Kritik an neuer Rechtsform für "Gründerinnen": Was Experten davon halten

Kritik an neuer Rechtsform für "Gründerinnen": Was Experten davon halten
Der Gesetzesentwurf zur flexiblen Kapitalgesellschaft sorgt nicht nur für Genderdebatten. Auch der Inhalt stößt auf viel Kritik.

Gründerinnen, Gesellschafterinnen, Mitarbeiterinnen: Der von Justizministerin Alma Zadić in rein weiblicher Form vorgelegte Gesetzesentwurf zur flexiblen Kapitalgesellschaft (Flexkap) fachte die Genderdebatte neu an – weil in Gesetzen bis dato meist die männliche Form verwendet und das weibliche Geschlecht mitgemeint war. Die von der Start-up-Community schon seit Jahren geforderte Rechtsform zur einfacheren Gründung weist aber auch inhaltlich viele Schwächen auf.

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Zum Gesetzesentwurf gingen insgesamt 62 Stellungnahmen ein. Diese sollen nun über den Sommer eingearbeitet werden, damit das Gesetz wie vorgesehen im November in Kraft treten kann. Wirtschafts- und Start-up-Vertreter werten den Entwurf zwar positiv, hätten sich aber mehr erwartet.

Viele Expertinnen und Experten lassen kein gutes Haar am Entwurf. Hauptkritikpunkte: Die neue Flexkap ist intransparent und komplex und eigentlich braucht es sie gar nicht, denn kleine Änderungen der bestehenden Rechtslage hätten auch gereicht.

GmbH-Reform hätte gereicht

Für die Kammer der Steuerberater etwa wären die geplanten Änderungen auch durch eine Modernisierung der GmbH möglich gewesen. Dadurch hätte eine zusätzliche und damit bisher unbekannte Rechtsform vermieden werden können. „Man hätte einige Punkte ins GmbH-Gesetz reinschreiben und den Rest vergessen können“, fasst Unternehmensrechtsprofessor Christian Zib von der Universität Wien zusammen.

Kritik an neuer Rechtsform für "Gründerinnen": Was Experten davon halten

Christian Zib, Professor am Institut für Unternehmensrecht an der Uni Wien

Wegen der Begünstigungen – etwa die geringere Stammeinlage von 10.000 Euro – glaubt Zib, dass die Flexkap „zu gut angenommen“ wird und damit die GmbH unterlaufen würde. Die Rechtsform sei zwar für Start-ups gedacht, sie stehe aber grundsätzlich allen Unternehmen zur Verfügung. „Das wird eine ganz allgemeine Gesellschaftsform werden und dürfte somit auch von Installateuren benutzt werden. Bestehende Unternehmen könnten daher umgründen“, warnt Zib im Gespräch mit dem KURIER.

Der Experte befürchtet, dass die neue Rechtsform als Vehikel für die Verschleierung von Unternehmensanteilen benutzt werden könnte.

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Kritik an neuer Rechtsform für "Gründerinnen": Was Experten davon halten

Justizministerin Alma Zadic legte Entwurf vor

„Zu intransparent“

Diese seien nämlich „zu intransparent“, weil nicht ersichtlich sei, wer hinter einer Gesellschaft steckt. Bei der Flexkap können nämlich Unternehmenswert-Anteile bis zu 25 Prozent des Stammkapitals ausgegeben werden. Und zwar nicht nur an Mitarbeitende, sondern an jede oder jeden. Diese Anteilsbeteiligungen werden aber nicht wie bei der GmbH ins Firmenbuch eingetragen, sondern scheinen nur in einer Urkundensammlung auf, die einmal im Jahr von einem Anwalt – nicht Notar – eingereicht werden muss.

Oligarchen-Tochter gut zu verschleiern

Angeführt werden müssen nur die Namen, nicht aber die Stimmenanteile. „Das ist ein jährlicher Schnappschuss, das ist unbrauchbar, weil sich einige Wochen die Anteile schon wieder verändert haben könnten“, erläutert Zib. Kurzfristige Beteiligungen seien erst gar nicht enthalten. „Wenn das Bundeskriminalamt nachschauen will, ob da eine Oligarchen-Tochter an der Kitzbüheler Firma beteiligt ist, kann es das nicht feststellen. Und auch investigative Journalisten haben keinen Zugriff auf die Beteiligtenstruktur“, gibt Zib zu bedenken.

Anwalt statt Notar

Die Notariatskammer warnt ebenfalls vor einer Verschleierung von Beteiligungsstrukturen und hält es für problematisch, dass künftig europaweit Anwälte diese Urkunden zum Firmenbuch einreichen können. Es sei fraglich, ob ein Anwalt neutral über die Risiken, etwa das Haftungsrisiko bei einer Insolvenzverschleppung, aufklären könne, meint Zib. Ein Anwalt sei schließlich Interessensvertreter einer Partei und könne kein objektiver Kontrollor sein, „das ist nicht sein Berufsbild“.

Gleich von mehreren Seiten kritisiert wird die Absenkung der erforderliche Stammeinlage von 35.000 auf 10.000 Euro. Die Gewerkschaft ortet erhöhte Insolvenzgefahr und eine Flucht von nicht-börsenotierten AGs in die Flexkap, um sich den Vorgaben des Aktienrechts zu entziehen. Auch Zib ist kritisch, weil das Mindest-Stammkapital „eine Seriositätsschwelle“ sei. „Je niedriger, desto eher bekommen wir Gründer, die kein Geld und keine wirtschaftliche Erfahrung haben. Das ist gefährlich.“ Das Stammkapital sollte daher bei 35.000 Euro belassen werden.

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