Neue Klagewelle rollt gegen Meinl Bank an
Vor mittlerweile zehn Jahren ist der 1,8 Milliarden Euro schwere Anlageskandal um die Immobilienholding Meinl European Land (MEL) und die Meinl Bank geplatzt. Dabei wurden Tausende Sparer mit mutmaßlich falschen Verlockerungen um viel Geld gebracht. Laut österreichischen Gerichten gingen die Anleger aufgrund der Werbebroschüren fälschlicherweise davon aus, dass bei den MEL-Zertifikaten keine Wertverlustrisiko bestehe. Das Gegenteil war der Fall.
Viele Geschädigte schrieben ihr Erspartes schweren Herzens ab und zogen innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist für Schadenersatzforderungen nicht vor Gericht. Doch nun werden die Karten neu gemischt, weil die Gerichte Betroffenen nun de facto 30 Jahre Zeit geben, die Privatbank zu klagen.
Aber der Reihe nach. Kapitalmarktanwalt Johannes Neumayer und vor allem Ulrich Salburg, Anwalt des Prozessfinanzierers AdvoFin, haben vor dem Handelsgericht Wien mehrere brisante Urteile erstritten. So stellt Handelsrichter Andrew Annerl fest, dass die Meinl Bank die Anleger in den Werbebroschüren über die Risikogeneigtheit der MEL-Zertifikate getäuscht hat – nämlich mit Arglist.
Schwere Geschütze
„Bankvorstand Peter Weinzierl sah in den Werbefoldern nichts Verwerfliches (…) und wollte nach seiner Angabe niemanden täuschen“, schreibt Annerl in einem rechtskräftigen Urteil. „Dennoch fand er sich damit ab, dass Anleger aufgrund der Werbeaussagen im Folder unvollständig informiert werden.“ Weinzierl habe darauf hingewiesen, dass die Anleger keinen „falschen Eindruck“, sondern „einen nicht vollständigen Eindruck in den Werbebroschüren erhalten“ haben. „Ein unvollständiger Eindruck ist auch unrichtig“, stellt der Richter fest.
Das Oberlandesgericht ( OLG) Wien wiederum schießt sich auch auf Banker Julius Meinl ein. Er habe u. a. zwei unrichtige Ad-hoc-Meldungen über die angeblich vollständige Platzierung eines MEL-Kapitalerhöhung „wissentlich genehmigt“.
„Dass Julius Meinl aufgrund seiner Kenntnis von der Unrichtigkeit der Ad-hoc-Meldungen eine Irreführung bzw. Täuschung des Anlegerpublikums in Kauf nahm, liegt auf der Hand“, heißt es in einem OLG-Urteil vom 9. Mai 2018. Indes bestreitet die Bank, dass Julius Meinl „von der Unrichtigkeit der Mitteilungen wusste“.
Neue Sammelklage
Für die Meinl Bank haben diese Arglist-Urteile nun fatale Folgen. Der Tatbestand Arglist ist im Zivilrecht, was im Strafrecht der Betrug ist. Arglist verjährt erst nach 30 Jahren. Oder anders gesagt: Die Anleger haben ab Kenntnis ihres Schadens 30 Jahre Zeit, gegen die Meinl Bank vor Gericht zu ziehen. Voraussetzung ist dabei, dass sie die MEL-Zertifikate in den Jahren 2005 bis 2007 gekauft haben und noch über die entsprechende Unterlagen verfügen.
„Wir rechnen damit, dass sich für etwa 70.000 der 100.000 MEL-Anleger diese neue Möglichkeit ergibt, die Ansprüche einzuklagen“, sagt AdvoFin-Vorstand Franz Kallinger zum KURIER. „Wir starten am Freitag unsere Sammelklage-Aktion.“ Auf zumindest zehn Prozent schätzt AdvoFin die Zahl jener MEL-Anleger, die jetzt neu in den Ring steigen werden. Geschätztes Schadensvolumen: 100 bis 150 Millionen Euro.
„Wir werden bis Ende Juni schon 400 Klagen einbringen“, sagt Kallinger. Alleine im April hat AdvoFin 41 Urteile gegen Meinl erstritten. „98 Prozent aller Verfahren gewinnen wir“, sagt AdvoFin-Vorstand Gerhard Wütest zum KURIER. Der Prozessfinanzierer hat bereits 65 Millionen Euro für geschädigte MEL-Anleger zurückgeholt, davon entfallen 44 Millionen Euro auf eine außergerichtliche Einigung mit der MEL-Nachfolgerin Atrium. Die Meinl Bank hätte diesem Vergleich beitreten können, sie hat aber laut Franz Kallinger das Bereinigungsangebot ausgeschlagen.
„Bank kämpft weiter“
„Die Entscheidungen sind der Meinl Bank bekannt, sind aber in zweiter Instanz vereinzelt geblieben“, kontert die Privatbank. „Die Meinl Bank wird diese Entscheidungen, deren Grundlage aus den Beweisergebnissen überhaupt nicht herleitbar ist, weiter vehement bekämpfen. Darüber hinaus geben wir zu laufenden Verfahren keine Kommentare ab.“
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