Hirnforschung für den Kaufrausch
KURIER: Braucht es Stars wie Georg Clooney, um Kaffee in kleinen Kapseln zu verkaufen? Warum funktioniert das überhaupt?
Peter Kenning: Der Mensch tickt so, dass er Belohnung anstrebt und Strafen vermeidet. Wenn Clooney Sie vom Nespresso-Plakat anlacht, empfinden Sie das als Belohnung. Bei Schauspielern funktioniert das besonders gut. Deren Filme haben meist ein Happy End und der Mensch speichert das als positive Erfahrung ab. Wenn diese Erfahrung mit der Marke verbunden wird, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass er die Marke kauft.
Ein Bösewicht geht also gar nicht als Werbeträger?
Ich kenne zumindest keine Werbung mit Frankenstein. Aber es gibt so etwas wie einen Vampir-Effekt in der Werbung.
Zum Beispiel?
Franz Beckenbauer hat zu Spitzenzeiten in Deutschland für zahlreiche Marken geworben und soll bis zu acht Werbeverträge gleichzeitig gehabt haben. Damals konnten sich die Menschen an den Spot und an Beckenbauer erinnern, aber nicht an die Marke, für die er geworben hat. Das nennt man Vampir-Effekt.
Er war zeitgleich für 8 Firmen Testimonial? Ist das sinnvoll?
In Deutschland steht Beckenbauer bei Männern für den Gewinn der Fußball-WM, davon profitiert er noch heute. Ähnlich wie in Österreich Krankl oder Franz Klammer für Siege stehen und daraus seit Langem Profit schlagen. Solche Leute sind als Werbeträger gefragt. Wenn sie für mehrere Marken werben, sinkt aber der Grenznutzen der Werbung, wegen des Vampir-Effekts.
Gibt es Werbungen, die völlig daneben gegangen sind?
Benetton hat einmal versucht, mit Plakaten von Kranken und Sterbenden aus den Klischees der heilen Werbewelt auszubrechen. Das ist völlig daneben gegangen.
Aber die Werbung ist zumindest in Erinnerung geblieben ...
Es gab viel Aufsehen um die Werbung, aber die Verkaufszahlen sind gesunken, weil weniger Leute zu Benetton gehen wollten. Deswegen wurde die Kampagne auch eingestellt.
Was verlockt Kunden zum Kauf – abgesehen von schönen Menschen?
Gut funktioniert künstliche Verknappung, das sieht man gut in der Autoindustrie. Ist ein Modell am Ende des Produktzyklus, wird noch einmal eine Limited Edition auf den Markt gebracht – und die Leute kaufen.
Oder es werden gleich nicht mehr als 7000 Autos im Jahr produziert, wie bei Ferrari ...
Das ist das perfekte Demonstrationsobjekt. Jeder weiß, dass ein Ferrari knapp und teuer ist. Ich brauch ihn nur zu fahren und jeder weiß, dass ich Geld habe. Das funktioniert perfekt. Dagegen kann ich nicht durch die Gegend fahren und jedem meinen Gehaltszettel unter die Nase halten. Autos haben eigentlich alle den gleichen Nutzen, aber für einen Audi zahlen die Leute bei gleicher Leistung mehr als für andere Modelle. Wegen dem Demonstrationseffekt.
Das Auto, Statussymbol der Männer ...
Sportwagen funktionieren bei Männern als Belohnung sehr gut, bei Frauen so gut wie gar nicht. Eine US-Studie, die in namhaften Fachzeitungen publiziert wurde, kommt zu den Schluss, dass Frauen besonders häufig teure Luxus-Handtaschen kaufen. Damit wollen sie Status zeigen und mögliche Konkurrentinnen abhalten.
Sex sells – stimmt das noch? Oder nutzt sich das ab, weil schon jedes Joghurt mit halb Nackten beworben wird?
Den Spots nach zu schließen stellen Firmen fest, dass das nicht mehr so gut funktioniert. Ich kenne aber keine Studien dazu.
Den Spots nach zu schließen, funktionieren Hunde gut ...
Der Hund ist positiv besetzt, er steht für Zuverlässigkeit und Treue. Und meist ist er das i-Tüpfelchen in einem Bild der heilen Familie.
