Zotter kommt daran nicht vorbei. An seinem Stand drehen sich unter wuchtigen goldenen Bilderrahmen Schüsseln mit veganer Schokolade. Es handelt sich um Milchschokoladen, die ohne Milch auskommen und auf Basis von Buchweizen, Goldhirse, Reismilch und Soja hergestellt werden.

Vegane Gurken und begastes Brot
Simone Hoepke
Offenbar müssen sich die Ökos wieder einmal etwas neues einfallen lassen. "Bio ist am Höhepunkt", meint selbst Pionier Josef Zotter. Bei den Marktanteilen, die Bio in vielen Ländern schon erreicht hat, sind keine großen Wachstumssprünge mehr zu erwarten. Aus Zotters Sicht hat die Branche aber ein Thema übersehen – die Verpackung, die oft so gar nicht öko ist. Zotter selbst tüftelt gerade, wie er seine Schokolade ganz ohne Verpackung verkaufen könnte. "Da gibt es zurzeit viele Start-ups, die sich mit dem Thema beschäftigen und jeden Fehler machen, den man nur machen kann. Das gefällt mir, solche Leute unterstütze ich", sagt der für seine Experimentierlust bekannte Steirer.

Begastes Bio

Ein paar Stände weiter zeigt sich, dass noch nicht alle in diese Richtung denken. Bio-Gebäck wird auch in begasten Plastikpackungen angepriesen. Das bringt zwar nicht das gewünschte Öko-Feeling, aber dafür wochenlange Haltbarkeit.

Vegane Gurken und begastes Brot
Simone Hoepke
Auch die Mauracher Bio-Hofbäckerei stellt auf der Biofach aus – bereit zum 17. Mal. Firmenchef Josef Eder sieht den Vegan-Trend skeptisch: "Da wird oft nur gefragt, ob das Produkt vegan ist, aber woher die Rohstoffe kommen und welche Rückstände aus der Agrochemie darin enthalten sind oder ob in Bioqualität produziert wird, ist völlig egal", ärgert sich der Oberösterreicher. Dennoch ist er auf den Trend aufgesprungen und verkauft etwa vegane Bio-Dinkel-Linzeraugen (ohne Milch und Ei). Eder liefert ein Drittel seiner Backwaren nach Bayern und hat seine Produktionskapazitäten 2005 verdreifacht. Wer am großen Bio-Markt mitspielen will, braucht eine gewisse Größe. Eder: "Wir brauchen volle Lkw, wenn wir nach Bayern liefern, um die Kosten im Griff zu haben."

Scheinbar kommt man derzeit ins Geschäft, wenn man statt einer Extraportion Milch oder Vitamine lieber etwas weglässt. Produkte frei von Laktose, Gluten, Ei oder tierischen Fetten sind das Gesprächsthema auf der Biofach. Zielgruppe sind nicht nur Allergiker oder Veganer, sondern die steigende Zahl jener, die sich zumindest zeitweise bewusst ernähren wollen. Auf der Messe haben vergangene Woche 2263 Firmen, davon rund 100 aus Österreich, ausgestellt.

Aus Sicht von Rudi Vierbauch, Obmann der Bio Austria, fließt derzeit zu viel Bio-Milch aus Österreich in die Nachbarländer. Allen voran nach Deutschland, weil Molkereien dort bessere Preise zahlen. Der Grund: In Österreich ist der Bio-Milchpreis an jenen von konventioneller Milch gekoppelt. Da derzeit die Preise wegen des Überangebots im Keller sind, „bluten auch die Biobauern mit“, so Vierbauch. In Deutschland würden sie derzeit rund 10 Cent mehr pro Liter Milch bezahlt bekommen als am Heimmarkt. Auch weil es in Deutschland Molkereien wie die Andechser Molkerei gibt, die sich auf Bio-Milch spezialisiert haben.

„In den österreichischen Vorständen der Molkereien sitzen dagegen vor allem Leute aus der konventionellen Produktion, die Bio nur mitmachen“, meint Vierbauch, der ein entsprechendes Verständnis für Bio vermisst. In den Vorständen würden die Bio-Vertreter stets überstimmt: „Der Bio-Anteil einer durchschnittlichen österreichischen Molkerei liegt bei 16 Prozent. Wären es 30 Prozent, würden Vorstände anders denken.“

Müsli mit Hanf

Auf der Biofach in Nürnberg zeigen Hersteller, das Bio längst kein langweiliger Einheitsbrei mehr ist. Es gibt Paprika-Chips aus Kürbis und Süßkartoffel, Kichererbsenragout mit Mandel-Reis oder Couscous-Müsli mit Apfel, Zimt und Hanf. Der Markt wächst. In Europa ist der Einzelhandelsumsatz 2014 um 6 Prozent auf 24,3 Milliarden Euro gestiegen. Das weltweite Geschäft mit Bio soll 72 Milliarden Euro bewegen.

Europas größter Bio-Markt ist Deutschland (7,6 Mrd. Euro), gefolgt von Frankreich und dem Vereinigten Königreich (4,4 bzw. 2,1 Mrd. Euro). Der österreichische Markt wird mit 1,1 Milliarden Euro beziffert.

Pro Kopf geben die Schweizer mit 210 Euro im Jahr am meisten für Bio-Waren aus. In Österreich liegt der Schnitt bei 127 Euro, vor allem für Milch, Joghurt, Käse und Eier in Bio-Qualität, sagt AMA-Chef Michael Blass.

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