Nur Glaube macht Geld wertvoll

Nur Glaube macht Geld wertvoll
Was Geld mit Göttern zu tun hat und welchen Preis wir dafür zahlen, beschreibt Christina von Braun in ihrer Kulturgeschichte des Geldes.

Wer die Worte "Vertrauen, Geld und Wirtschaft" bei Google eingibt, erhält nicht weniger als 4,5 Millionen Treffer. Wer die knapp 500 Seiten des neuen Buches von Christina von Braun liest, versteht, warum das so ist: In ihrer Kulturgeschichte des Geldes analysiert die deutsche Wissenschaftlerin, warum wir an ein System glauben, das auf dem Nichts basiert und dennoch ganze Staatswirtschaften ins Wanken bringen kann. Ein Hirngespinst, also. Geld ist die Substanzlosigkeit bereits angeboren, führt Braun aus.

"Die materielle Deckung des Geldes gilt schon lange nicht mehr." Insbesondere Gold als Garant sei eine Illusion. Der britische Ökonom John Maynard Keynes errechnete bereits Anfang des 20. Jahrhunderts, dass alles Gold der Welt, das im Laufe von 7000 Jahren gefördert wurde, auf einen einzigen Ozean-Dampfer passen würde. Braun: "Das heißt, es kann nicht einmal symbolisch decken, was heute an Geld zirkuliert."

Alles Illusion

Warum aber hetzen wir wertlosen Münzen und Scheinen hinterher? Weshalb nehmen wir elektronisches Geld an, das nur virtuell existiert? Um das zu verstehen, muss man der Kulturhistorikerin weit in die Geschichte folgen. Denn Geld entstand nicht, um den Tauschhandel zu vereinfachen, sondern entwickelte sich aus frühreligiösen Opferriten, erklärt Christina von Braun im KURIER-Interview.

KURIER: Frau von Braun, Sie schreiben, dass das Sesshaft-werden des Menschen bei der Entwicklung des Geldes eine große Rolle gespielt hat. Wären wir Jäger und Sammler blieben ... ja, was wäre dann?
Christina von Braun: Vermutlich hätte es diese Form von Wirtschaft nicht gegeben – etwa, dass man mit größeren landwirtschaftlichen Flächen mehr Menschen ernähren kann; dass die Bevölkerungszahlen gewachsen sind. Der Mensch, der in die Natur eingreift, empfindet sich nicht als ein Teil von ihr, sondern als ihr Beherrscher. Damit machte man sich der Schöpfung gegenüber schuldig. Und so kamen Opferkulte auf. Sie sind der Ursprung des Geldes.

Wie das?
Wenn eine Gesellschaft in die Natur eingreift, muss ein Opfer dargebracht werden, um die Gottheit wohlzustimmen, damit die Natur weiterhin trägt und fruchtbar ist. Das Geld ist ein Symbol für diesen Vorgang. Daher ist das Vokabular der Ökonomie auch durchsetzt von Fantasien, die eigentlich aus der Natur kommen – Blüten, Geldquellen, fruchtbar sein, wachsen. In Griechenland war die Opfergabe an einen kleinen Spieß gekoppelt, genannt Obolos, wovon sich unser Obolus in der Kirche ableitet. Jeder, der an den Opfer-Mahlzeiten teilnahm, erhielt die kleinen Spieße. Später bekamen sie einen Wert.

Und dieser Wert hat sich verselbstständigt?
Ja, als Münze, auf der Opfer-Werkzeuge oder der Kopf des wichtigsten Opfertieres, des Stiers, eingeprägt waren. Die erste griechische Münze hieß daher auch Obolos.

Was gibt dem Geld Wert?
Es gibt drei Formen der Deckung des Geldes. Die eine ist die materielle Deckung: Grund und Boden oder eine Tonne Gerste – was auch immer einem bestimmten Betrag entsprach. Über diese Werte wurde in der Antike im Tempel Buch geführt. Die materielle Deckung durch Edelmetalle ist mit dem Verlassen des Goldstandards endgültig aufgegeben worden. (Unter dem Goldstandard versteht man ein Währungssystem, das auf dem Wert des Goldes basiert. Realisiert wird dies, indem Münzen aus Gold in Umlauf gesetzt oder Banknoten auf Goldeinheiten ausgestellt werden. Der Goldstandard verlor nach dem Ersten Weltkrieg an Bedeutung und fand durch die Sterlingkrise 1931 sein Ende.)

Die zweite Form der Deckung besteht darin, dass eine Autorität – Staat oder Herrscher – beglaubigt, dass dieses Geld einen bestimmten Wert hat. Diese Beglaubigung wurde von den Machthabern oft missbraucht, um Inflationen anzuzetteln, sodass Geld nichts mehr wert war. So bleibt nur die theologische Beglaubigung, die aus dem Opferkult entstand.

Auch heute noch?
Ja, Menschen müssen daran glauben, damit wir alle ans Geld glauben.