Und "Geiz ist geil" ist out?
Werbung kann zwei Ziele haben: Markenaufbau und direkten Verkauf. Der Spruch zielt auf direkten Verkauf ab. Das funktioniert in Krisenzeiten gut, aber der Belohnungseffekt bleibt aus, weil es keine positive Emotion gibt. Das hat man auch bei der Pleite der Praktiker-Märkte gesehen, die immer mit Minus-20-Prozent geworben haben.
Was meinen Sie genau?
Dass Praktiker pleite war, war den Kunden egal. Sie hatten keine emotionale Bindung zu Praktiker. Bei der Kindermilchschokolade gab es zum Vergleich dazu schon einen Riesenaufschrei, nur weil der Junge auf der Packung ausgetauscht wurde. Günther wurde durch ein moderneres Bild, jenes von Kevin, ersetzt. Daraufhin haben 80.000 Leute mittels Unterschriftslisten protestiert.
Wird Werben wegen der vielen Medien schwieriger?
Ja, um in den Köpfen zu bleiben, muss man die Markenerinnerung aktuell halten und etwa alle zehn Tage vorkommen. Deswegen wird noch viel Fernsehwerbung gemacht, da erreicht man viele Leute. Viele versuchen, Leute mit Gewinnspielen auf ihre Homepage zu locken. Etwa, indem Gewinncodes in den Stöpsel der Cola-Flasche oder den Joghurtbecher gedruckt werden. Solche interaktiven Gewinnspiele werden sicher mehr werden.
Peter Kenning, geboren 1970, ist Professor für Marketing an der privaten Zeppelin Universität in Friedrichshafen. Er ist auf Neuroökonomie spezialisiert. Kenning war einer der ersten Wissenschaftler weltweit, der Gehirnscans dazu verwendete, Kaufentscheidungen von Konsumenten zu erforschen. Er arbeitet mit Radiologen und Neurologen daran, die neuralen Mechanismen dieser Entscheidungen zu beschreiben und besser zu verstehen. Für seine Forschung hat Kenning mehrere Auszeichnungen erhalten. Kenning ist Mitglied des wissenschaftlichen Beirats „Verbraucher- und Ernährungspolitik“ des deutschen Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder.
Peter Kenning war auf Einladung von DMVÖ und WWG beim „Dialog der Wissen schaf[f]t“ in Wien.
Clooney trinkt nicht einfach Filter-Kaffee... Unter der Marke Nespresso waren die Gebrauchsartikel dank aufwendiger Werbung mit Hollywood-Star George Clooney und edler Aluminium-Hüllen zum Status-Symbol aufgewertet worden.
Ein Lächeln für die Ewigkeit... Jeder kannte sein Gesicht, doch den wenigsten war der Name Günter Euringer ein Begriff. Mehr als 30 Jahre lang, von 1974 bis 2005, zierte sein Buben-Gesicht die allseits bekannte "Kinder Schokolade". Nostalgiker starteten damals sogar eine Petition für das alte Konterfei. Vergebens.
Geiz ist nicht mehr geil... Der unter anderem durch aggressive Werbung bekannt gewordene deutsche Elektronikhändler Media Markt kündigte im Herbst 2011 an, auf "die Preis- und Angebotsaktionen der letzten Jahre" zu verzichten. Der Slogan "Geiz ist geil" war jahrelang in aller Munde und schaffte es als eigenständige Phrase ins Sprachrepertoire der Österreicher.
Liebe ist besser als Hass... Das für spektakuläre Werbeauftritte bekannte italienische Modeunternehmen Benetton sorgt immer wieder für Diskussionen - 2011 etwa mit montierten Kuss-Bildern vom Papst und mehreren Politikern. "Unhate" - Nicht-Hass - hieß die Plakatserie mit Fotomontagen. Zur Kampagne zählt auch eine Kuss-Montage, die Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsidenten Nicolas Sarkozy zeigt. Im Herbst 2012 sorgte man etwa für Gesprächsstoff, als der Konzern aus dem norditalienischen Ponzano Veneto im Rahmen einer neuen, weltweiten Kampagne den "Arbeitslosen des Jahres" suchte.
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