ÖBB-Pöchhacker: "Mehr Rechte für Politik"

ÖBB-Pöchhacker: "Mehr Rechte für Politik"
Der Aufsichtsratschef der ÖBB kritisiert, dass die Politik in der Staatsholding ÖIAG zwar die Verantwortung, aber nichts mitzureden hat.

Horst Pöchhacker hält nichts davon, die Bahn in die ÖIAG zu geben. Er findet es bedenklich, dass dort die Aufsichtsräte selbst über ihre Nachfolger bestimmen.

KURIER: Teile der ÖVP und Finanzministerin Fekter wollen den Verbund, die Asfinag und die ÖBB unters Dach der Staatsholding ÖIAG geben. Als ÖBB-Aufsichtsratschef dürfte sich Ihre Begeisterung in Grenzen halten.

Horst Pöchhacker: Ich war von 1986 bis 2000 Aufsichtsrat der ÖIAG. Es regt mich auf, dass der Staat seit 2000, als der sich selbst erneuernde Aufsichtsrat erfunden wurde, überhaupt nicht mehr mitgestalten kann. Die Minister Bures und Mitterlehner sind zuständig für die Verkehrs- und die Energiepolitik. Wenn man diese Unternehmen in die heutige ÖIAG gibt, heißt das doch nichts anderes, als dass ÖIAG-Aufsichtsratsvorsitzender Peter Mitterbauer und seine Kollegen die Energie- und Verkehrspolitik der Regierung bestimmen, ohne dass diese beiden Minister und auch die Finanzministerin mitreden können.

War alles besser, bevor Wolfgang Schüssel und sein Finanzminister Grasser den sich selbst erneuernden Aufsichtsrat installierten?

Seit 2000 ist die ÖIAG jedenfalls kein Ruhmesblatt mehr. Die Privatisierung der Austria Tabak und der AUA waren nicht das Gelbe vom Ei. Die ehemaligen ÖIAG-Chefs Sekyra, Hohlweger und Becker haben vorher wirklich Vorbildliches geleistet. Damals wurde der Syndikatsvertrag mit den Abu Dhabis für die OMV geschlossen, Voest und Böhler waren eine Erfolgsstory. Aber die ÖIAG geht mich heute nichts mehr an, ich möchte mich nur in Zusammenhang mit der ÖBB dazu äußern.

Warum bedauern Sie als Mann der Wirtschaft eigentlich den nicht vorhandenen Einfluss der Politik?

Wer die Pflichten hat, muss auch die Rechte haben. Es kann doch nicht sein, dass der Aufsichtsrat alle Rechte hat und die Minister haben nur die Verantwortung dafür, wenn was schief läuft. Man kann nicht Verantwortung übernehmen, wenn man nicht gestalten darf. Mitterbauer und seine Freunde machen die Energiepolitik – Stichwort erneuerbare Energien, Wasserkraft, Atomstrom – und Minister Mitterlehner trägt die volle Verantwortung?

Wenn die Politik wieder in der ÖIAG mitredet, öffnet man doch der Parteipolitik Tür und Tor.

Nein, wenn ich von Politik rede, meine ich die Eigentümerfunktion der Politik. Verwechseln Sie nicht Parteipolitik mit den Aufgaben der Politik für Eigentum, das noch dem Staat gehört und strategisch geführt und verwaltet werden muss. Ich bin mir nicht klar, welche Zukunft die ÖIAG hat. Wenn man jetzt einen neuen Chef bestellt, zäumt man das Pferd außerdem von hinten auf. Denn vorher müsste es klare Vorgaben der Regierung geben. Das hat nichts mit Verstaatlichung oder Parteipolitik zu tun.

Können Sie sich die ÖBB in der ÖIAG vorstellen?

In der jetzigen ÖIAG nicht. Da wäre plötzlich ein privater Aufsichtsratsverein für die Verkehrspolitik zuständig. Wenn man weitere öffentliche Unternehmen in die ÖIAG geben will, müsste das ÖIAG-Gesetz geändert werden und die Regierung müsste ihre Aufsichtsrolle wieder übernehmen. Das funktioniert nicht ohne Einfluss auf die Vorstandsbestellungen. Man kann doch nicht ein Riesenvermögen in die Hände eines privaten Aufsichtsrates geben und die Verantwortung bleibt bei der Politik. Das ist ein bissl so wie bei den Stiftungen.

Was haben jetzt Stiftungen mit der ÖIAG gemeinsam?

Plötzlich erneuert sich der Stiftungsvorstand von selbst und irgendwann kann der Stifter nicht mehr über sein Vermögen verfügen. So was ähnliches passierte kürzlich in der Causa Martin Graf.

Angenommen, die Politik nimmt das Zepter wieder in die Hand, könnten Sie sich dann die Bahn in der Staatsholding vorstellen?

Kaum, aber das ist Sache der zuständigen Ministerin. Die ÖBB wird heuer Gewinne schreiben, auch der Verbund ist gut geführt. Es wäre absurd, gut funktionierende Unternehmen in die ÖIAG zu geben. Dann entsteht ein Riesen-Konglomerat ohne Struktur. So etwas hat schon einmal nicht funktioniert, erinnern Sie sich an die ehemalige Verstaatlichte Industrie.

Was halten Sie von einer Privatisierung der ÖBB?

Man muss ja nicht gleich die ganze Bahn verkaufen, sondern kann auf verschiedenen Ebenen, etwa im Cargo-Bereich, Private als Partner hereinnehmen. Dafür brauche ich aber keine Privatisierungsagentur, die der Staat nicht beeinflussen kann. Doch zuerst einmal muss die ÖBB auf eigenen Beinen stehen. Im Gegensatz zum Verbund hat die Bahn keine Kapitalerhöhung bekommen.

Was sind die Voraussetzungen für eine kapitalmarktfähige Bahn?

Die Kapitalkosten müssen verdient werden und die Eigenkapitalausstattung so stabil sein, dass wir nicht Gefahr laufen, an die Grenzen zu kommen. Soweit sind wir bei der Cargo noch nicht. Und dann muss es Leute geben, die sich darum reißen, ihr Geld in der Bahn anzulegen. Wir sind auf gutem Weg, in zwei bis vier Jahren wird die Bahn, abhängig von der Konjunkturlage, soweit sein.

Setzt die Konkurrenz der Westbahn sehr zu?

Wir haben sie in der Menge nicht gespürt, Konkurrenz ist als Ansporn immer positiv. Auf der anderen Seite muss man schon die Kirche im Dorf lassen. Die Westbahn hat täglich um die 20 Züge, die ÖBB haben 6000. Doch wir müssen natürlich mit weiterer Konkurrenz rechnen.

Wer zum Beispiel könnte noch gegen die ÖBB antreten?

Die französische Bahn wird sich sicher nicht mit einer Minderheitsbeteiligung an der Westbahn begnügen. Aber es wird noch andere private Konkurrenten geben. Triebwagenlieferanten und Investoren zum Beispiel, die an einen wachsenden Markt glauben.

Zur Person: Baumanager in der Bahn

Karriere Der SP-nahe Bauingenieur trat 1962 als Bauleiter in den Porr Konzern ein. 1976 stieg der heute 73-Jährige in den Vorstand auf, den er von 1982 bis 2007 leitete. Seit 2007 ist Pöchhacker Aufsichtsrats-Chef der ÖBB. Daneben ist er Vize-Chef des Asfinag-Aufsichtsrates und der Bundesimmobiliengesellschaft BIG sowie Vorsitzender des UBM-Aufsichtsrates.

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