Daher hören wir jetzt ständig von Finanz-Experten, wie wichtig es sei, das Vertrauen wiederherzustellen?
Genau! In Krisen, in denen es keine andere Form der Deckung des Geldes gibt, sind es tatsächlich Menschen, die als Opfer der Krisen den symbolischen Tod erleiden. Indem sie ihre Arbeit verlieren, ihre Behausung und indem sie an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden. In den modernen Geld-Gesellschaften ist dann vom sozialen Tod die Rede. Das sind die Menschen, die den Preis des Geldes zu bezahlen haben.

Nur Glaube macht Geld wertvoll

Sie sagen auch, Geld funktioniere nur, solange die Gemeinschaft funktioniert.
Geld und Gemeinschaft sind untrennbar miteinander verbunden. Die Gemeinschaft wurde früher durch den König zusammengehalten. Heute – in der Demokratie – gibt es nur einen Faktor, der die Gemeinschaft zusammenhalten kann – soziale Gerechtigkeit. Wenn sie, wie wir es seit der Deregulierung des Marktes vielfach erleben, nicht mehr glaubwürdig ist, büßt auch die Gemeinschaft ihre Glaubwürdigkeit ein. Und damit ihre Geldwährung.

Was an Zahlungsmittel befindet sich gerade in Ihrer Handtasche?
Münzen, Scheine und natürlich Kreditkarten, Scheckkarten..., also fast das volle Programm!

Sie haben auch nach Ihren Forschungen noch Vertrauen ins Geld?
Wissen Sie, ich bin zwar Kritikerin und analysiere das, was sich historisch abgespielt hat. Aber ich bin keine Gegnerin des Geldes. Es hat viele positive Seiten. Zum Beispiel einen sehr starken sozial-emanzipatorischen Effekt. Es hatte im Laufe der Geschichte einen demokratisierenden Effekt und bewirkte soziale Mobilität nach oben und unten. Es sorgte für die Abschaffung der Leibeigenschaft und durchbrach die strengen Klassenhierarchien des Feudalismus.

Welche sind die verbreitetsten Irrtümer zu Geld?
Sicherlich, dass wir es abschaffen können. Ich glaube, dass wir nicht einmal mehr denken können, wie es ist, ohne Geld zu leben – geschweige denn, an die Abschaffung. Ein anderer Irrtum ist sicherlich, dass man meint, es durch eine Tauschgesellschaft ersetzen zu können. Das kann parallel existieren. In Japan können Menschen etwa durch die Pflege von Alten für sich selbst Pflegestunden erwerben, wenn sie alt sind. Da fließt überhaupt kein Geld, aber Stunden werden in einer Buchhaltung angerechnet, die den Menschen später zugutekommen. Solche Wirtschaftsformen können durchaus zu einer Geldwirtschaft dazukommen.

Was ist der Euro-Rettungsschirm im Lichte Ihrer Recherchen?
Der Euro-Rettungsschirm versucht eine europäische Gemeinschaft zu konstituieren, die wir eigentlich noch nicht haben. Wir haben zuerst das Geld geschaffen, das normalerweise erst aus einer Gemeinschaft hervorgeht, wenn diese glaubwürdig ist. Hier ist zunächst relativ glaubwürdiges Geld entstanden, aber die Gemeinschaft selbst ist noch gar nicht so weit. Allerdings glaube ich, dass es kein Zurück gibt. Uns bleibt nur, diese Gemeinschaft auch politisch und kulturell entstehen zu lassen.

Was würden Sie Leuten raten, die ob der Krise um ihr Geld fürchten? Gold kaufen wohl nicht – Immobilien?
Auch Immobilien sind nur begrenzt vorhanden, und sie gehen in schweren Finanzkrisen ebenfalls den Bach runter. Im Grunde genommen gibt es keine Flucht in materielle Werte, das muss man sich klarmachen. Doch eine andere Form von Gerechtigkeit herzustellen, ist sicher der wichtigste Faktor, um die Glaubwürdigkeit des Geldes wieder zu etablieren.

Info: Die Frau, die alles über Geld weiß

Christina von Braun, 1944 in Rom geboren, lebte bis 1981 als freie Autorin in New York und Paris. Sie drehte etwa 50 Film-Dokumentationen sowie Fernsehspiele und verfasste zahlreiche Bücher zu kulturgeschichtlichen Themen und Geschlechter-Fragen. Seit 1994 ist die Nichte des Raketen-Forschers Wernher von Braun Professorin an der Humboldt-Universität zu Berlin.

Zum Buch In „Der Preis des Geldes“ führt Braun bis zu den Ursprüngen aller Zahlungs­mittel zurück, dem Opferritus, der sich im Wort Geld bis heute erhalten hat („gelt“ ist germanisch und bedeutet Götteropfer) . Sie analysiert, wie das Geld seit seiner Entstehung eine eigene Realität erschaffen hat und mittlerweile alle Gesellschaftsbereiche durchdringt. (Aufbau Verlag, 35 €).

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