Öfter Ostsee statt Mittelmeer
Dieses Jahr werden wir erstmals Verhältnisse erleben wie im Reise-Weltmeister-Land Deutschland", sagt Freizeit- und Tourismusforscher Peter Zellmann. Denn nie zuvor haben so viele Österreicher einen Urlaub geplant wie heuer. Bis zu 60 Prozent der Österreicher könnten heuer verreisen, bisher waren es immer um die 50 Prozent. "Wir kennen in der Urlaubsplanung offensichtlich keine Krise", kommentiert Zellmann seine 17. Tourismusanalyse, für die 1100 Personen befragt wurden. Die Schuldenkrise hinterlässt dennoch Spuren in der Reiseplanung – bei der Wahl des Urlaubszieles. Griechenland schafft es nicht mehr unter die beliebtesten fünf Auslands-Destinationen der Österreicher. "Weil streikende Taxifahrer oder stillstehende Fähren das Gesamtbild des Urlaubslandes trüben", erklärt Zellmann. Wer schon zwei Mal in Griechenland war, fährt jetzt lieber wo anders hin, meint der Experte.
Zum Beispiel nach Deutschland. Das Nachbarland ist erstmals unter den Top-5-Auslandsurlaubszielen der Österreicher. "Die Ostsee wird zum Mallorca-Ersatz", beobachtet Zellmann. Bei schönem Wetter sei der hohe Norden durchaus mit Mittelmeerdestinationen zu vergleichen. Zudem zieht es viele Österreicher an die bayerischen Seen – wie den Tegernsee – die wiederum gut mit dem Angebot im Salzkammergut vergleichbar sind. Und auch München ist vielen eine Reise wert. Zellmann: "Mit zehn Millionen Nächtigungen im Jahr hat die Stadt eine Anziehungskraft wie Wien."
Reise-Weltmeister
Auch sonst kann sich die deutsche Tourismusbilanz sehen lassen. Seit dem Jahr 2004 melden deutsche Hotels – mit Ausnahme vom Krisenjahr 2009 – Jahr für Jahr ein Nächtigungsplus. Auf deutschen Flughäfen tummelten sich 2011 mit knapp 200 Millionen Fluggästen so viele Passagiere wie nie zuvor. Der Tourismus liefert bereits einen höheren Anteil zum deutschen Bruttoinlandsprodukt als etwa die Autobauer oder die Banken. Und die Deutschen selbst nennen sich Reise-Weltmeister. Fast 61 Milliarden Euro geben sie laut einer Commerzbank-Studie jährlich auf ihren Auslandsreisen aus. Dazu kommen die Ausgaben jener deutschen Urlauber, die zwischen dem deutschen Flensburg und Oberstdorf urlauben – immerhin 37 Prozent sind Inlandsurlauber. Zum Vergleich: Die Österreicher lassen für den Urlaub vier Milliarden springen, hat RegioPlan errechnet. Pro Haushalt beträgt das Reisebudget damit durchschnittlich rund 1100 Euro.
Wunsch und Wirklichkeit
Heuer dürfte besonders viel davon in Österreich ausgegeben werden. Denn 26 Prozent der Urlaubswilligen planen einen Österreich-Urlaub – in anderen Jahren waren es keine 20 Prozent. Die Tourismusanalysen der letzten 17 Jahre zeigen aber, dass letztlich immer mehr Österreicher im eigenen Land geblieben sind als ursprünglich geplant – konstant zwischen 27 und 31 Prozent. "Man plante eine längere, teurere Reise in den Süden, urlaubt dann aber letztlich doch kürzer und preiswerter in Österreich", so die nüchterne Analyse von Zellmann. Heuer können – aufgrund der Hochrechnungen der Vorjahreswerte – sogar 36 Prozent der Urlauber in Österreich bleiben. Zellmann räumt auch gleich mit der Mär auf, dass zwei Wochen Sommer- und eine Woche Winterurlaub so etwas wie Standard sind. Das konnten sich in den vergangenen 17 Jahren immer nur 13 bis 16 Prozent der Österreicher leisten. 42 Prozent der Österreicher sind im Vorjahr gar nicht verreist, 34 Prozent waren nicht länger als 13 Tage unterwegs.
Kommentare